Kommunales

Öffentliche Sitzungen sind ein deutlicher Schritt hin zu mehr Demokratie - gerade in den Kommunen. (Foto: DAPD)

08.06.2012

Mehr Licht in die "Dunkelkammern der Demokratie"

Bereits sechs bayerische Städte lassen bei Aufsichtsratssitzungen kommunaler Tochterunternehmen die Öffentlichkeit zu

In Passau war letztendlich Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) das Zünglein an der Waage: Mit sieben zu sechs Stimmen haben die Stadträte im Finanzausschuss beschlossen, dass Aufsichtsratssitzungen der städtischen Töchter (Stadtwerke, WGP, Event) künftig öffentlich abgehalten werden.
Damit haben sich inzwischen sechs bayerische Städte zu dieser transparenten Art der Kommunalpolitik entschlossen. Das GmbH-Gesetz, das heuer 120 Jahre alt wird, kennt diese Öffnung nicht. Seine Gründungsväter haben nicht daran gedacht, dass es einmal Gesellschaften geben wird, die mit Steuergeldern hantieren: städtische Tochterunternehmen, die kommunalen GmbHs.
Die „Öffentlichkeit“ dieser Gremien kann – wie in den Stadtratssitzungen – durch eine geteilte Tagesordnung in „öffentlich“ und „nicht-öffentlich“ hergestellt werden. Die Geheimhaltungspflicht, auf die sich kommunale Gesellschaften laut GmbH-Gesetz berufen könnten, wurde nach Klagen der Passauer ÖDP durch höchstrichterliche Urteile bereits im Jahr 2006 aufgehoben. Den Medien werden seitdem die Tagesordnungspunkte mitgeteilt, die nicht der Geheimhaltung unterliegen. Künftig können sie als Beobachter die Sitzungen auch besuchen.
Welcher Stadtrat stimmt in seiner Rolle als Aufsichtsrat wofür, welche Begründungen werden von den einzelnen Mitgliedern bei wichtigen Entscheidungen angeführt? Beispielsweise, wenn es um Preiserhöhungen, um den Takt des Nahverkehr, um die ökologische Ausrichtung des Energieversorgers geht. Solche Fragen interessieren viele Bürger, weil sie wissen wollen, wie sich ihr gewählter Stadtrat in solchen Debatten verhält.
In Passau, das 1997 für den Umbau zum „Unternehmen“ einen Kreativpreis durch den Bund der Steuerzahler bekam, betrifft es drei städtische Gesellschaften: für Energieversorgung und Nahverkehr (Stadtwerke), für sozialen Wohnungsbau und kommunale Grundstücksgeschäfte (WGP) und für Märkte und Messen (Event).
Mit Direktübertragungen von Stadtratssitzungen gehört Passau zu den Vorreitern für ein „gläsernes Rathaus“. Als treibende Kräfte für durchschaubare Kommunalpolitik tauchen immer wieder zwei Namen auf: Max Stadler (FDP) und Urban Mangold (ÖDP). Während Stadler sich mit viel Energie für die Internetübertragungen der Stadtratssitzungen einsetzte und bei der GmbH-Frage – seiner Auffassung als Jurist entsprechend – für eine rechtsgültige Gesetzesänderung auf Bundesebene kämpft, stemmt sich Mangold seit jeher gegen die verschlossenen kommunalen Gesellschaften. Er nennt sie „Dunkelkammern der Demokratie“. „Letztendlich geht es bei diesem Thema um das Geld der Bürger und um die grundsätzliche Frage, inwieweit Politik privatisiert und die Öffentlichkeit ausgesperrt werden darf“, sagt Mangold, der früher selbst als Journalist tätig war.


