Eine Hofbesitzerin aus Mittelfranken trinkt seit Jahren nur ihr eignes Brunnenwasser – und fährt gut damit. Doch jetzt soll Ulrike Hannemann Wasser des Versorgers ZRG aus Gunzenhausen konsumieren – obwohl dessen Qualität keinesfalls besser ist. Ein Gericht bestätigte das jetzt. Doch die Begründung überzeugt nicht.
Ein einsames Gehöft mit alten Bäumen, daneben ein Esel in einem Gatter: eine idyllische ländliche Szene im Weiler Sauernheim in Mittelfranken. Doch die Besitzerin hat keinen Grund zur Freude, im Gegenteil. Ulrike Hannemann ist sichtlich verzweifelt. Die Tränen rollen der Diplom-Ingenieurin über die Wangen. „Bald haben wir kein Wasser mehr“, bringt sie kaum hörbar über die Lippen.
Dabei scheint gerade genau das Gegenteil zu passieren: Drei Mitarbeiter vom Zweckverband zur Wasserversorgung der Reckenberg-Gruppe (ZRG) aus Gunzenhausen spülen gerade eine Trinkwasserleitung. Die führt von einem Hydranten am geteerten Feldweg zum etwa 30 Meter entfernten alten Bauernhaus, in dem Hannemann und ihr Lebensgefährte seit zehn Jahren wohnen. Der Plan: Bald soll Wasser von ZRG ins ehemalige Bauernhaus fließen. Und natürlich sollen Hannemann und ihr Lebensgefährte dann dafür bezahlen, statt wie bisher das kostbare Nass kostenfrei – aber legal – aus dem hofeigenen Brunnen zu beziehen.
Polizei leistet "Amtshilfe"
Ein Polizeiauto mit zwei Oberkommissaren an Bord steht in der Hofauffahrt, um den Vorgang seitens der Staatsmacht zu begleiten. Die Beamten leisten den ZRG- Mitarbeitern „Amtshilfe“, wie es im Verwaltungsdeutsch korrekt heißt. Denn die Wasserversorger setzen gerade ihr vom Verwal-tungsgericht Ansbach bestätigtes Recht durch, Ulrike Hannemann per „Anschluss- und Benutzungszwang“ an die öffentliche Trink-wasserversorgung anzuschließen.
Dabei liegt der Anschluss immerhin bereits seit dem Jahr 2000 im Haus. Damals wohnte noch ein Bauer dort, der aber das ZRG-Wasser niemals nutzte. Auch die Ingenieurin, die das Anwesen vor zehn Jahren erwarb, zapfte nie beim ZRG. Sie zahlte zwar die Grundgebühr. Doch das Wasser wollte sie nicht haben.
Das ging lange gut. Wohl so lange, bis der ZRG die Rechnungen der Hannemanns prüfte und feststellte, dass es da keinen Verbrauch gab. Das konnte nicht sein, das darf nicht sein, sagte man sich bei dem Unternehmen, schließlich muss und will man ja am Bürger auch was verdienen. Weil Ulrike Hannemann sich weigerte, ZRG-Wasser zu konsumieren und dem Unternehmen zu mehr Umsatz zu verhelfen, zog der Zweckverband vor Gericht. Und das entschied, dass ein Zwangsumschluss erfolgen soll.
„Und zwar ohne auf die Wasserqualität Rücksicht zu nehmen“, wie Hannemann betont. „Wir leben in Absurdistan“, sagt die Zwangsversorgte kopfschüttelnd. Sie fürchtet um die Gesundheit. Während sie bisher ihr Trinkwasser immer frisch aus dem hofeigenen Brunnen hochpumpte, soll sie nun das Nass aus einer 300 Meter langen Stichleitung zapfen. Die enthält etwa 3000 Liter. Das „bedeutet dann einmal im Monat wirklich frisches Wasser“, hat Ulrike Hannemann ausgerechnet. Zwar liegt der durchschnittliche Wasserverbrauch hierzulande bei 150 Liter pro Mensch und Tag. Doch nicht immer seien sie und ihr Freund am Hof, zudem spare sie Wasser, weil sie oft auswärts dusche.
Das hängt mit dem Beruf der Ingenieurin zusammen: Sie arbeitet als Umweltberaterin und Tierheilpraktikerin. Und da ist oft eine schnelle Wäsche beim Kunden nötig. Auch wenn sich Hannemann nicht immer auswärts waschen kann: Vom ZRG werde sie zu Hause keinen Liter Wasser mehr zapfen – egal ob fürs Duschen oder zum Tee kochen.
