Mit dem Zukauf von kleinen Heimatzeitungen versuchen auch in Bayern große Tageszeitungsverlage ihren Auflagenschwund ausgleichen. Für die Leser verschwindet durch die Verschmelzungen jedoch die Meinungsvielfalt, für Journalisten die Arbeitsplätze. Gerade prüft die Bundeskartellbehörde einen neuen Zusammenschluss: Die Passauer Neue Presse, größte Abonnementzeitung Südostbayerns, hat sich drei Titel in Oberbayern einverleibt. Die Passauer Verlegerfamilie Diekmann kaufte für einen zweistelligen Millionenbetrag den alteingesessenen oberbayerischen Erdl Verlag. Eine Kooperation der beiden Zeitungshäuser gab es bei den Werbeanzeigen schon lange. Seit drei Jahren werden die drei oberbayerischen Blätter im 100 Kilometer entfernten Passauer Druckzentrum gedruckt.
Kleines Zeitungshaus
mit eigenem Mantel
Mit Trostberger Tagblatt und Traunreuter Anzeiger war das kleine Zeitungshaus eine Besonderheit in der bayerischen Medienlandschaft, weil auch der redaktionelle Teil mit Politik und Wirtschaft, der sogenannte Mantel, noch selbst produziert wird. Die meisten Zeitungen dieser Größe lassen sich den Mantel zuliefern. Zu dieser Vollredaktion gehören bislang 15 Redakteure in Trostberg, Traunreut, Tittmoning und Freilassing, dazu ein Stamm von rund 100 freien Mitarbeitern. Fünf Redakteursstellen werden nach der Übernahme abgebaut werden, vermuten Mitarbeiter im Hause Erdl. Das Damoklesschwert versteckt sich im Lieblingswort der Wirtschaftsprüfer: „Synergieeffekte“. Zumindest für die Führung des Hauses ist es eine freundliche Übernahme: Der Geschäftsführer des Erdl-Verlags, Heinz Alt, bekam seinen Vertrag bis 2015 verlängert, der bisherige Hauptgesellschafter Wolfgang Huber soll einen Beratervertrag bekommen haben.
Neben diesen beiden Blättern fällt in die Hände der niederbayerischen Verlagsfamilie zugleich die Südostbayerische Rundschau, an der sie bereits die Hälfte der Gesellschaftsanteile hielt. Die andere Hälfte gehörte dem Erdl Verlag. Das neue Verbreitungsgebiet bedeutet für die Passauer Neue Presse einen Zuwachs von rund 18 000 Exemplaren Auflage. Zum Erdl-Verlag gehört auch die Altbayerische Heimatpost, eine Wochenzeitung mit einer Auflage von 16 000 Exemplaren.
Das neue Verlagsgebiet schließt nahtlos an das Gebiet der Passauer Neue Presse an, die mit Altötting und Burghausen schon einen Fuß in Oberbayern hat. Von einem weiteren Expansionskurs wären theoretisch betroffen: die Heimatzeitungen Bad Reichenhaller Tagblatt und Freilassinger Anzeiger. Diese erhalten ihren Mantel vom Traunsteiner Tagblatt, dem jetzt letzten Zeitungszwerg in dieser Ecke. Das Verlagshaus gehört den Zwillingsbrüdern Martin (Redaktionsleiter) und Thomas Miller (Verlagsgeschäftsführer). Letzterer hält mit seiner Kritik an der Fusion nicht hinterm Berg. „Wenn die Geldgier so groß ist, dann geht jedes Gewissen verloren“, sagt er mit Blick auf die Inhaber des Erdl-Verlags. Die Kleinen sollten zusammenhalten und als Erstes miteinander reden. Er habe es nicht fair empfunden, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Bei Druckerstreiks habe man dem Nachbarn immer ausgeholfen. Den Millers gehört auch der Berchtesgadener Anzeiger, den sie 2007 von ihrem Großonkel ins Familienhaus zurückholten.
„Diese Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen, im Gegenteil“, sagt der Passauer Medien-Professor Ralf Hohlfeld. Der Auflagenschwund der Tageszeitungen sei stetig, das Verbreitungsgebiet zu vergrößern eine wirksame Gegenmaßnahme. Das Bundeskartellamt habe meist keine Handhabe. Gerade werden auf Betreiben der Verlegerverbände die Schwellen angehoben. Bislang gilt sie für Verlage mit über 25 Millionen Euro Umsatz, künftig sollen es 62 Millionen sein. Der Gesetzesentwurf soll im Herbst vom Bundeskabinett diskutiert werden.
Kommunalpolitiker drücken sich
um eine Stellungnahme
„Wir haben im Hinterkopf immer die Meinungsvielfalt und sehen das kritisch“, sagt ein Sprecher des Bundeskartellamts. Eine Kontrolle über die Meinungsvielfalt habe der Gesetzgeber beim Fernsehen, nicht aber bei den Printmedien. Die Verlegerverbände seien seit jeher bestrebt, die Pressefusionskontrolle auszuhebeln, um ihre regionalen Strategien leichter durchsetzen zu können. „Natürlich stehen zwei benachbarte Zeitungskreise nicht im Wettbewerb. Aber wenn der Nachbar das Gebiet betritt, wird der potenzielle Wettbewerb zunichte gemacht.“
Politiker kommentieren solche neue Konzentrationen in der Medienlandschaft offenbar ungern, man will es sich nicht mit den Meinungsmachern verscherzen. So ist auch vom Traunsteiner Landrat Hermann Steinmaßl (CSU) keine Stellungnahme zu bekommen.
Eine ähnliche Zeitungsfusion gab es dieses Frühjahr bereits im Frankenland. Das Obermain-Tagblatt aus Lichtenfels mit knapp 12 000 Exemplaren Auflage eine bodenständige Heimatzeitung seit 1857, wurde von der Mediengruppe Main-Post aus Würzburg geschluckt. Den Verlag der Main-Post wiederum hat bereits Ende 2010 die Augsburger Mediengruppe (Augsburger Allgemeine) aufgekauft. Die Augsburger halten seit November 2011 auch die Mehrheit am Konstanzer Südkurier.
Wissenschaftler Hohlfeld meint, die Blätter müssten sich vom Mantel mit den Agenturmeldungen, die sowieso überall abrufbar sind, verabschieden, nur mehr die selbst produzierten Lokalthemen würden die Leser interessieren. „Und dazu bedarf es leistungsstarker Lokalredaktionen.“ (Hubert Denk)
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