Kommunales

Das ehemalige Bauernhaus von Ulrike Hannemann liegt abgeschieden im ländlichen Westmittelfranken. (Foto: Wraneschitz)

20.06.2014

Geschmacksargumente zählen nicht

Warum eine Einödhof-Bewohnerin statt eigenem Brunnenwasser künftig das kostenpflichtige Angebot eines öffentlichen Versorgers trinken soll.

Eine Hofbesitzerin aus Mittelfranken trinkt seit Jahren nur ihr eignes Brunnenwasser – und fährt gut damit. Doch jetzt soll Ulrike Hannemann Wasser des Versorgers ZRG aus Gunzenhausen konsumieren – obwohl dessen Qualität keinesfalls besser ist. Ein Gericht bestätigte das jetzt. Doch die Begründung überzeugt nicht.
Ein einsames Gehöft mit alten Bäumen, daneben ein Esel in einem Gatter: eine idyllische ländliche Szene im Weiler Sauernheim in Mittelfranken. Doch die Besitzerin hat keinen Grund zur Freude, im Gegenteil. Ulrike Hannemann ist sichtlich verzweifelt. Die Tränen rollen der Diplom-Ingenieurin über die Wangen. „Bald haben wir kein Wasser mehr“, bringt sie kaum hörbar über die Lippen.
Dabei scheint gerade genau das Gegenteil zu passieren: Drei Mitarbeiter vom Zweckverband zur Wasserversorgung der Reckenberg-Gruppe (ZRG) aus Gunzenhausen spülen gerade eine Trinkwasserleitung. Die führt von einem Hydranten am geteerten Feldweg zum etwa 30 Meter entfernten alten Bauernhaus, in dem Hannemann und ihr Lebensgefährte seit zehn Jahren wohnen. Der Plan: Bald soll Wasser von ZRG ins ehemalige Bauernhaus fließen. Und natürlich sollen Hannemann und ihr Lebensgefährte dann dafür bezahlen, statt wie bisher das kostbare Nass kostenfrei – aber legal – aus dem hofeigenen Brunnen zu beziehen.

Polizei leistet "Amtshilfe"


Ein Polizeiauto mit zwei Oberkommissaren an Bord steht in der Hofauffahrt, um den Vorgang seitens der Staatsmacht zu begleiten. Die Beamten leisten den ZRG- Mitarbeitern „Amtshilfe“, wie es im Verwaltungsdeutsch korrekt heißt. Denn die Wasserversorger setzen gerade ihr vom Verwal-tungsgericht Ansbach bestätigtes Recht durch, Ulrike Hannemann per „Anschluss- und Benutzungszwang“ an die öffentliche Trink-wasserversorgung anzuschließen.
Dabei liegt der Anschluss immerhin bereits seit dem Jahr 2000 im Haus. Damals wohnte noch ein Bauer dort, der aber das ZRG-Wasser niemals nutzte. Auch die Ingenieurin, die das Anwesen vor zehn Jahren erwarb, zapfte nie beim ZRG. Sie zahlte zwar die Grundgebühr. Doch das Wasser wollte sie nicht haben.
Das ging lange gut. Wohl so lange, bis der ZRG die Rechnungen der Hannemanns prüfte und feststellte, dass es da keinen Verbrauch gab. Das konnte nicht sein, das darf nicht sein, sagte man sich bei dem Unternehmen, schließlich muss und will man ja am Bürger auch was verdienen. Weil Ulrike Hannemann sich weigerte, ZRG-Wasser zu konsumieren und dem Unternehmen zu mehr Umsatz zu verhelfen, zog der Zweckverband vor Gericht. Und das entschied, dass ein Zwangsumschluss erfolgen soll.
„Und zwar ohne auf die Wasserqualität Rücksicht zu nehmen“, wie Hannemann betont. „Wir leben in Absurdistan“, sagt die Zwangsversorgte kopfschüttelnd. Sie fürchtet um die Gesundheit. Während sie bisher ihr Trinkwasser immer frisch aus dem hofeigenen Brunnen hochpumpte, soll sie nun das Nass aus einer 300 Meter langen Stichleitung zapfen. Die enthält etwa 3000 Liter. Das „bedeutet dann einmal im Monat wirklich frisches Wasser“, hat Ulrike Hannemann ausgerechnet. Zwar liegt der durchschnittliche Wasserverbrauch hierzulande bei 150 Liter pro Mensch und Tag. Doch nicht immer seien sie und ihr Freund am Hof, zudem spare sie Wasser, weil sie oft auswärts dusche.
Das hängt mit dem Beruf der Ingenieurin zusammen: Sie arbeitet als Umweltberaterin und Tierheilpraktikerin. Und da ist oft eine schnelle Wäsche beim Kunden nötig. Auch wenn sich Hannemann nicht immer auswärts waschen kann: Vom ZRG werde sie zu Hause keinen Liter Wasser mehr zapfen – egal ob fürs Duschen oder zum Tee kochen.

