Die Einführung des Digitalen Einsatzfunks für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sorgt für o,,er heftigere Kontroversen. Viele Bürgerinitiativen haben sich in den vergangenen 18 Monaten gegründet. Die Einwohner machen mobil gegen die ihrer Überzeugung nach gesundheitsgefährdende Strahlenbelastung. Über zehn Initiative allein im Landkreis Traunstein und weitere Zusammenschlüsse in den angrenzenden Landkreisen fordern jetzt den Stopp des TETRA-Funks (Terrestrial Trunked Radio) oder zumindest ein Moratorium bis weitere für Fragen geklärt sind.
Im Landratsamt Traunstein trafen jetzt Bürger, Lokalpolitiker und Ministeriumsvertreter aufeinander. Wolfgang Zacher, Leiter der Projektgruppe DiGiNet im Bayerischen Innenministerium sagte, der bisher von den Sicherheitskräften genutzte Analogfunk sei „in die Jahre gekommen, störanfällig und nicht abhörsicher.“ Künftig würde für die Sicherheitskräfte ein gemeinsames Funknetz installiert, das mit 945 Standorten in Bayern eine hohe Versorgungsdichte ermöglichen werde. Im Landkreis Traunstein ist von voraussichtlich vierzehn Standorten auszugehen.
Behörden wiegeln ab
Johanna Schwaiger von der Bürgerinitiative Inzell machte deutlich, dass ihre Sorgen noch weit über den TETRA-Funk hinausgehen: Kein WLAN bei der Computernutzung, kein schnurloses Telefon käme für sie in Frage. „Ich bin überzeugt, dass das gesundheitsschädlich ist.“ Johannes Schmidt von der Bürgerinitiative Seeon-Pittenhart zeigte sich überzeugt, dass „die 24-Stunden-Dauerbestrahlung durch den BOS-Funk gesundheitsschädlich“ sei und prophezeite: „Dramatische biologische Auswirkungen sind die Folgen bei den Menschen.“
Die kritischen Töne besorgter Bürger, die sich in den Initiativen zusammengeschlossen haben, wollten die Vertreter der verschiedenen Behörden mit Ordnungs- und Schutzaufgaben nicht teilen: „Wir wollen einen sicheren Funk“ betonte Gerhard Schuster vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Er schilderte die Probleme, denen die Beamten tagtäglich mit einem nicht mehr richtig funktionierenden Analogfunk ausgesetzt seien. „Der macht bald die Grätsche.“ Kreisbrandrat Hans Gnadl nannte einige Beispiele, in denen er die Probleme der Einsatzkräfte mit dem bestehenden Analogfunk schilderte und betonte: „Wenn wir kein ‘gscheidtes Werkzeug bekommen, dann können wir den Menschen auch nicht helfen.“
Harte Worte für die Bemühungen der Bürgerinitiativen fand Wolfgang Krüger von der telent, die das TETRA-Netz aufbauen soll. „Der Zug ist abgefahren. Der kommt so sicher, wie das Amen in der Kirche.“ Die Vorstellung, dass Bayern bei der Nichtrealisierung des Netzes aus der bundesweiten Sicherheitsagentur ausbrechen könnte sei vor dem Hintergrund zunehmender Bedrohungen mehr als problematisch.
Thomas Gritsch vom TÜV Süd sagte, die Strahlenbelastung von TETRA sei deutlich geringer als die, des Mobilfunks. „Viel kritischer sehe ich den Ausbau des LTE-Netzes.“ Der Ausbau der superschnellen Verbindung für Internet und Mobilfunk geschehe weitgehend unbemerkt und werfe deutlich mehr Fragen zur Gesundheitsgefährdung auf.
Carola Hainz von der Bürgerinitiative Pittenhart kritisierte das Vorgehen des Innenministeriums. Bürger seien „im Vorfeld nicht über die geplante Maßnahme informiert worden. Wir sind hier in der Region erst hellhörig geworden, als hier vermessen worden ist.“ Für Gabriele Perschl von der Waginger Bürgerinitiative seien „1500 gesammelte Unterschriften ein gewichtiges Argument“ für ihre Kritik: „Die Grenzwerte sind zu hoch.“
Johannes Schmidt aus Seeon zog sich den Ärger des Telent-Vertreters und des Kreisbrandrates Gnadl zu, nachdem Schmidt eine fehlende Funkdisziplin im derzeit genutzten Analogfunk explizit von der Freiwilligen Feuerwehr benannte. Gnadl verärgert: „Die Freiwillige Feuerwehr funkt nicht schlechter als eine Berufsfeuerwehr. Das weise ich zurück.“ Er sehe aber die Probleme eines nicht mehr richtig funktionierenden Funks betonte der Kreisbrandmeister.
Offen geführte Diskussion
Im Laufe der offen geführten Diskussionsrunde „schossen“ sich die Vertreter der Initiativen immer mehr auf die Thematik „Grenzwerte“ ein und forderten wie Theo Schneider vom Bund Naturschutz Rosenheim, auf aktuelle Expertenanhörungen stärker einzugehen. „Bürger und Kommunen machen sich zurecht sorgen um die Grenzwerte“ sagte er.
Klaus Huber vom Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesentwicklung des CSU-Landesverbands zweifelte andererseits die Steigerung von Gehirntumoren durch verstärkte Strahlenbelastung an. Analoge und gepulste Signale hätten die gleiche physikalische Belastung. telent-Vertreter Krüger hatte wenig Verständnis für die geäußerten Sorgen: „Die Angstdiskussion ist irrational.“ Strahlenbelastung gäbe es auch durch Radio und Fernsehen. Hier würde sich niemand dagegen aufregen.
Davon lies sich die Inzellerin Johanna Schwaiger nicht wirklich beeindrucken und nutzte das Ende der knapp zweistündigen Veranstaltung für einen vorbereiteten, eindringlichen und persönlichen Appell. Sie zeigte Bilder ihrer beiden Kinder und machte deutlich, dass gerade auch für eine heranwachsende Generation die Verpflichtung bestehe, gesundheitsgefährdende Entwicklungen zu vermeiden.
(Andreas Wittenzellner)
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