B & O mit Sitz in Bad Aibling ist als technischer Dienstleister der Wohnungswirtschaft Marktführer in Deutschland. Die rund 1800 Mitarbeiter an 30 Standorten sanieren, modernisieren und betreuen die gewaltigen Bestände – insgesamt rund 600 000 Wohnungen – von kommunalen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und Immobilienunternehmen im Besitz von
Finanzinvestoren. Darüber hinaus entsteht seit 2007 auf dem von B & O erworbenen Areal der US-Army in Bad Aibling eine Stadt aus Holz. Die Bayerische Staatszeitung sprach mit dem Mehr- heitsgesellschafter, Ernst Böhm, über Innovationen und die „City of Wood“.
BSZ Herr Böhm, was bedeutet beziehungsweise heißt B & O?
Böhm Das Kürzel B & O kommt von unseren Firmengründern Hermann Bihler und Max Oberneder, die ein Dachdeckerunternehmen betrieben. 1990 zogen sich die Gründer aus dem Unternehmen zurück.
BSZ Wann sind Sie zu der Firma gestoßen?
Böhm Ich kam 1993 als Geschäftsführer zu B & O. Ein Jahr später stieß Brigitte Dworak, meine jetzige Co-Gesellschafterin, zum Unternehmen. Frau Dworak ist eine gelernte Dachdeckermeisterin sowie Betriebswirtin. Sie kümmert sich um die Instandhaltung der von uns betreuten Wohnungen.
BSZ Welchen beruflichen Hintergrund haben Sie?
Böhm Ich bin gelernter Jurist und habe in einer Kanzlei gearbeitet, die mittelständische Firmen betreute.
BSZ Hatten Sie ein juristisches Spezialgebiet?
Böhm Rund um den Bau.
BSZ Wie ging’s dann weiter?
Böhm Irgendwann habe ich eine Zeitungsanzeige gelesen, dass eine mittelständische Baufirma einen Geschäftsführer sucht, eben B & O.
BSZ Was macht nun B & O eigentlich?
Böhm Unser Unternehmen ist der führende technische Dienstleister für Instandhaltungen und Sanierungen. B&O beschäftigt rund 1500 festangestellte Handwerker. Wir haben diese eingestellt, als andere Unternehmen noch Mitarbeiter abgebaut haben. Heute, zu einer Zeit, wo Handwerker sehr rar sind, unterstreicht diese hohe Eigenkapazität zwei Alleinstellungsmerkmale: Erstens können wir einen deutschlandweiten Service anbieten und zweitens sind wir nicht auf Nachunternehmer angewiesen.
BSZ Um Schwachstellen bei der Bewirtschaftung von Gebäudebeständen zu beheben, haben Sie Prozessinnovationen eingeführt.
Böhm Das stimmt.
BSZ Schildern Sie doch einmal eine solche Verbesserung.
Böhm Gerne. Ein Beispiel: In einer vermieteten Wohnung einer Wohnungsgesellschaft (beispielsweise 10 000 Wohneinheiten) klemmt der Rollladen und der Wasserhahn tropft. Der Mieter hat jetzt verschiedene Möglichkeiten, um die notwendigen und/oder gewünschten Instandsetzungsarbeiten in Gang zu bringen. Wendet sich der Mieter beispielsweise an den Hausmeister, so informiert dieser dann einen Schreiner für den Rollladen und einen Installateur für den Wasserhahn. Die zwei Handwerker versuchen in der Folge mit dem Mieter telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Falls erfolgreich und nach etwa 30 Minuten Anfahrtsweg stellt der Schreiner fest, dass der Rollladengurt erneuert werden muss. Schreiner und Installateur kamen gemeinsam – aber nicht abgesprochen – um 9.05 Uhr in die Wohnung und verließen diese um 9.25 Uhr. Anschließend gibt jeder der beiden Handwerker einen Regiezettel ab mit folgenden Einträgen: Anfahrtszeit 8.15 bis 9.00 Uhr, Arbeitszeit 9.00 bis 9.30 Uhr. Erledigung erst möglich nach Materialbestellung, erneuter Terminvereinbarung mit dem Mieter, erneuter Anfahrt, Reparatur und Rechnungsstellung.
BSZ Was zeigt nun dieser Fall?
Böhm Das Beispiel zeigt folgendes: Kommt ein Handwerker um 9.05 Uhr und geht er um 9.25 Uhr, so rechnet er im besten Fall 30 Minuten als Arbeitszeit ab. Hier besteht eine Effizienzreserve von 50
Prozent – unabhängig von der Vermeidung von Anfahrtszeiten.
