Neben Bergen und Seen gründet die Schönheit Bayerns auch auf den vielen historischen Städten. Im Freistaat wird der Denkmalschutz eben groß geschrieben – oft zu groß, wie immer mehr Bürgermeister klagen: Aufgrund der Vorgaben werde die wirtschaftliche Entwicklung in den Kommunen immer mehr erschwert.
Zu einer regelrechten Posse wuchs sich dieser Tage ein Fall in Fürth aus. Die zweitgrößte mittelfränkische Stadt ist, darauf weist Stadtbaurat Joachim Krauße hin, nicht eben gesegnet mit Einkaufsmöglichkeiten. Verantwortlich dafür sei zum einen die unmittelbare Nähe zur wesentlich größeren Metropole Nürnberg, zum anderen aber auch die spezielle Baustruktur der City. „Fürth hat sehr viele Baudenkmäler“, erläutert der Amtsleiter. Kürzlich bestand jedoch die Chance, eine neue Einkaufsmöglichkeit zu schaffen. Zwei benachbarte Grundstücke, zusammen etwa 6000 Quadratmeter groß, standen zum Verkauf, die Stadt griff zu. Unter anderem befand sich auf dem Areal, neben anderen historisch erhaltenswerten Gemäuern, auch das ehemalige Parkhotel mit seinem denkmalgeschützten Festsaal. Eine echte architektonische Schönheit ist dieser nicht, obendrein war er seit Jahren für die Bevölkerung nicht zugänglich.
Die Stadt hat es sich dann in der Ausschreibung nach eigenen Angaben nicht leicht gemacht und von den Investoren gefordert, so viel wie möglich von der historischen Bausubstanz zu erhalten. Das nicht alles beibehalten werden konnte, war von vornherein klar. Den Zuschlag bekam dann ein Investor, dessen Konzept zwar den Erhalt mehrerer anderer Gebäude zusicherte, besagten Festsaal aber abreißen wollte. Die Stadt stimmte zu, die Planungen schritten voran. „Der Investor hatte bereits das Grundstück erworben, die Bauanträge eingereicht und Mieter für die künftigen Geschäfte angeworben“, berichtet der Stadtbaurat.
Doch dann traten die, wie sie Krauße spöttisch nennt, lokalen „Denkmalpuristen“ auf den Plan. Unterstützt vom Denkmalnetz Bayern reichten sie eine Petition beim für Denkmalfragen zuständigen bayerischen Kunst- und Wissenschaftsministerium ein – und bekamen Recht. „Die Genehmigung der Stadt Fürth für den Abriss des denkmalgeschützten Festsaals im Parkhotel ist rechtswidrig“, teilte das Haus von Ressortchef Wolfgang Heubisch (FDP) mit.
Die Regierung von Mittelfranken freilich trübte die Freude der örtlichen Nostalgiker. Als Kommunalaufsichtsbehörde ließ sie wissen, dass „ein simpler Rechtsverstoß nicht gravierend genug“ für eine Weisung sei, die Genehmigung zum Abbruch zurückzunehmen. Im Klartext: Der Investor darf weiter bauen und die Fürther, so scheint es, werden ihre Einkaufsmöglichkeit bekommen. Ganz geschlagen geben wollen sich die Festsaal-Freunde freilich nicht. Die Stadtverwaltung solle „die rechtswidrige Genehmigung von sich aus sofort zurückziehen“, forderten sie in einer Pressemitteilung und auch „dem Investor stünde es gut zu Gesicht, angesichts der fehlenden Rechtmäßigkeit auf den Abbruch zu verzichten“.
Der Stadtbaurat hat so seine eigne Theorie, warum mancher Mitbürger im letzten Moment gegen ein öffentliches Projekt mit dem Denkmalschutz als Begründung quer schießt. Denkmalschutz sei als Begriff in der Öffentlichkeit zunächst mal positiv besetzt. „Wer sich dafür einsetzt, steht dann automatisch immer auf der Seite der Guten, die soziale Reputation wächst“, glaubt Krauße.
