Recherchen der Zeitung „Welt am Sonntag“ ergaben: In Deutschland anerkannte Asylbewerber verbringen ihren Urlaub teilweise in den Ländern, aus denen sie zuvor wegen Verfolgung fliehen mussten.
Nach Angaben eines Berliner Jobcenters, dass die Informationen der in der Bundeshauptstadt erscheinenden Wochenzeitung zuerst steckte, soll es sich vor allem um Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und mehreren afrikanischen Ländern handeln, aber es seien wohl auch Syrer darunter. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht, es seien aber definitiv nicht nur Einzelfälle. Die Informationen darüber gelangten an die Öffentlichkeit, weil sich zum einen manche Urlauber selbst versehentlich verquatscht haben und zum anderen viele anerkannte Flüchtlinge als sogenannte „Fehlbeleger“ mangels Wohnraum noch in den Gemeinschaftsunterkünften wohnen – und von missgünstigen Landsleuten, die bisher keinen positiven Bescheid erhalten haben, bei den Behörden verpfiffen worden.
Bei CSU-Politikern sorgt der Fall für Empörung. Joachim Unterländer, sozialpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, sagte der Staatszeitung: „Ich halte das für schwierige Vorkommnisse, das sieht nach Missbrauch des Asylrechts aus. Wir brauchen jetzt eine Bestandsaufnahme, in welchem Umfang dies passiert ist. Gegebenenfalls muss da gesetzgeberisch ein Riegel vorgeschoben werden.“ Dass bei inzwischen anerkannten Flüchtlingen, die hinsichtlich ihrer persönlichen Verfolgung gelogen habe, der Asylstatus wieder aberkannt werden kann, hält Unterländer für unwahrscheinlich, dafür seien die rechtlichen Hürden zu groß.
„Das stinkt zum Himmel“
Und auch sein Parteifreund Michael Frieser, der asylpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, hat kein Verständnis für ein solches Verhalten: „Das stinkt zum Himmel, da schaudert es einen.“ Klar, absolute Ausnahmen – etwa, wenn ein naher Angehöriger im Sterben liegt – könne es immer geben, so Frieser. Bei mehrwöchigen Reisen dagegen lege der Verdacht nahe, dass etwas mit den angegebenen Fluchtgründen nicht stimmen könne.
Wichtig sei, fordert Michael Frieser, dass zum einen die Jobcenter bei Flüchtlingen – anders als bei deutschstämmigen Kunden – künftig fragen dürfen, wohin die Urlaubsreise geht, und zum anderen diese Informationen dann an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch weitergeben dürfen. Beides ist nämlich derzeit noch rechtlich verboten. Die Mitarbeiter dürfen keine Daten austauschen – und zwar kurioserweise, obwohl mit Frank-Jürgen Weise einunddieselbe Person an der Spitze der beiden Bundesbehörden steht. Überspitzt gesagt: Was Weise als BA-Chef erfährt, darf er als BAMF-Chef nicht wissen.
Wenig Handlungsmöglichkeiten gegen mutmaßliche Asylbetrüger sieht man deshalb derzeit noch bei der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit: „Ein Leistungsempfänger ist nicht grundsätzlich verpflichtet, uns seinen Aufenthaltsort bei einer Ortsabwesenheit mitzuteilen, solange diese drei Wochen nicht überschreitet“, teilt Jan Hofmann, der Sprecher der Nürnberger Behörde, mit. „Er muss uns die Ortsabwesenheit mitteilen und die voraussichtliche Dauer – nicht aber, wohin es genau geht.“ Es gäbe „auch keine gesetzliche Grundlage, diese Information von ihm einzufordern“, so Hofmann. Eine statistische Erfassung der Ortsabwesenheiten nach Ländern fände in den Jobcentern nicht statt. Genau wie einheimische deutsche Hartz-IV-Empfängern steht auch Flüchtlingen mit diesem sozialrechtlichen Status ein Jahresurlaub zu.
Immerhin sind sich Müller und Nahles in der Bewertung einig
Immerhin: Der Freistaat und der Bund sind sich einig, dass derlei künftig unterbunden werden soll, wie Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) nach einem Telefonat mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) informierte.
Deutschland ist hier allerdings kein Einzelfall, auch in anderen Ländern machen die Behörden in dieser Hinsicht merkwürdige Erfahrungen – reagieren aber im Gegensatz zu hiesigen Institutionen bereits darauf. Die sozialdemokratische Justizministerin der Schweiz, Simonetta Sommaruga, bekräftigte kürzlich, dass Asylsuchende, die auf Urlaub in ihr Heimatland reisen, „ihren Status in der Schweiz verlieren sollen“. Die rot-schwarze Koalition in Österreich hegt ähnliche Pläne.
Die Münchner Rückkehrberatung „Coming Home“, die mit Geld aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU und von der bayerischen Regierung finanziert wird, bestätigt den Trend, dass in jüngster Zeit vermehrt Iraker und Afghanen, aber auch Syrer, bei der Beratungsstelle vorbei schauen würden, und sich nach Reisemöglichkeiten in ihre Länder erkundigten. Neben dem Rückreisewunsch aus familiären Gründen spielten wohl oft auch falsche Erwartungen an das Leben in Deutschland eine Rolle.
Vom Bayerischen Flüchtlingsrat hieß es auf Nachfrage, man sei derzeit mit anderen Aufgaben beschäftigt und könne sich zu diesem Thema leider nicht äußern. (André Paul)
Kommentare (1)