Der Installateur, der den Wasserhahn inspizierte, aber nicht reparierte, hätte auch feststellen können, dass ein neuer Rollladengurt erforderlich ist. Die zunftmäßige Organisation unseres Handwerks ist teilweise noch mittelalterlich. Die Wohnungswirtschaft benötigt daher einen „Servicemonteur“, der weitgehend gewerkeübergreifend – alles aus einer Hand – tätig wird.
Terminvereinbarungen und wiederholte Anfahrten führen dazu, dass die Erledigungszeiten für Instandsetzungsarbeiten zwei bis vier Wochen im Durchschnitt betragen. B & O garantiert vier Tage. Nach unseren Erfahrungen fallen in der Wohnungswirtschaft pro Wohneinheit und Jahr zwischen 0,8 und 1,8 Reparaturen an. Aus einer Instandsetzung resultieren gelegentlich zwei und mehr Rechnungen. Für ein Unternehmen mit 10 000 Wohneinheiten sind somit 12 000 Reparaturen und hieraus folgend 15 000 Rechnungen die Regel. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist evident.
BSZ Hieraus ergibt sich folglich ein enormes Einsparpotenzial.
Böhm Richtig. Bei einer Vergabe aller Instandsetzungsarbeiten an ein hierauf spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen können 15 000 Rechnungen durch eine Jahresrechnung ersetzt werden, die den Aufwand pro Wohnungseinheit oder pro Quadratmeter Wohnfläche berechnet. Der Betrag steht zudem am Jahresanfang fest, was wichtig für die Budgetsicherheit ist. Aufgrund der hohen Zahl und Vergleichbarkeit der Reparaturen ist das Pauschalierungsrisiko vertretbar.
Und genau das ist es, was B & O der Wohnungswirtschaft anbietet. Gleichbleibend hohe Qualität der Ausführung, Transparenz in der Abwicklung von der Auftragsvergabe bis zur Rechnungsstellung und einen optimierten Ablauf der Arbeiten. Wir sind quasi der Fielmann der Wohnungswirtschaft. Denn wir leisten das gleiche wie andere, aber halt kostengünstiger. Bei uns gibt es statt 14 nur vier Prozessstufen.
BSZ Nun zu Ihrem Projekt „City of Wood“. Wie sind Sie darauf gekommen, in Bad Aibling eine Stadt aus Holz zu bauen? Und warum ausgerechnet Holz als Baustoff?
Böhm Wir haben 2005 das Areal gekauft. Da unsere Kunden die großen Wohnimmobilienbesitzer sind, haben wir in diesem Zusammenhang auch Quartiere gesehen, die einem Ghetto gleichkamen. Da kam uns die Idee, zu zeigen, dass es auch anders geht. Zudem macht es ab einer gewissen Unternehmensgröße Sinn, offen sichtbar zu machen, was man selber tut. Das dient dem Kerngeschäft. B & O ergriff daher die Chance, sich auf dem 70 Hektar großen Areal eine unternehmerische Heimat zu bauen und zu zeigen, wie Wohnungsbau auch gehen könnte.
BSZ Und warum aus Holz?
Böhm Oberbayern ist ein Holz- und Zimmererland, die Hochschule Rosenheim ist Holz affin. Aber darüber hinaus hatte es auch einen unternehmerischen Grund. So wie wir den Prozess bei der Wohnungsbewirtschaftung gedreht haben, meinen wir, können wir auch den Prozess am Bauen drehen, vor allem das Bauen zu industrialisieren, den Vorfertigungsgrad zu erhöhen. Bei einem vernünftigen Vorfertigungsgrad kann man pro Tag eine Etage erstellen. Insbesondere Holz eignet sich gut für die Vorfertigung. Außerdem eignet sich die Holz- beziehungsweise Holz-Hybrid-Bauweise ausgezeichnet, um Prozesse zu optimieren.
BSZ Muss es der reine, pure Holzbau sein?
Böhm Nein, muss es nicht. Wir bauen Gebäude in Holz-Hybrid-Bauweise. Da wir ja eigentlich nicht aus dem Bauhauptgewerbe kommen, sondern vielmehr von den Reparaturen leben, war es uns ein Anliegen, zu sagen, wenn wir schon in den Bau einsteigen, dann nur, wenn uns was anderes einfällt, wenn wir die Prozesse ändern. Und das glaube ich ist uns mit der „City of Wood“ schon gelungen.
BSZ Herr Böhm, was verbirgt sich hinter der Stadt aus Holz?