Kein weiterer Abnehmer
Denn anders als in der Richtlinie des DVGW (Deutscher Verband der Gas- und Wasserwirtschaft) mit der Nummer 400-1 vorgegeben, komme in ihrem Haus so genanntes Stagnationswasser an. Das 300 Meter lange Rohr der Stärke DN 100 unter der Straße hat nämlich außer ihr keinen weiteren Abnehmer. Die vom DVGW vorgegebene Fließgeschwindigkeit von über fünf Millimetern pro Sekunde werde massiv unterschritten, kritisiert sie. Ein Umstand, den auch der Versorger zugibt. Doch der ZRG verweist auf etwa 500 jährliche Prüfungen seiner Wasserqualität. Die führe ein neutraler Gutachter ohne Kenntnis des Zweckverbands in eigener Regie durch. Kürzlich war der Gutachter vor Ort, um die Trinkwasserqualität am Ende der ZRG-Leitung im Keller des Hannemann’schen Hauses zu prüfen. Davor war die Leitung lange gespült worden. Um Stagnation zu vermeiden, sei ihr angekündigt worden, dass die örtliche Feuerwehr hin und wieder das DN-100-Rohr spülen würde, indem sie Übungen nahe des Hannemann’schen Hauses durchführen wolle.
Ein Sprecher des Unternehmens erklärte auf Nachfrage: „Ein regelmäßiger Wasseraustausch in stagnierenden Bereichen zur Vermeidung einer Koloniezahlerhöhung ist nicht erforderlich. Wasseraustausch in bestimmten Intervallen kann allerdings zur Vermeidung von sensorischen Beeinträchtigungen (Geschmack, Geruch, Färbung) erforderlich sein.“ Doch „generelle Vermeidung von Stagnationswasser am Wasserzähler ist durch den Wasserversorger nicht möglich“, gibt der Zweckverband zu. Ob Trübung oder Keime Schuld sind, wollte der ZRG jedoch nicht sagen.
Auf Grund der offensichtlich negativen Gutachterprobe schloss dann ein beauftragter Installateur die Fernleitung wieder ab – und den Hausbrunnen wieder an. Man wolle „weiter spülen und nochmals beproben, bis die Qualitätskriterien zum Umschluss erfüllt sind“, so der ZRG- Sprecher lapidar.
Kleinkläranlage nachrüsten
Matthias Seitz (SPD) der für den Ortsteil der Gemeinde Windsbach zuständige Ortssprecher, fordert vom Versorger jedenfalls, dass „sauberes Trinkwasser ankommt“. Die Hausbesitzerin hatte bei ihrem Brunnen zuvor auf Wasserproben verzichtet: Die Qualität sei gut, versichert sie. Dabei fordert das zuständige Gesundheitsamt in Ansbach welches „mehr als 1300 offiziell gemeldete Hausbrunnen“ überwacht: „Jeder Betreiber einer Eigenwasserversorgung muss laut Trinkwasser-Verordnung mindestens einmal jährlich seine Wasserqualität hinsichtlich der durch das Gesundheitsamt genannten Parameter untersuchen lassen.“ Der in Sauernheim scheint dem Amt jedoch bisher nicht bekannt gewesen zu sein.
Hausbesitzerin Ulrike Hannemann hat im Übrigen noch ein zweites Problem: Die Drei-Kammer-Reinigung ihres Abwassers entspricht nicht der seit einigen Jahren gültigen EU-Verordnung. Deshalb wurde ihr vom zuständigen Landratsamt in Ansbach mitgeteilt, sie müsse eine biologische Kleinkläranlage nachrüsten. Bisher ließ die Ingenieurin die Kloake mehrmals im Jahr von einem anerkannten Entsorger leeren. Doch das soll nun nicht mehr erlaubt sein. Dabei sieht ausgerechnet die Bayerische Bauordnung (BayBO) vor: „Aktuelle und ehemalige Bauernhöfe können von der Umrüstpflicht befreit werden.“ Das Landratsamt Ansbach besteht dennoch auf einer teuren Kleinkläranlage am früheren Gehöft: Dort legt man diesen Passus der BayBO offenbar sehr eng aus. (Heinz Wraneschitz)
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