Der Neubau der Grund- und Hauptschule der Ernst-Barlach-Schulen der Stiftung Pfennigparade im Münchner Norden wurde zum einen für die „Schulvorbereitende Einrichtung“ (SVE) mit Verwaltung, Therapieraum und Küche zum andern für die Grund- und Hauptschule mit Verwaltung und Therapieräumen sowie die Fachoberschule (FOS) geplant. Dazu gehören ferner eine Pausenhalle und eine An-und Abfahrtszone im Untergeschoss für die Rollstuhlfahrer.
Rund 300 Schüler (davon etwa 50 Prozent Rollstuhlfahrer) besuchen die unterschiedlichen Schulen – neben der Grund- und Hauptschule sowie der FOS gibt es noch eine Realschule. Das neue Gebäude ist in sämtlichen Geschossen über einen kurzen Verbindungsbau an das bestehende „Haus C“ der Stiftung Pfennigparade angebunden.
Der von Bauer Kurz Stockburger & Partner (BKS & Partner) Architekten, München, geplante Neubau verfügt über eine Bruttogeschossfläche von rund 9000 Quadratmetern, der Bruttorauminhalt liegt bei etwa 40 000 Kubikmetern. Eröffnet wurde der Neubau am 16. April 2013.
Das Baugrundstück war bisher mit der Grund- und Hauptschule der Ernst-Barlach-Schulen bebaut. Dieses Gebäude einschließlich des Kellers und der Technikräume wurde abgebrochen. Es war baulich und aus Sicht des Brandschutzes in einem sehr schlechten Zustand und nicht wirtschaftlich zu sanieren.
Das Grundstück wird von Norden über die Ernst-Barlach-Straße erschlossen; hier befindet sich der Hauptzugang des Neubaus, auf der Südseite öffnet sich die Halle zum Pausenhof. Die An- und Abfahrtszone für den Hol- und Bringdienst konnte wegen der intensiven Überbauung nicht wie bisher oberirdisch angeordnet werden und liegt nun im Untergeschoss über eine Rampe erschlossen.
Das neue Gebäude ist als markante Großform (ähnlich der Geometrie eines „Gleichdick“) mit geschwungener Fassade konzipiert. Es bildet laut BKS-Beschreibung städtebaulich einen Endpunkt beziehungsweise den Auftakt zum Ensemble der Gebäude der Stiftung Pfennigparade. Der Baukörper ist viergeschossig gehalten und um ein Geschoss niederer als das bestehende Haus C. Die einzelnen Schulbereiche entsprechen der Aufteilung der Geschosse. Der innere Ablauf und die klare funktionale Zuordnung wird durch das vertikal durchgehende Atrium übersichtlich gemacht.
Im Eingangsgeschoss sind die Räume für die „Schulvorbereitende Einrichtung“ sowie die Pausenhalle, der Mehrzweckraum und die Lehrküche. In den Obergeschossen befinden sich die Klassen und Gruppenräume für die Jahrgangsstufen 1 bis 8 der Grund- und Hauptschule sowie der Jahrgangsstufen 5 bis 8 der Realschule. Die An -und Abfahrtszone für Kleinbusse mit Wartebereich sowie Technik- und Lagerräume befinden sich im Untergeschoss.
Für den Hol- und Bringdienst stehen in diesem kreisförmigen unterirdischen Busvorfahrtsbereich 16 Stellplätze für Kleinbusse zur Verfügung. Daneben sind drei Stellflächen vorhanden für den hauseigenen Schulbus, den Anhänger und ein Elternfahrzeug. Auf der Zufahrtsrampe und im Vorbereich zum Kreisverkehr gibt es Stauraum für wartende Busse. Die Garage wird durch großflächige Öffnungen natürlich belüftet und belichtet.
Zentrales vertikales Verbindungs- und Erschließungselement ist der gewendelte Rampenweg im Zentrum des Gebäudes. Er ermöglicht den Rollstuhlfahrern ein einfaches Kommunizieren zwischen den Geschossen ohne das technische Hilfsmittel von Aufzügen und sie reduziert die notwendige Anzahl und Größe der Aufzüge. Er wird nach den Worten der Architekten unverwechselbares Zeichen der besonderen Situation der Barlachschulen unter dem Motto „Schule in Bewegung“ sein. Beginnend unten bei den Bussen führt die Rampenanlage durch alle Geschosse bis an jedes Klassenzimmer. Daneben verbinden zwei geschlossene Treppenhäuser, eine offene Treppe und zwei große Aufzüge alle Funktionseinheiten auf kurzem Wege über die Geschosse.
Die Schule besitzt keine Flure im üblichen Sinn, alle Erschließungsflächen sind offene Galerien zum Atrium und prägen die offene Atmosphäre des Hauses. In den aufgeweiteten Flächen sind Spiel-und Aufenthaltsbereiche sowie Garderoben und Wartezonen angeordnet. Der Luftraum des Atriums erstreckt sich über alle Geschosse bis unter das zentrale Glasdach und verbindet diese. So wird es der Ort, wo die besondere Schulgemeinschaft erlebbar wird, schreiben BKS & Partner. Das Lichtspiel einer Wasserfläche und eine hohe Kletterwand sind weitere zentrale Elemente des Atriums.
Eine Glaswand zwischen Rampe sowie An- und Abfahrtszone im Untergeschoss stellt sicher, dass das Tageslicht vom Atriumdach auch hier die Schüler erreicht, wenn sie in ihre Busse gehoben werden.