Kein weiterer Abnehmer


Denn anders als in der Richtlinie des DVGW (Deutscher Verband der Gas- und Wasserwirtschaft) mit der Nummer 400-1 vorgegeben, komme in ihrem Haus so genanntes Stagnationswasser an. Das 300 Meter lange Rohr der Stärke DN 100 unter der Straße hat nämlich außer ihr keinen weiteren Abnehmer. Die vom DVGW vorgegebene Fließgeschwindigkeit von über fünf Millimetern pro Sekunde werde massiv unterschritten, kritisiert sie. Ein Umstand, den auch der Versorger zugibt. Doch der ZRG verweist auf etwa 500 jährliche Prüfungen seiner Wasserqualität. Die führe ein neutraler Gutachter ohne Kenntnis des Zweckverbands in eigener Regie durch. Kürzlich war der Gutachter vor Ort, um die Trinkwasserqualität am Ende der ZRG-Leitung im Keller des Hannemann’schen Hauses zu prüfen. Davor war die Leitung lange gespült worden. Um Stagnation zu vermeiden, sei ihr angekündigt worden, dass die örtliche Feuerwehr hin und wieder das DN-100-Rohr spülen würde, indem sie Übungen nahe des Hannemann’schen Hauses durchführen wolle.
Ein Sprecher des Unternehmens erklärte auf Nachfrage: „Ein regelmäßiger Wasseraustausch in stagnierenden Bereichen zur Vermeidung einer Koloniezahlerhöhung ist nicht erforderlich. Wasseraustausch in bestimmten Intervallen kann allerdings zur Vermeidung von sensorischen Beeinträchtigungen (Geschmack, Geruch, Färbung) erforderlich sein.“ Doch „generelle Vermeidung von Stagnationswasser am Wasserzähler ist durch den Wasserversorger nicht möglich“, gibt der Zweckverband zu. Ob Trübung oder Keime Schuld sind, wollte der ZRG jedoch nicht sagen.
Auf Grund der offensichtlich negativen Gutachterprobe schloss dann ein beauftragter Installateur die Fernleitung wieder ab – und den Hausbrunnen wieder an. Man wolle „weiter spülen und nochmals beproben, bis die Qualitätskriterien zum Umschluss erfüllt sind“, so der ZRG- Sprecher lapidar.

Kleinkläranlage nachrüsten


Matthias Seitz (SPD) der für den Ortsteil der Gemeinde Windsbach zuständige Ortssprecher, fordert vom Versorger jedenfalls, dass „sauberes Trinkwasser ankommt“. Die Hausbesitzerin hatte bei ihrem Brunnen zuvor auf Wasserproben verzichtet: Die Qualität sei gut, versichert sie. Dabei fordert das zuständige Gesundheitsamt in Ansbach welches „mehr als 1300 offiziell gemeldete Hausbrunnen“ überwacht: „Jeder Betreiber einer Eigenwasserversorgung muss laut Trinkwasser-Verordnung mindestens einmal jährlich seine Wasserqualität hinsichtlich der durch das Gesundheitsamt genannten Parameter untersuchen lassen.“ Der in Sauernheim scheint dem Amt jedoch bisher nicht bekannt gewesen zu sein.
Hausbesitzerin Ulrike Hannemann hat im Übrigen noch ein zweites Problem: Die Drei-Kammer-Reinigung ihres Abwassers entspricht nicht der seit einigen Jahren gültigen EU-Verordnung. Deshalb wurde ihr vom zuständigen Landratsamt in Ansbach mitgeteilt, sie müsse eine biologische Kleinkläranlage nachrüsten. Bisher ließ die Ingenieurin die Kloake mehrmals im Jahr von einem anerkannten Entsorger leeren. Doch das soll nun nicht mehr erlaubt sein. Dabei sieht ausgerechnet die Bayerische Bauordnung (BayBO) vor: „Aktuelle und ehemalige Bauernhöfe können von der Umrüstpflicht befreit werden.“ Das Landratsamt Ansbach besteht dennoch auf einer teuren Kleinkläranlage am früheren Gehöft: Dort legt man diesen Passus der BayBO offenbar sehr eng aus. (Heinz Wraneschitz)

