Führerbau und NSDAP-Verwaltungsbau am Münchner Königsplatz, Haus der Kunst in der Prinzregentenstraße, Nürnberger Reichparteitagsgelände mit Zeppelinfeld und Kongresshalle: Steinerne Zeitzeugen für ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Architektur im Nationalsozialismus
bedeutet, dass es hier nicht um einheitliche Stilmerkmale oder die epochemachende Handschrift eines genialen Künstlers geht. Die Bezeichnung soll vielmehr verdeutlichen, dass diese Bauwerke im Dienst der nationalsozialistischen Ideologie standen und damit Ausdruck der Nazi-Diktatur sind.
Viele von ihnen, darunter die eingangs genannten Bauten, können mit monumentalem „Neoklassizismus“ beschrieben werden, andere, etwa das Olympia-Skistadion in Garmisch-Partenkirchen oder die einstige Reichssiedlung Rudolf Heß in Pullach, gehören zur Heimatschutzarchitektur. Ihre Merkmale sind regionaltypische Bauformen- und Materialien wie Satteldächer oder Holz und Naturstein. Wieder andere Bauten wie Tankstellen und Bunker weisen sogar Elemente der Moderne auf. Dies ist insofern bemerkenswert, als das „Bauhaus“ offiziell verboten und moderne Entwürfe bei Auftragsvergaben ignoriert wurden. Die Vertreter der Moderne konnten sich deshalb in Deutschland nicht halten.
Jedem Stil kam in den Jahren des Nationalsozialismus eine bestimmte Funktion in der Ideologie zu. Neoklassizistische Monumentalarchitektur diente der Repräsentation, Heimatschutzgestaltung für Siedlungsbau, Jugendherbergen oder Sportstätten. Die NS-Moderne wurde in der Kriegsvorbereitung
eingesetzt, bei Flugplätzen, Kasernen und Rüstungsbauten. Architektur im Nationalsozialismus umfasst einzelne realisierte Bauten, aber auch ausladende, ambitioniertere, städtebauliche Planungen. Berlin, Hamburg, Linz, München und Nürnberg sollten zu „Führerstädten“ mit differenzierten übergeordneten Funktionen im Deutschen Reich werden. Ein großer Teil dieser Planungen, unter anderem Berlin als „Welthauptstadt Germania“, sind nie in die Realität umgesetzt worden.
München führte von 1935 bis 1945 den nationalsozialistischen Ehrentitel „Hauptstadt der Bewegung“. Die dortigen Planungen zählten zu den ersten im Auftrag der NSDAP verwirklichten Bauvorhaben. Ihre Gestaltung war Vorbild für die Ausprägung einer Ikonographie der Architektur der Macht der NS-Diktatur. Mit Repräsentations- und Regierungsräumen sollte Adolf Hitler in der Stadt seines Aufstiegs präsent sein. Im Osten des Königsplatzes, inmitten des heutigen Kunstareals und direkt am „Wittelsbacher Königsweg“ zwischen Residenz und Schloss Nymphenburg, war ein zentrales Partei- und Verwaltungsviertel geplant. Vorbereitende Maßnahmen waren Kauf, Umbau beziehungsweise Abriss von mehr als 50 Gebäuden der Maxvorstadt.
Das „Braune Haus“, die Parteizentrale der NSDAP in München, residierte von 1931 bis 1945 im ehemaligen Palais Barlow an der Brienner Straße. Das Gebäude wurde von Paul Ludwig Troost nach
den Wünschen Hitlers umgebaut. Bereits 1933 begannen die Arbeiten am Königsplatz, der bald „Königlicher Platz“ hieß und, mit Granitplatten gepflastert, am 10. Mai 1933 als Aufmarschplatz genutzt wurde. Er war auch Tatort der zweiten Bücherverbrennung in München.
Gegenüber den Propyläen wurden 1935 zwei „Ehrentempel“ errichtet, sie dienten als zentrale Grabstätte der Opfer des Hitler-Ludendorff-Putsches und deren Inszenierung als „Blutzeugen der Bewegung“. Die beiden „Ehrentempel“ am Königsplatz, die nur sehr entfernt an griechische Tempel erinnerten und auf Pfeilern statt auf Säulen standen, wurden im Januar 1947 gesprengt. Die Granitpflasterung wurde 1980 entfernt, der klassizistische Rasenplatz kehrte zurück.
Während das „Braune Haus“ zum großen Teil kriegszerstört war – die letzten Fragmente wurden 1947 abgerissen, bestehen bis heute die beiden wuchtigen neoklassizistischen Bauten am Königsplatz:
Führerbau und NSDAP-Verwaltung. Bereits im Frühsommer 1945 entschied die amerikanische Militärverwaltung, die zwei Gebäude kulturell zu nutzen. Sie sind jetzt Bestandteil des Kunstareals München und stehen unter Denkmalschutz.
Das östliche Ende des Königsplatzes wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt, um den Einfluss der monumentalen Architektur auf das klassizistische Ensemble des Leo von Klenze zu mildern. Bäume wurden auch in der Münchner Prinzregentenstraße beim Haus der Kunst gesetzt, um dessen wuchtige Tempelfassade zu kaschieren. Nach den aktuellen Entwürfen des britischen Architekten David Chipperfield stehen diese Baumpflanzungen heute allerdings zur Diskussion.
