Theater, Galerien, Museen, Bibliotheken: Bayerns Kommunen lassen sich die Kultur einiges kosten. Derlei öffentliche Einrichtungen schlucken auch den größten Anteil der kommunalen Kulturverwaltung. Zunehmend jedoch entdeckt man, welch große Bedeutung die freie Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern hat. Unternehmen und Selbstständige werden immer häufiger gezielt gefördert.
Rund 200.000 Menschen arbeiten in Bayern in der Kultur- und Kreativbranche, die damit nach der Automobilindustrie und der Maschinenfabrikation die bedeutendste im Freistaat ist. Nachdem in den vergangenen Jahren der Bund eine Initiative zur Förderung einer Branche unterstützt hatte, die so unterschiedliche Teilbereiche wie Architektur, Musik, Verlagswesen, Games- und Softwareindustrie, Werbemarkt und Filmwirtschaft zusammenführt, gibt es seit Beginn dieses Jahres ein vom Freistaat alimentiertes Bayerisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft in Nürnberg, das unter dem Namen „bayernkreativ“ firmiert und für die Branche da sein soll.
Mit der Bedeutung dieser neu entdeckten Berufsgruppe befassen sich zunehmend mehr Städte und Gemeinden, aber auch überörtliche Organisationen – beispielsweise die Metropolregionen Nürnberg und München und die Industrie- und Handelskammern Niederbayern und Oberpfalz. In deren Auftrag hat das Büro für Kulturwirtschaftsforschung Köln Branchenzahlen für Ostbayern erarbeitet. Dort gab es im Jahr 2013 immerhin 4400 Selbstständige und Unternehmen, fast 17.000 Arbeitsplätze, Umsätze in Höhe von mehr als 1,6 Milliarden Euro. Wie nun aber kann man der Branche auch auf kommunaler Ebene unter die Arme greifen?
Um der Beantwortung solcher Fragen näher zu kommen und zu prüfen, wie den Kreativen, wie man sie summa summarum zu nennen pflegt, Unterstützung zuteil werden kann, bereisen die Mitarbeiter von „bayernkreativ“ derzeit die Regierungsbezirke. Spürbar ist viel guter Wille. Die bisher jüngste Station der Reise war Landau an der Isar, eingeladen waren niederbayerische Kreativ-, Wirtschafts- und Politikvertreter – wobei vor allem letztere nicht sonderlich gut vertreten waren.
Dabei hätten sie doch dort erfahren können, welche spannenden Start-up-Unternehmen es in Niederbayern und welche Probleme es gibt, denen sich die Kommunen widmen können. Immerhin gehört Kultur zu deren – wenigen – autonomen Kernkompetenzen.
Mittels von Kurzvorträgen, Workshops und einer Diskussionsrunde wurden einige Schwierigkeiten der selbstständigen Kulturschaffenden und potenzielle Lösungsmöglichkeiten durchdiskutiert: so etwa die Scheu zahlreicher Kreativer, für ihre Arbeit eine ausreichende Bezahlung zu fordern, Schwierigkeiten im Umgang mit der Verwaltung und die Unkenntnis über schon existierende Programme und Fördermöglichkeiten. Gefragt wären Gesten der Wertschätzung. Denn immer noch, so klang bei der Veranstaltung durch, sei vielen Kommunalpolitikern gar nicht bewusst, welches ökonomische Potenzial Kunst und Kultur in ihrer Gebietskörperschaft hätten. Da lohnten sich Investitionen durchaus.
Und nicht nur die. Auf der Wunschliste stehen keineswegs allein finanzielle Forderungen, sondern auch ideelle und infrastrukturelle. So etwa offene Räume für Kunstschaffende, wo sie arbeiten, experimentieren, sich ausprobieren, Unternehmen gründen können. Beispiele gibt es da ja schon von der Großstadt – etwa dem AEG-Gelände in Nürnberg – bis zur Marktgemeinde wie Geisenhausen mit seinen Bunkerbands. Aber die Situation sieht, wie eine kurze Umfrage ergibt, in jeder Stadt völlig anders aus.