Nur noch als TV-Kulisse gut
Oft interessiert sich jahrelang niemand für das meist ungenutzte Gebäude. Wenn dann die Stadt aber endlich eine sinnvolle Verwendung vorantreibt, rücken die obligatorischen Quertreiber an. In Ingolstadt beispielsweise sollte der weitgehend leer stehende Nordbahnhof vor drei Jahren in ein öffentliches Parkhaus umgewandelt werden, ein vernünftiger Plan in einer Stadt mit kontinuierlich wachsender Bevölkerung. Doch kaum wurde das demokratisch legitimierte Projekt öffentlich bekannt, machten die Bedenkenträger in einer Bürgerinitiative Front. Nur mit Mühe und nach zähen Debatten konnte die Stadt ihr Anliegen durchsetzen.
Konrad Schupfner (CSU), Bürgermeister der 5700 Einwohner zählenden Kleinstadt Tittmoning im Landkreis Traunstein, ist kein Gegner des Denkmalschutzes. Man spürt es, wenn er über die Geschichte der Kommune an der Salzach spricht. Das Städtchen wirkt nicht nur wie die Kulisse zu einem historischen Film – es diente tatsächlich mal als solche: Tittmoning war Schauplatz der Außenaufnahmen einiger Folgen der BR-Fernsehserie Königlich Bayerisches Amtsgericht.
Erst 1816, nach dem Wiener Kongress, kam Tittmoning zu Bayern. Und wenn der Bürgermeister heute über die Grenze ins nur einen Katzensprung entfernte Land Salzburg schaut, dann mag er sich mitunter fragen, ob der territoriale Wechsel seiner Heimat alles in allem gut getan hat. Denn nicht nur, dass seither die politische und wirtschaftliche Bedeutung sank – auf österreichischer Seite wird auch eines der drängendsten Probleme von Tittmoning wesentlich großzügiger gehandhabt: der Denkmalschutz. „Wenn sich da nichts ändert, dann werden wir für die Zukunft stark benachteiligt werden“, bangt der Rathauschef. Kürzlich auf einer Tagung der bayerischen Verwaltung für ländliche Zusammenarbeit in Eichstätt machte Konrad Schupfner seinem Unmut in einer Wortmeldung Luft – unter dem Applaus hunderter Bürgermeisterkollegen aus dem ganzen Freistaat. Zustimmung kam auch vom zuständigen bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) – ob sich was ändern wird, ist die Frage.
Denn kürzlich meldete wieder ein Investor im Rathaus von Tittmoning Interesse an, ein Kaufhaus mit Vollsortiment wollte er errichten auf einer Fläche von 1200 Quadratmetern. Doch hätte der Investor seine Vorstellungen nur umsetzen können, wenn man ihm das volle Entkernen des alten Gebäudes erlaubt hätte. Weil er dann aber eine Mauer nicht rausnehmen durfte, habe er auf die Investition verzichtet, klagt der Bürgermeister. Der Stadt, die touristisch nicht unbedingt zu den frequentiertesten Destinationen im Freistaat gehört, ging damit dringend benötigte Gewerbesteuer verloren.
Aber nicht nur für die öffentliche Hand, auch für Privatleute können die Auflagen des Denkmalschutzes zum teuren Vergnügen werden. „Beispielsweise wird von ihnen häufig gefordert, dass alte Putze erhalten werden müssen“, berichtet Schupfner. „Doch die benötigten Materialien sind teuer.“ Dabei seien die meisten Häusle-Eigner in seiner Kommune finanziell keineswegs auf Rosen gebettet.
Das Dilemma: Nachvollziehbare Transparenz besteht kaum, wenn ein Bauwerk in den Status der Denkmalwürdigkeit rutscht, was quasi über Nacht geschehen kann. Der Entscheidungsspielraum der einzelnen Denkmalschützer – darunter viele Kunsthistoriker – ist sehr hoch. Fachlich gibt es vor allem in kleineren Verwaltungen kaum Leute, die deren Urteil fundiert Paroli bieten könnten. Da spielt es dann auch kaum mehr eine Rolle, wie weit die Pläne einer Kommune für das betreffende Areal schon gediehen sind. „In schlimmen Fällen können Investoren gegenüber der Stadt Regressforderungen geltend machen“, bedauert der Fürther Stadtbaurat Krauße. „Und dauernd kommen neue Denkmäler dazu.“ Eine finanzielle Kompensation für somit möglicherweise entgangene Einnahmen erhalten die Städte in der Regel nicht. Schleichend wird auf diese Weise durch eine Landesbehörde die kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. (André Paul)
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