Böhm Wohnen und Arbeiten auf einer Art Campus im Einklang mit der Natur. Sie finden hier einen Kindergarten, eine Kinderkrippe, eine Grundschule, ein Fußballinternat, eine Schule und eine Krippe für Behinderte, eine Mittel-, Berufsober- und Realschule sowie ein gut gebuchtes Hotel mit 100 Zimmern. Auf diese soziale Nutzung sind wir sehr stolz. Derzeit wohnen auf dem Grundstück rund 400 Menschen. Dazu kommen noch die 80 Jugendlichen des Fußballinternats und die Gäste unseres Hotels. Darüber hinaus gibt es auf dem Gelände mehr als 500 Arbeitsplätze. Und es werden sicherlich 700 werden.
BSZ Sind die Wohnungen der „City of Wood“ Eigentumswohnungen oder sind sie vermietet?
Böhm Etwa zwei Drittel sind vermietet und ein Drittel Eigentumswohnungen. Darüber hinaus legen wir großen Wert auf eine ausgewogene soziale Durchmischung der Mieter und Eigentümer. Die Mieten liegen bewusst zwischen vier und zehn Euro pro Quadratmeter. Wir haben bewusst einen Block mit sozial Schwächeren auf dem Gelände. Von daher kann man vom sozialen Gefüge nicht von ganz gut bürgerlich sprechen, sondern eher einer durchwachsen sozialen Struktur. Das war auch unsere Absicht.
BSZ Hat B & O für die „City of Wood“ eine staatliche Förderung erhalten?
Böhm Weder für das Gelände noch für den Holzbau. Der Aufwand und die Abstimmung mit Behörden
kann, vorsichtig ausgedrückt, manchmal sehr mühsam und zeitaufwendig sein. Deshalb haben wir auch keine Förderung beantragt. Auch sind wir etwas eigensinnig und wollten flexibel sein. Man könnte sagen, wir wollten Herr des Verfahrens bleiben.
BSZ Ist die „City of Wood“ für Sie ein Experiment oder eher doch schon ein ausgereiftes Projekt für die Zukunft?
Böhm Ganz klassisch: Zuerst baut man einen Prototyp, das war Holz 4, dann kam der Holz 8, um zu testen, wie weit man in die Höhe gehen kann. Dann haben wir mit den anderen eine Miniserie aufgelegt und die ersten 20 gebaut. Und jetzt sind wir auf dem Sprung zur Serienreife.
BSZ Wie viele Gebäude gibt es in der City of Wood?
Böhm 14 Gebäude, darunter Gebäude mit insgesamt etwa 80 Wohneinheiten. Allerdings haben wir bereits zwischen 50 und 60 Gebäude außerhalb des Geländes gebaut, zum Beispiel in Tübingen, Stuttgart, Hamburg, Berlin, Wolfsburg oder in Dortmund. In der Regel bauen wir Fünf- und Sechs-Geschosser. Höher ist es noch etwas aufwendig mit dem Brandsschutz.
BSZ Welche Philosophie steckt hinter der „City of Wood“?
Böhm In erster Linie hoher Vorfertigungsgrad und Nachhaltigkeit. Für uns ist Holz der ökologisch beste Baustoff. In Deutschland wächst nämlich ein halbes Prozent mehr Holz nach, als wir einschlagen. Aber 60 Prozent von dem Holz, das eingeschlagen wird, wird verbrannt. Das ist der falsche Weg. Zuerst gehört mit dem Holz ein Haus gebaut, das hält 100 Jahre, dann gehört das Restholz zu Pressspanplatten weiterverarbeitet, die halten auch wieder 20 Jahre, und erst dann gehört das Holz eingeheizt. Das wäre eine vernünftige Kreislaufwirtschaft.
BSZ Ist die Stadt aus Holz abgeschlossen oder immer noch im Wachstum? Und wohin soll die Reise weitergehen?
Böhm Nein. Heuer beginnen wir einen neuen Bauabschnitt, ebenfalls wieder mit Häusern, die einen hohen Vorfertigungsgrad haben, die nicht gleich ausschauen, aber den gleichen Produktionsprozess aufweisen. Wir wollen so genannte Schlichtwohnungen bauen. Eine vernünftige Wohnung, nicht im Rohbau sparen, sondern in der Ausstattung. Früher veranschlagte man 60 Prozent der Kosten für den Rohbau und 40 Prozent für den Ausbau, das hat sich heute gedreht. Wir halten das für eine Fehlentwicklung. Im Rohbau soll man solide arbeiten, im Ausbau kann man viel weglassen, Schlagwort: Innovation durch Reduktion.
BSZ Ist das Holz 8 das höchste Holzhochhaus in Deutschland?
Böhm Als Wohnhaus ja, im Gewerbebau gibt es sogar ein neungeschossiges Gebäude in Hamburg. Und die Stadt Wien will ein 20-geschossiges Holzhochhaus bauen.
