Bauen

Der Archäologe Marc Miltz hält auf einer Baustelle zwei Tonscherben und eine Glasscherbe (kleines Bild im Text) in den Händen. (Fotos: Sven Hoppe/dpa)

19.09.2016

Denkmal im Boden

Für Bauherren ist es oft eine schlechte Nachricht: Werden unter ihrem Grundstück Bodendenkmäler vermutet, müssen diese dokumentiert werden. In Bayern machen diesen Job private Grabungsfirmen

Die Sonne prallt auf den hellen Kalkboden, keine Wolke ist am Himmel. Das Röhren des Baggers und das Krachen der Steine durchbricht die Nachmittagsstille im Erdinger Stadtteil Altenerding. Marc Miltz kniet auf dem Boden, streicht mit der Hand über eine rund Fläche, die sich dunkel von dem hellen Boden abhebt. "An den Verfärbungen im Boden sehen wir die Bodeneingriffe", erklärt der Archäologe. "Jeder dunkle Fleck ist ein Loch, das Menschen irgendwann gemacht haben." Wie lange das her ist, kann man nur bestimmen, wenn man in den Löchern etwas findet, zum Beispiel die Scherbe eines Tonkrugs. Miltz trägt eine gelbe Warnweste. Er arbeitet für die Münchner Grabungsfirma Planateam. "Bis in die 90er Jahre wurden Ausgrabungen vom Landesamt für Denkmalpflege gemacht, danach wurden diese Schritt für Schritt zurück gefahren", sagt Stefan Mühlemeier, Vorsitzender des Landesverbands Selbstständiger Archäologen in Bayern. "Heute gräbt das Landesamt für Denkmalpflege überhaupt nicht mehr." Damit ist Bayern das einzige Bundesland, in dem die sogenannten Rettungsgrabungen ausschließlich von privaten Firmen durchgeführt werden und der Landesverband der Selbstständigen Archäologen ist der Einzige bundesweit. Der Verband vermittelt zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege und den privaten Grabungsfirmen. Das Spannungsfeld beschreibt Mühlemeier so: "Wir als Grabungsfirmen müssen gewerblich wirtschaften, das Landesamt musste nicht in der Weise aufs Geld achten. Es kennt die Anforderungen der Berufsgenossenschaften, Löhne, etc. so nicht, ist aber immer noch die Hauptanlaufstelle für Bauherren."

"Viele Bauherren ärgern sich"

Wenn unter einem Grundstück ein Bodendenkmal vermutet wird, müssen Bauherren bestimmte Auflagen erfüllen. Sie bekommen nur dann eine Baugenehmigung, wenn sie die Archäologie im Boden dokumentieren lassen. 700 solcher Grabungen gab es im vergangenen Jahr in Bayern. Glücklich sind die Bauherren darüber nicht. "Viele ärgern sich, klar, weil es sie etwas kostet und sie nichts davon haben", sagt Miltz. Die Höhe der Kosten hängt davon ab, wie viel Archäologie im Boden verborgen ist, wie lange die Archäologen also mit der Ausgrabung beschäftigt sind. Auch wenn die Bauherren über die Preise für die Ausgrabungen klagen, auf der Seite der Grabungsfirmen herrscht ein harter Preiskampf. "Von einem typischen Job als Archäologe kann man keine Familie ernähren", sagt Miltz. Für Studenten sei die Aufgabe attraktiv. Er selbst promoviert gerade und wird danach wohl für ein Museum arbeiten. Andere Archäologen machen sich selbstständig und eröffnen Grabungsfirmen, wie die für die Miltz arbeitet. Zusammen mit 24 anderen Unternehmen ist die Firma Mitglied im Landesverband der Selbstständigen Archäologen in Bayern. Auf dem Baugelände schiebt sich der Bagger wie ein großes Insekt über den unebenen Boden. Dann, fast zärtlich, zieht die Schaufel die obere Bodenschicht ab. Oberbodenabtrag nennt sich diese erste Phase der archäologischen Grabung. Dann steckt Miltz in jeden der dunklen Flecken ein Plastik-Fähnchen mit einer Nummer darauf. "Die 128 ist auf jeden Fall aus dem Mittelalter, da hab ich direkt eine Scherbe gefunden", sagt der Archäologe. An den unterschiedlichen Randformen von Krügen oder an den Glasuren kann man die Scherben sehr eindeutig einer bestimmten Zeit zuordnen. In einem Container am Rand der Baufläche legt Miltz die Scherben auf den Tisch und beschriftet sie. "Das erste Klischee, von dem man sich verabschieden sollte, ist, dass Archäologen die ganze Zeit pinseln", sagt Mühlemeier. "Das tun sie höchstens Mal, wenn sie Skelette ausgraben. Sonst beobachten sie hauptsächlich den Bagger beim Oberbodenabtrag, fotografieren, zeichnen, beschreiben." Es sei ein interessanter Job, sagt er, weil man am Anfang des Tages nicht wisse, was einen erwarte. "Man kann tagelang neben dem Bagger sitzen und dann kommt plötzlich etwas, von dem man gar nicht wusste, dass es das dort gibt." Auch Miltz strahlt die Begeisterung für seinen Beruf aus. "Ich habe erst drei archäologische Funde", sagt er. "Aber die sind sehr eindeutig. Ich habe mich gefreut, wie ein kleines Kind."  (Katharina Mau, dpa)

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