Bayern forscht

13.08.2010

„Zielgenau Tyrannen entfernen“

LMU-Professor Thomas Klapötke, weltweit führender Forscher auf dem Gebiet der Sprengstofftechnik, über die schwierige Akzeptanz seiner Projekte in der Öffentlichkeit

Mit der Erfindung des Schwarzpulvers vor 2000 Jahren durch die Chinesen begann die Geschichte der Pyrotechnik, der Kunst der meist explosiv ablaufenden Verbrennung. Weitere Einsatzgebiete sind Airbags, Feuerlöscher oder Treibmittel. Thomas Klapötke, Professor an der Münchner LMU, gehört zu den weltweit führenden Forschern auf dem Gebiet. BSZ: Herr Professor Klapötke, das Stockwerk in diesem Gebäude gleicht ja fast einem Hochsicherheitstrakt: Warum soll man so schwer zu Ihnen finden? Klapötke: Das ist notwendig. Erstens sind alle unsere Räume mit einem neuen, elektronischen Sicherheitscode verschlossen, um Unbefugten den Eintritt zu verwehren, und zweitens müssen wir jedes Mal, bevor wir unsere Sprengstofftests durchführen, strengste Sicherheitsmaßnahmen befolgen. Das geschieht zum einen durch ein akustisches Signal vor der Sprengung, der Sperrung des betroffenen Ganges, in dem sich das Labor befindet und dem persönlichen Schutz mittels Kevlarweste, geerdeten Spezialschuhen, Ohrschützern und Gesichtshelm. BSZ: Was ist an Ihrer Forschung so gefährlich?
Klapötke: Wir entwickeln hier tödliche Explosivstoffe, mit dem Ziel, sie umweltverträglicher zu machen. In Bezug auf das Knowhow könnte es gefährlich werden, wenn es in falsche Hände gerät. BSZ: Ist das an sich nicht ein Widerspruch?
Klapötke: Nein, heutige Kriege stellen neue Anforderungen an Sprengstoffe. Früher haben die Völker versucht, sich auszulöschen. Heute geht es beispielsweise nur darum, einen Tyrannen zu entfernen – möglichst zielgenau und ohne Spätfolgen für die Bevölkerung und die Umwelt. Außerdem entwickeln wir immer sicherere Sprengstoffe, die zum Beispiel während des Transportes unsere Soldaten nicht gefährden, falls sie bei einem Unfall einem Schlag oder durch Feuer ungewöhnlicher Hitze ausgesetzt werden. Oder wir entwickeln eine neue perchloratfreie Signalmunition für die Truppenübungsplätze. Perchlorat ist ein Schilddrüsengift, das wir zu umgehen versuchen und trotzdem eine leuchtend rote oder grüne Signalfarbe zustande zu bringen. BSZ: Sind Sie der deutsche Nobel, der ja bekanntlich das Dynamit erfand?
Klapötke: Nein, ich bin ein Forscher und Naturwissenschaftler. Alfred Nobel war in erster Linie ein Unternehmer, ein Industrieller. Außerdem ist das Thema Sprengstoff in Deutschland sowohl politisch wie auch in der Bevölkerung zu sehr negativ belegt und deshalb nach Ansicht einiger verbohrter Kollegen nicht förderungswürdig. BSZ: Warum stehen die Deutschen dem Thema Wehrtechnik so skeptisch gegenüber?
Klapötke: Das liegt wohl an der deutschen Geschichte. In Großbritannien und in den USA ist es dagegen für Chemiker selbstverständlich, für die Streitkräfte zu arbeiten. Auch ich sehe zwischen universitärer und militärischer Forschung keinen Widerspruch. Dass mein Lehrstuhl mit der NATO zusammenarbeitet und unsere Forschungsmittel von der US Army finanziert werden, sehen viele Leute allerdings kritisch.
BSZ: Wie kamen Sie als Chemiker auf die Idee, nach umweltverträglichen Explosivstoffen für die Wehrtechnik zu forschen?
Klapötke: Es begann 1990. Während meiner Habilitationszeit war ich auf Halogen-Azide gestoßen. Diese Verbindungen waren schwierig zu analysieren, weil sie hoch explosiv sind. Für mich war der Umgang mit ihnen eine persönliche Herausforderung und ich wollte eine Methode entwickeln, wie man vernünftig mit hochexplosiven Stoffen umzugehen hat. An meinem ersten Lehrstuhl im schottischen Glasgow habe ich dann diesbezüglich geforscht. Wie schon gesagt, in Großbritannien wird militärische Forschung positiv bewertet. Als ich 1997 dann nach München an die Ludwig-Maximilians- Universität kam, bot ich der Bundeswehr eine wissenschaftliche Kooperation an. Fortan arbeiten wir mit dem wehrwissenschaftlichen Institut für Werk-, Explosiv,- und Betriebsstoffe in Erding zusammen – als einzige deutsche Universität im Bereich der Chemie der Explosivstoffe. BSZ: Was ist Ihr langfristiges Ziel?
Klapötke: Unsere Forschung sehe ich dann als gelungen an, wenn es uns gelingt, Bomben oder Raketenantriebe – sowohl militärische, als auch zivile – mit der gleichen Leistung wie bisher zu entwickeln und bei gleichzeitig niedrigerer Sensitivität. Das heißt, sie müssen sicherer zu handhaben sein, um Unfälle zu vermeiden, und giftige Substanzen müssen gegen umweltverträgliche ersetzt werden. Selbstverständlich möchte ich grundsätzlich nicht, dass Bomben eingesetzt werden, aber wenn es nicht anders geht, dann sollen es eben die bestmöglichen für unsere Truppen, Mensch und Umwelt sein. Für uns zählt unter dem Strich nur, wie wir der Umwelt, der Bevölkerung und der Armee bei der Erfüllung ihrer Mission helfen können. Wir nennen das die „triple bottom line“. BSZ: Wann wird es die erste „grüne“ Bombe geben und wie wird sie aussehen?
Klapötke: Wir hoffen, in fünf Jahren. Das genaue Aussehen steht noch nicht fest, aber bei gleicher Leistung wird sie weniger Gewicht haben, „grün“ in der Herstellung sein und weniger schädlich für die Umwelt. Die chemische Formel aber ist streng geheim!  (Interview: Sonja Vodicka)

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