Geplant von
Paul Ludwig Troost
So wie das Haus der Kunst wurden auch die Gebäude an der Ostseite des Königsplatzes von 1933 bis 1937 von Troost geplant. Dieser starb aber bereits 1934. Die Bauvorhaben wurden von seiner Ehefrau Gerdy Troost und seinem Büroleiter Leonhard Gall vollendet. Massiv, klotzig und steingrau stehen die Zwillingsbauten bis heute da, jetzt kulturell genutzt und ohne Reichsadler. Die verwendeten Baumaterialien, Kelheimer Kalkstein und Muschelkalk, sollten Bodenständigkeit und Tradition, ja Ewigkeit suggerieren. Troost sprach von „germanischer Tektonik“.
Doch hinter den historisierenden Fassaden verbarg sich eine für die damalige Zeit hochmoderne Ausstattung mit Fußbodenheizung, Aufzügen, Fahrbühnen zur Reinigung der Glasdächer sowie
Lautsprecheranlagen für Rundfunk- und Propagandabeschallung. Unter beiden Gebäuden waren Luftschutzkeller angelegt, ein unterirdisches Gang- und Rohrleitungssystem verband sie miteinander und mit dem ehemaligen zentralen Heizkraftwerk an der Katharina-von-Bora-Straße.
Der einstige Führerbau, heute Arcisstraße 12, ist zur baulichen Hülle der Hochschule für Musik und Theater geworden, gleichzeitig aber ein wichtiges Zeugnis der Geschichte geblieben. Eingeweiht wurde der Komplex 1937 anlässlich eines Mussolini-Besuchs, ein Jahr später, 1938, wurde hier das Münchner Abkommen unterzeichnet. Im Inneren erwartet den Besucher noch immer monumentale Repräsentationsarchitektur. Troost war, bevor er in die Dienste Hitlers trat, mit der Ausstattung von Luxusdampfern bei der Reederei Norddeutscher Lloyd beschäftigt gewesen. Bis heute erinnert die breite Treppenanlage inmitten des riesigen Lichthofs an Inneneinrichtungen großer Schiffe. 1948 zog in das Bauwerk das Amerikahaus ein, das 1957 ein eigenes Gebäude am Karolinenplatz bekam.
Architektonisch als Pendant zum „Führerbau“ angelegt, mit ähnlichem Grundriss und fast identischer Fassade, entstand der NSDAP-Verwaltungsbau. Das Palais Pringsheim (einst Arcisstraße 12, dann Nr. 10, heute Katharina-von-Bora-Straße), eine der wichtigsten künstlerischen und gesellschaftlichen Begegnungsstätten Münchens um die Jahrhundertwende, musste dem Bau weichen. Das Ehepaar Alfred und Hedwig Pringsheim, die Schwiegereltern von Thomas Mann, denen das Palais gehörte, wurde zwangsenteignet und floh nach Zürich.
In der Verwaltungszentrale wurden die Mitgliedskarteien sämtlicher NSDAP-Mitglieder gelagert. Zuletzt waren es 8,5 Millionen, sie bildeten eine wichtige Grundlage für die Entnazifizierung. Seit den 1960er Jahren befindet sich in den beiden Lichthöfen des Hauses das „Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke“. Die Bauten am Königsplatz haben seit dem 30. April 2015 einen neuen Nachbarn: das „NS-Dokumentationszentrum München – Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus“. Es ist der bisher bedeutendste Schritt in der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus in München.
Das Ensemble steht
unter Denkmalschutz
Auch die von 1936 bis 1938 in Wolfratshausen entstandene Wohnsiedlung „Isarleiten“ für Angestellte der Sprengstoffwerke von Geretsried, gehört zur Architektur im Nationalsozialismus. Heute steht das zwischen Alpenstraße und Schießstättstraße gelegene Ensemble unter Denkmalschutz. Seine Gestaltung adaptiert regionale historische Bauformen des Voralpenlands: Holzbalkone, asymmetrisch angebrachte Erker, flache Satteldächer, barockisierende Schnitzereien an Fensterläden und Türen sowie imitiertes Giebelbundwerk. Den in der Rüstungsindustrie tätigen Bewohnern wurde eine ländlich-kleinstädtische „Heimatlichkeit“ suggeriert, vor dem Hintergrund von Kriegsvorbereitung und Sprengstoffproduktion im Wolfratshauser Forst – eine weitere Facette der Ideologisierung von Architektur.
Bis heute bestehende Bauten aus der Zeit des Nationalsozialismus sollen nicht unkommentiert oder unerkannt bleiben, sind sie doch Ausdruck des menschenverachtenden NS-Regimes. Sie dürfen aber auch nicht per se abgerissen werden, die Gebäude gehören zwar zu den „unbequemen Denkmalen“, sind aber wichtige steinerne Zeitzeugen. Viele dieser Bauten stehen daher unter Denkmalschutz, laut dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz vom 27. Juli 2009. Darin heißt es, aufgrund der geschichtlichen, städtebaulichen und wissenschaftlichen Bedeutung, bestehe ein Interesse der Allgemeinheit an ihrer Erhaltung. Für jede Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sind erhaltene Sachzeugnisse aus jener Zeit unabdingbar.
(Kaija Voss)
(Der Eingangsbereich des ehemaligen Führerbaus; das Haus der Kunst in München - Fotos: Friedrich H. Hettler; das Nürnberger Reichsparteitagsgelände mit der Haupttribüne des Zeppelinfelds und die Kongresshalle - Fotos: Ralph Schweinfurth; "Heimatlichkeit“ in der Wolfratshausener Schießstättstraße - Foto: Kaija Voss)
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