Kommentare (12)

  1. Dorothea am 24.06.2014
    Ich habe mich etwas schlau gemacht über diesen Landkreis Ansbach! Das scheint ja eine Stätte der regelmäßigen Verbrennung von Steuermitteln zu sein. (1) Da häufte der Leiter der Bezirkskliniken in nur einem Jahr über zehn Millionen Verlust an, die Jahre zuvor gab es angeblich nur Gewinne. Der Schaden war so groß, dass der Veranwortliche gekündigt wurde. (2) Waldeck, ein Örtchen bei Dinkelsbühl: Da sollte eine eierlegende Wollmilchsau für die Verbrennung von Klärschlamm gebaut werden. Fachleute rieten davon ab, weil das Konzept nie funktionieren könne. Die verantwortlichen Politiker wollten sich ein Denkmal setzen. Das gelang ihnen. Nach zwei Jahren musste die Klärschlammverbrennung Konkurs anmelden, die bürgenden Gemeinden sitzen auf einem Schuldenberg von über 38 Millionen! (3) Da berichtete der Bayerische Rundfunk, dass die Klinikgesellschaft ANregiomed, zuständig für vier Krankenhäuser, in einem Jahr 15, in einem andern Jahr 12 Millionen Verlust angehäuft hat! Trotz dieser Verluste wurde für die leitenden Angestellten sechzehn Fahrzeuge der Oberklasse angeschafft, damit diese Manager mit einem eigenen Dienstauto zur Besprechung fahren können. Diese Dienstautos dürfen die "Manager" natürlch auch privat benützen! Von den Politikern in diesem Landkreis sind keine sinnvollen Entscheidungen zu erwarten! Wie heißt es? Wie der Herr, so das Geschirr ;-) Am unteren Ende dieser Entscheidungshierarchie gibt es dann konsequenterweise solche behördliche Fehlentscheidungen wie bei dieser Ingenieurin!
  2. Kiat am 23.06.2014
    @Pascal: Das sogenannte "Gutachten", auf das sich das Gericht bezog, ist gar kein Gutachten! Es ist ein Forschungsbericht im Auftrag des DGVW. Der DVGW erstellt keine Gutachten, so steht es in seiner Vereinssatzung! Dieser Forschungsbericht sollte beweisen, dass Stagnationswasser harmlos ist. Es wurde bei Dresden eine Versuchsanlage aufgebaut mit folgenden Bedingungen: Edelstahlrohre, 5 Meter lang und 5 cm Durchmesser (bei mir Kunststoffrohre, 326 Meter lang und 98,8 mm Innendurchmesser), gechlortes Wasser aus Uferfiltrat (bei mir ungechlortes Quellwasser). Obwohl die Forschungsbedingungen sehr von den Bedingungen bei mir abweichen, wurde aus den Ergebnissen des "Forschungsberichtes" abgeleitet, dass Stagnationswasser harmlos ist! Ich stellte den Antrag, einen Gutaachter heranzuziehen, das wurde mir vom Gericht verwehrt!
  3. TerryGl am 23.06.2014
    Viele Gemeinden liefern schlechtes und sehr kalkhaltiges Wasser zu den Häusern die nicht im Gemeindeort leben und wohnen. Hierzu kann ich aus Erfahrung sprechen. Sicher ist, dass Wasser ein sehr kostbares Elexil ist. Dennoch hat weder das Bundesland, die Bundesrepublik auf jedem Erdteil NICHT das Recht, dass ein Bürger für das Wasser zu zahlen hat. Dies ist eine abzockerei seitens des Staates!!! Wer einen eigenen Brunnen hat, kann froh sein einen zu haben.
  4. Doris am 22.06.2014
    Als Wasserfachfrau stelle ich fest, dass dieser Versorger gegen mehrere gängige Regeln und gegen europäisch geltende Normen verstößt! Wird dieser Versorger nicht von den Behörden überprüft? Dieser Fall spricht einddeutig gegen die Funktionsfähigkeit der bayerischen Aufsichtsbehörden!