Der Hauptzugang von der Barlachstraße führt direkt in die Eingangshalle und wurde rollstuhlgerecht gestaltet. Ein beleuchtetes Geländer auf dem Vorplatz ist das zentrale Gestaltungs-und Leitelement. Der Freibereich auf der Süd- und Ostseite des Gebäudes steht sowohl den Schulen sowie der „Schulvorbereitenden Einrichtung“ zur Verfügung, wird aber durch die Freianlagenplanung so gegliedert, dass jeder eine eigene Zone zugeordnet ist. Der Erhalt der Bäume entlang der südlichen Grenze war ein wichtiges Ziel, betonen die Münchner Architekten.
Die Bewältigung der Sicherheitsanforderungen in einem Schulgebäude für Körperbehinderte mit einem fünfgeschossigem Atrium war eine Herausforderung für sich, erklärt das Planungsbüro. Ein in jedem Geschoss außen umlaufender Fluchtbalkon ist als „erster Flucht-und Rettungsweg“ konzipiert und an die beiden Fluchttreppenhäuser sowie an das Bestandsgebäude Haus C angeschlossen. Die nutzbare Breite beträgt 1,60 Meter. Das Gebäude wurde mit einer vollflächigen Sprinkler- und automatischer Brandmeldeanlage ausgerüstet, um die Brandschutzanforderungen der einzelnen Bauteile (Flurwände, Türen, Rauchabschnitte) und damit die Gesamtkosten reduzieren zu können. Die Entrauchung des Atriums erfolgt über RWA-Klappen im seitlichen Bereich des Glasdachs.
Alle wesentlichen Trennwände wurden in Gipslkarton-Leichtbauweise erstellt, um Flexibilität im Ausbau zu gewähren und eventuelle spätere Nutzungsänderungen zu ermöglichen. Die Flurwände erhielten auf der Seite der Galerie eine akustisch wirksame Holz-Wandverkleidung, in deren unterem Teil ein Rammschutz integriert ist.
Die Klassenraumrückwände erhielten ebenfalls akustisch wirksame Holz-Wandverkleidungen, die in unterschiedlichen Farben gehalten sind. Ein Großteil der losen Möblierung wurde aus dem Bestand der Schule übernommen. Die Klassenzimmer erhielten keine normalen Tafeln, sondern interaktive Smartboards. Entlang der Flurwände der Klassenzimmer und Gruppenräume sind Einbauschränke mit offenen und geschlossenen Bereichen angeordnet.
Die Flurtürelemente zu Unterrichts- und Gruppenräumen wurden als Glastüren mit Holzrahmen und Seitenlichtern ausgeführt. In den Aufweitungen der Galerien gibt es offene Garderoben zum Abstellen von Gehhilfen und Rollstühlen sowie einige freie Arbeitsplätze. Eine mobile Trennwand erlaubt den einfachen Zusammenschluss des Mehrzweckraums und der Aula.
Die Fassaden sind als geschosshohe Glasfassaden konzipiert. Durch minimierte Sturzausbildung wird die Tageslichtnutzung bezüglich Eindringtiefe und Gleichmäßigkeit energetisch optimiert. Die Fassaden der Unterrichts- und Verwaltungsräume sind vorgehängte Pfosten-Riegel- Kontruktionen aus Leimholzprofilen mit Aluminiumdeckschalen. Die Farbgebung der senkrechten Profile folgt einmal um das Gebäude umlaufend dem Farbkreis, betonen die Architekten. Feststehende Glasscheiben wurden mit einer 3-fach-Wärmeschutzverglasung ausgeführt.
Die allgemeine Be- und Entlüftung des Gebäudes erfolgt konventionell über die Senk-Klapp-Fenster und Fenstertüren der Fassade. Nur WC-Bereiche und die Lehrküche erhielten eine mechanische Zu-und Abluftanlage. Jeder Klassenraum hat eine doppelflügelige Fenstertür und motorisch betriebene Lüftungsklappen.
Die Speichermassen der unverkleideten Betondecken werden durch Nachtauskühlung entwärmt. Durch die Klappen strömt die kühlere Luft während der Nachtstunden in die Räume. Die Seitenlichter der Klassenraumtüren bleiben während Hitzeperioden nachts geöffnet. Somit wird durch den natürlichen Kamineffekt kühle Luft über die Fassade „angesaugt“, strömt durch Räume und Atrium und entweicht über das Dach.
Sonnenschutzanlagen befinden sich in den Obergeschossen auf der Ost-, West- und Südseite außen am Fluchtbalkon des Gebäudes. Sie bestehen aus Aluminium-Lamellen-Raffstores, die über Sonnenstandsanzeiger und Windwächter elektrisch gesteuert werden. Bei zu erwartendem Sonnenschein wird so der Sonnenschutz über eine programmierte Zeitschaltuhr heruntergefahren. Die Anlagen werden je nach Himmelsrichtung separat gesteuert. Von innen sind die Lamellen raumweise auch individuell zu bedienen. Die Gitterroste der Fluchtbalkone bilden einen wirksamen horizontalen Sonnenschutz, vor allem auf der Südseite.
Auf den Dächern ist ein Warmdachaufbau mit extensiver Begrünung ausgeführt. Über das Atrium spannt sich ein gefaltetes Glasdach mit Sonnenschutzverglasung und geschlossenen Panelflächen im Wechsel. (
FHH)
(Der Neubau wurde von Bauer Kurz Stockburger & Partner Architekten, München, geplant - Fotos: Stiftung Pfennigparade)
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