Bürgerengagement soll stärker unterstützt werden
„Die Leute möchten Entgegenkommen“, sagt Wolfgang Dersch, Referatsleiter für Kultur, Sport und Schulen in Amberg, einer Stadt mit 43.000 Einwohnern. Und dieses Entgegenkommen werde auch realisiert, etwa mit der Einrichtung eines Jugendspielclubs am Theater. Jedoch: In kleineren Städten wie Amberg gebe es nicht so sehr viele Freie in der Kunst und Kulturszene. Deshalb hängt, sagt Dersch, diese Frage auch mit der Größe der Städte und der Stärke der dortigen Szenen zusammen.
Und mit der Tradition. Gabriel Engert, Leiter des Ingolstädter Referats für Kultur, Schule und Jugend, will seine Stadt gar nicht mit altehrwürdigen Ornamentalorten wie Regensburg oder Würzburg vergleichen. Wiewohl man mitmischt. Der Kulturetat der Stadt Ingolstadt umfasst neben den Ausgaben des Kulturamts auch alle Kosten des kommunalen Theaters, der Museen und aller Einrichtungen der kulturellen Bildung (Sing- und Musikschule, Volkshochschule, Bücherei und Bürgerhaus). Der Anteil der Ausgaben für die freie Kulturszene am Gesamtkulturetat betrug im Jahr 2014 2,4 Prozent. Im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Kulturamtes beträgt der Anteil der Ausgaben für die freie Szene dann schon 28,7 Prozent.
Dennoch sagen derlei Zahlen eher wenig. Auch weil Förderungsgelder auch aus anderen Töpfen, beispielsweise Festival-Etats, stammen können. Kulturämter reagieren demzufolge eher zurückhaltend bei der Angabe von Ausgaben für die Freie Szene. Deutlich herausstellen will Engert das Bemühen seiner Stadt, Bürgerengagement im Bereich von Kunst und Kultur „zu stützen – finanziell und mit Sachleistungen“. Neuestes Beispiel: Die „Halle 9“ am Hauptbahnhof, ein Zentrum für junge Kultur.
Natürlich hört man auf Seiten der Freien immer wieder, mehr Unterstützung durch die Kommune, in der sie tätig sind, tue not. Manchmal skandalisiert das auch die örtliche Presse. Meistens rudern alle Beteiligten danach sofort zurück. Wer prangert schon gern jene öffentlich an, die man nachher vielleicht wieder als Ausstatter braucht? Christiana Schmidbauer, Leiterin des Regensburger Kulturamts, versteht solche Diskussionen denn auch nicht – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Stadt gerade den Verfügungsfonds des Kulturreferenten verdoppelt hat, die freiwilligen Leistungen im kulturellen Bereich gestiegen sind.
Das private Turmtheater bekommt jetzt mehr Zuschüsse, das kommunale Stadttheater hat gerade eine neue Spielstätte für das Kinder- und Jugendtheater erhalten, die ortsansässige Akademie für darstellende Kunst freut sich über neue Räume, es gibt jetzt ein „kreativForum“ für die Kultur- und Kreativwirtschaft, einen gerade installierten Kreativberater und alsbald ein Kreativzentrum in der Innenstadt.
Kreativer geht’s also kaum; jedenfalls sind die Erwartungen hoch in einer Stadt, die als Boomtown genau auch auf diese Branche zu setzen scheint.
Unterschiede in der Kreativwirtschaft gibt es zahlreiche. Es gibt Branchen wie den Werbemarkt und die Software- und Games-Industrie, denen es wirtschaftlich recht gut geht, und solchen wie die darstellende Kunst und der Kunstmarkt, in denen die Kreativen in der Regel unter eher prekären Verhältnissen leben. Jede Stadt hat seine eigene kulturhistorische Tradition – Chancen für ein Alleinstellungsmerkmal. Ein Credo für die Kultur bietet in einer globalisierten Welt eine einzigartige Chance für Kommunen, ihre Individualität zu prägen. Veranstaltungen wie die Landauer Tagung sind ein Weg dorthin. (Christian Muggenthaler)
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