BSZ Kann man noch höher bauen?
Böhm Vom Baustoff her ist das kein Problem. Holz ist relativ elastisch. Die Schweden bauen ein Gebäude mit 30 Stockwerken.
BSZ Es ist also noch nicht Ende der Fahnenstange?
Böhm Nein. Manche Windräder zur Stromerzeugung stehen auf 150 Meter hohen Holzmasten, der Sockel ist aus Beton. Sie sind in der Statik sogar besser als Stahlbeton.
BSZ Was will B & O mit Holz 8 beweisen?
Böhm Dass man mit hohem Vorfertigungsgrad nachhaltig und auch im städtischen Umfeld so bauen kann.
BSZ Wollen Sie damit sagen, dass die falschen beziehungsweise mit dem falschen Material Wohnungen gebaut werden?
Böhm Ich meine, dass man zu viel in Wohnungen reinpackt. Ein Beispiel: Heute verfügt eine Zwei-Zimmer-Wohnung durchschnittlich über 28 Steckdosen. In einem Zweifamilienhaus sind in aller Regel acht bis zehn Kilometer Kabel verlegt. Ich halte die Überfrachtung und Übertechnisierung für einen Irrweg. Wichtig ist, wie bereits gesagt, ein materialunabhängig, solider Rohbau. Außerdem werden meiner Meinung nach viel zu große Wohnungen gebaut. Smal is beautiful.
BSZ Kurz ins Baupolitische: Was ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Neubau, Nachverdichtung im Bestand oder die Sanierung von Bestandsbauten/-wohnungen?
Böhm Sowohl als auch. In Deutschland gibt es rund 40 Millionen Wohnungen. Wir müssten jährlich aber rund 400 000 neue Wohnungen bauen, da alte herausfallen, aber das schaffen wir nicht. Ein Prozent Erneuerung entspricht der natürlichen Rate. Übertrieben ist das nicht. Es gibt aber ein Problem, die ungleichmäßige Verteilung. Stichwort: Disparität der Wohnungsmärkte. Das heißt, in Ballungszentren müsste man mehr bauen als in ländlichen Gebieten. Außerdem sollte man mit Maß den alten Bestand herrichten.
BSZ Was sagen Sie zu den allgemeinen Baupreisen? Können durch intelligente Standardisierungen Kosten eingespart, aber gleichzeitig eine gute Qualität erreicht werden?
Böhm Sparen kann man beim Grundstück und zwar in zwei Richtungen: Einmal durch intelligenteres Ausnutzen der Fläche und am Grundriss selber. Das Bauen, das heißt das Erstellen des Bauwerks selbst, ist in letzten 25 Jahren nicht teurer geworden. Wahnsinnig in die Höhe geschossen sind die Grundstückspreise, die Innenausstattung und die Nebenleistungen, der Rohbau nicht.
BSZ Nachhaltigkeit im Wohnungs- und Städtebau ist zu einem Modebegriff geworden. Wann ist für Sie Wohnungsbau nachhaltig?
Böhm Die beste Fläche ist die, die man nicht bebaut. Erst dann kommt es darauf an, wie man baut. Das Schlagwort wäre: Reduce, Reuse, Recycle. Das wäre nachhaltig. Mein Musterbeispiel für nicht nachhaltig ist das Passivhaus, das regelmäßig ein Zertifikat erhält. Aber es ist nicht sinnvoll, 300 Quadratmeter Wohnraum nachhaltig zu heizen, sondern 100 Quadratmeter. Das wäre nachhaltig. Tür zu, Licht aus.
BSZ Herr Böhm, welche Pläne, Visionen haben Sie für die nächsten Jahre?
Böhm Brachflächen aktivieren, Flächenreserven ausnutzen und zwar schlau. Also eine Gartenstadt nicht über Maßen verdichten, sondern zunächst Brachflächen und Parkplätze an S-Bahn-Stationen nutzen. Eine Gartenstadt wie zum Beispiel Trudering soll ihren Charme erhalten, aber ein Parkplatz hat keinen Charme. Daher habe ich auch die Vision, auf voll erschlossenen Parkplätzen Wohnungen zu bauen, unter dem Schlagwort: Wohnraum vor Hubraum. Insbesondere vor dem Hintergrund der Flüchtlingsunterbringung wäre das eine sinnvolle Alternative. Lieber fünf Parkplätze opfern als die örtliche Sporthalle. (
Interview: Friedrich H. Hettler)
(Blick in die "City of Wood"; Deutschlands höchstes Holz-Wohnhaus, Holz 8; der Holzpavillon und ein aufgeständerter Holz-Hybrid-Systembau - Fotos: B & O)
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