  5. Lynn am 22.06.2014
    In Bayern wird eine Heilige Kuh, auch Anschluss- und Benutzungszwang, gehegt und gepflegt. Dieser Zwang geht auf ein Nazigesetz aus dem Jahr 1935 zurück! Es hatte eindeutig rassistische Motive und wurde vor allem gegen jüdische Mitbürger eingesetzt. Wie sich die Zeiten wiederholen. Im vorliegenden Fall soll wohl eine kritische Schriftstellerin mundtot gemacht werden - im wahrsten Sinne des Wortes.
  6. Mary am 22.06.2014
    Ich gehe davon aus, dass dies in Bayern kein Einzelfall ist. Schließlich ist Bayern ein großflächiges Land. Mein Fazit ist, dass ich keinen Urlaub mehr in Bayern buchen werde. Meine Gesundheit und die meiner Familie ist mir wichtiger!
  7. Chris am 22.06.2014
    Wasser, das länger als vier Stunden in der Leitung steht, soll nicht getrunken werden. Hier sollen Menschen vom Versorger gezwungen werden, permanent stehendes Wasser zu trinken. Das ist nicht nur vorsätzliche Körperverletzung, das ist vorsätzlicher Mord! Dieser Wasserversorger muss sofort aus dem Verkehr gezogen werden!
  8. Pascal am 21.06.2014
    @Kiat: In deinem Blog las ich, dass du beim Verwaltungsgericht geklagt hast. Im Internet fand ich das Urteil. Da steht etwas von einem Gutachten. Um was für ein Gutachten geht es?
  9. Tanja am 21.06.2014
    Also bei uns bei Hamburg Wasser gibt es Vorschriften für Stichleitungen: Am Ende müssen mindestens drei Objekte angeschlossen und der Durchmesser muss 5 cm sein! So einen Murks wie in Bayern gibt es nicht! Der Chef des Versorgers gehört entlassen!
  10. Kiat am 20.06.2014
    Noch eine Berichtigung: Matthias Seitz ist nicht Ortssprecher von Sauernheim, sondern Bürgermeister von Windsbach - ein kleiner Unterschied ;-)
  11. David am 20.06.2014
    Dieser Wasserversorger kennt seine eigene Satzung nicht oder er hält sich nicht daran! Da steht, dass er sich an geltende Regeln hält! Es ist nicht zulässig, dass mit einer solch dicken Leitung nur ein Haus mit nur zwei Bewohner versorgt wird. Ich nehme an, dass gleichzeitig mit diesem Wasser gelöscht werden soll. Das widerspricht der Regel, dass mit Stagnationswasser nicht gelöscht werden darf! Löschwasserleitungen müssen trocken stehen, Erst im Brandfall dürfen sie kurzfristig befüllt werden! Ich kenne Fälle da weigerten sich Feuerwehrleute, mit solchem Stagnationswasser zu löschen. Die Weigerung wurde durch ein Gerichtsurteil bestätigt! Diese arme Frau soll also Stagnationswasser trinken, mit dem nicht einmal gelöscht werden darf! Was für zum Himmel stinkende Zustände herrschen in Bayern?!
  12. Kiat am 20.06.2014
    Der Satz "Die Hausbesitzerin hatte bei ihrem Brunnen zuvor auf Wasserproben verzichtet" entspricht nicht den Tatsachen. Der Hausbrunnen wurde nur für Brauchwasser verwendet, nicht für Trinkwasser! Deshalb musste dieser Brunnen auch nicht beprobt werden. Mein Trinkwasser bezog ich von Anfang aus dem Supermarkt - also amerikanische Verhältnisse ;-)

    Was den Artikel 41 BayBO angeht, bis heute konnte mir kein Amtsträger im Landkreis Ansbach schlüssig erklären, wieso dieser Artikel nicht für meinen Einzelhof gelten soll ...
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