Mehr als 10 000 Patienten mit seelischen Problemen oder Suchterkrankungen werden jährlich in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in Lohr am Main, ein Krankenhaus der Maximalversorgung, stationär und teilstationär behandelt. Der Träger des Hauses ist der Bezirk Unterfranken.
In den Jahren 1910 bis 1912 wurde auf der grünen Wiese – quasi als weiterer Stadtteil der Kleinstadt Lohr am Main – eine Heil- und Pflegeanstalt für rund 500 Patienten nach Plänen des Münchner Architekten und Bauamtsassessors Fritz Gablonsky (1876 bis 1971) gebaut.
Die Anlage bestand ursprünglich aus 14 Krankengebäuden, zwölf Wirtschaftsgebäuden, acht Häusern für Ärzte und Beamte, einem Festsaal und einer Kirche. Sie wurde im so genannten Pavillonstil errichtet, der im frühen 20. Jahrhundert als modern und richtungsweisend galt und beim Bau von Heil- und Pflegeanstalten, aber auch anderen Krankenhäusern vorrangig angewandt wurde. Die Gebäude sind ein- bis zweigeschossig, im neobarocken Stil ausgeführt.
Charakteristisch für diesen aus der englischen und französischen Psychiatrie übernommenen Stil ist, dass die Anlage aus mehreren Gebäuden in einer grünen Umgebung eingebettet ist. Das Gebäudeensemble stellt ein Denkmal im Sinne des Art.1, Abs.2 Denkmalschutzgesetz (DSchG) dar und ist in die bayerische Denkmalliste aufgenommen.
Der Festsaal aus dem Jahr 1912 wurde als zweigeschossiger Massivbau errichtet und diente von Anfang an unter anderem als multifunktionaler Veranstaltungsraum für ärztliche Symposien und Vorträge, Theaterveranstaltungen, Betriebsversammlungen und Betriebsfeiern. Auch für Veranstaltungen von Lohrer Vereinen stand der Festsaal zur Verfügung.
Das Festsaalgebäude besteht aus einem Haupttrakt mit Saal für annähernd 200 Personen sowie einer Bühnenanlage mit den erforderlichen Funktionsräumen. Der Rückseite des Saals ist eine Verteilerküche angegliedert, an den Seiten befinden sich eingeschossige Flügelbauten, die infrastrukturelle Räume wie Sanitär- und Abstellbereiche aufnehmen. Die langjährige Nutzung hatte zur Folge, dass sämtliche Einbauten, Oberflächen und mechanisch beanspruchten Bauteile verbraucht waren und erneuert werden mussten. Die Verteilerküche entsprach keinem Hygienestandard, die Einbaumöbel waren veraltet. Die Bühnenausstattung und die Bühnentechnik waren für die vorgesehene Nutzung wie auch in brandschutztechnischer Hinsicht nicht mehr weiter verwendbar.
Die haustechnischen Einrichtungen waren ebenfalls verbraucht. Die Leitungen entsprachen nicht den notwendigen Sicherheits- und Hygieneanforderungen. Befestigungen, Materialien sowie Trassenführungen waren in Bezug auf die gestellten Brandschutzanforderungen mangelhaft.
Die Gebäudehülle musste aus energetischer Sicht betrachtet werden. Die Möglichkeiten waren jedoch aufgrund der bestehenden historischen Außenfassade mit sprossengeteilten Kastenfenstern, Lisenen und Gesimsvorsprüngen auf eine Innendämmung begrenzt.
Im Zuge der in zehn Monaten Bauzeit durchgeführten Sanierungsarbeiten bot sich im engen Rahmen der Möglichkeiten an, die Funktionsabläufe den heutigen Anforderungen anzupassen und zu optimieren. So wurde die Eingangssituation durch Umstrukturierung der Seitenflügel neu gestaltet. Die Toilettenanlagen konnten komplett im östlichen Flügel untergebracht werden, während der westliche Flügel nun den Eingangs- und Foyerbereich mit Garderobe und kleiner Sekt-/Kaffeebar aufnimmt.
Die Abläufe in der Aufwärm- und Spülküche wurden umgestellt, neue Türanlagen stellen den Sicht- und Schallschutz während der Veranstaltung zum Saal sicher. Die Präsentation eines Buffets auf dem Tresen zum Saal hin ist durch einfaches Öffnen der Türflügel, die in die Wandnischen einschlagen, möglich.
Der Hauptzugang erfolgt nun von Westen über den neugeschaffenen Vorplatz mit Begrünung und Verweilmöglichkeiten. Die gläserne Vordachkonstruktion nimmt verschiedene Funktionen auf: Sie bietet Wetterschutz für die Besucher und die historische Türanlage, gleichzeitig verweisen die bedruckten Gläser auf die Funktionen des Saals hin und setzen so weithin ein sichtbares Zeichen des Eingangs. Selbstverständlich ist der neue Saal barrierefrei erreichbar. Die Sanitäreinrichtungen verfügen ebenso über einen barrierefreien Bereich, der mittels elektrisch betätigter Türen für Rollstuhlfahrer mühelos benutzbar ist.
Die Gestaltung des Innenraums wurde geprägt durch die verschiedenen Funktionen. Innendämmung, Akustik und der Nutzerwunsch nach angenehmer Atmosphäre mussten miteinander verknüpft werden. Der Saal sollte eine natürliche Fensterlüftung erhalten und musste ab zu dunkeln sein. Diese Forderungen ließen sich durch die gewählte Lamellen- Holzkonstruktion mit hinterlegtem Akustikvlies und eingebauter Wärmedämmung für die akustisch hoch absorbierenden Flächen erfüllen, während die vom Akustiker festgelegten schallharten Flächen durch Vertäfelungen in Ahornholz ausgeführt wurden.
Die Deckenkonstruktionen wurden mit Gipskarton, teilweise mit Streulochung, neu bekleidet. Die neuen Fensteranlagen sind elektrisch bedienbar, ebenso die Verdunkelungsanlage, die in den Hohlräumen der Vertäfelungen unsichtbar integriert wurde.
Die seit 1910 vorhandene Fußbodenkonstruktion – mit einem Buche-Stabparkett belegt – zeigte sich als so robust, dass es nach abschleifen und neu versiegeln wieder im alten Glanz erstrahlen konnte. Auch die historischen Kastenfenster, die in den Seitenbauten vorhanden waren, wurden lediglich aufgearbeitet und konnten weiterverwendet werden.
Das Gebäude wird zukünftig für folgende unterschiedlichste Veranstaltungen genutzt: Ärztekongresse und -konferenzen; Schulungen des Pflegepersonals; Personalversammlungen; Prüfungen der Krankenpflegeschule; betriebliche Feierlichkeiten; Theateraufführungen der Laienspielgruppe sowie externe Veranstaltungen ortsansässiger Vereine im Sinne der Öffnung der Psychiatrie nach außen.
Der Festsaal dient weiterhin bei internen Katastrophenfällen als Ausweichunterkunft im Evakuierungsfall. Bei externen Katastrophenfällen wird der Festsaal auch zur Erstversorgung von Verletzten durch den Landkreis beansprucht. (
Ottmar Zipperich)
(Die gläserne Vordachkonstruktion des neuen Hauptzugangs und der Festsaal mit Bühnenanlage - Fotos: Bezirk Unterfranken)
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