Termine oft nur auf Anfrage


Ein Seitenhieb gegen seine Stadtratskollegen von FDP/PAL und CSU lässt er nicht aus: „Gegen eine Öffnung für die Bürger und Medien sperren sich ausgerechnet jene, die Internetübertragungen ohnehin öffentlicher Sitzungen zur Transparenz-Wunderwaffe erklären.“
Was die Abstimmung anbetraf, war diese Kritik berechtigt: Stadler und seine Fraktionskollegen von FDP/PAL, sowie die Stadträte von CSU und FWG stimmten gegen den Transparenzbeschluss. Sie sahen sich dem geltenden GmbH-Gesetz verpflichtet und folgten Stadtjustiziar Heinz-Günter Kuhls, der den Vorstoß aus eben diesem Grund ablehnte.
Aber: Wer sollte ernsthaft Klage führen, dass eine Kommune ihren Bürgern mehr Einblick in ihre Tochter-Gesellschaften gewährt? Oberbürgermeister Dupper sprach von einer „Phantomdebatte“, weil die Stadt heute schon ausführlich über die Beschlüsse der GmbHs berichte, die nicht der Geheimhaltung unterliegen. Er zeigte Verständnis für Stadlers Haltung, verwies aber darauf, dass eine bundespolitische Entscheidung noch lange auf sich warten lassen könne - und lässt bis dahin das „Passauer Stadtrecht“ gelten: Er stimmte für Mangolds Antrag.
In den fünf anderen bayerischen Städten, welche laut Auskunft des Städtetags bereits die Öffentlichkeit erlauben, gibt es trotzdem einige Unterschiede. Die einen üben sich in Transparenz vorbildlich, die anderen kneifen in der Praxis.
Seit Juli 2011 bestehen in Bamberg die Aufsichtsratssitzungen der Stadtwerke aus einem öffentlichen und nicht-öffentlichen Teil. „Die Presse kann jederzeit dem öffentlichen Teil beiwohnen“, sagt eine Sprecherin. Eine Nachfrage beim Lokalblatt Fränkischer Tag ergab, dass die Redakteure von diesem Angebot offenbar nichts wissen. Das kann daran liegen, dass sie sich selbst kümmern müssten, denn Termine und Tagesordnungspunkte werden nur auf Anfrage bekannt gegeben.


Private Partner überrascht


In Ingolstadt sind Aufsichtsratssitzungen mit einem öffentlichen Teil seit jeher „keine Besonderheit“, heißt es hier. Bei allen städtischen Töchtern würde es so gehandhabt. Von der Lokalzeitung Donaukurier sei grundsätzlich ein Beobachter vertreten. Diese Transparenz sei auch dann nicht aufgegeben worden, als sich vor gut zehn Jahren die Mannheimer MVV Energie AG, eine teilweise privates Unternehmen, mit 48 Prozent an den Stadtwerken Ingolstadt beteiligte. Der Konzernsprecher des Mannheimer Partners, von den teilweise öffentlichen Aufsichtsratssitzungen informiert, zeigt sich sichtlich überrascht.
Als die Deggendorfer Stadtwerke sich 2000 in eine kommunale GmbH verwandelten, änderte sich für die Redakteure der Deggendorfer Zeitung angeblich nichts: Es gibt offenbar nichts zuverbergen: Die Journalisten erhalten nach wie vor die Tagesordnung der öffentlich zu behandelnden Themen per Fax. Sie können also keine Aufsichtsratssitzung verpassen.
Seit knapp drei Jahren soll auch in Würzburg der Aufsichtsrat teilweise öffentlich tagen. Doch Pressevertreter sind kaum vertreten. Es gibt verschiedene Gründe. Wegen der knappen Personaldecke haben Redakteure der Main-Post nicht mehr die Zeit, solche Termine wahrzunehmen. Der schnelle Weg ist der bewährte: Man ruft nach der Sitzung seine Informanten an. Die Stadtwerke selbst verzichten übrigens darauf, Einladungen zu verschicken oder die öffentlichen Tagesordnungspunkte von sich aus bekannt zu geben.
Im Prinzip sind die Aufsichtsratssitzungen in Amberg getrennt in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil – aber bei den Stadtwerken offenbar nur auf dem Papier. Fast alle Tagesordnungspunkte seien stets als „nicht-öffentlich“ deklariert, weiß eine Mitarbeiterin. „Belanglose Dinge werden öffentlich abgehandelt, wichtige, wie Preiserhöhungen hinter verschlossenen Türen“, sagt ein Redakteur der Amberger Zeitung. Mehr Transparenz lieferten durch öffentliche Aufsichtsratssitzungen die anderen Stadttöchter wie Wohnungsbau oder Klinik. (Hubert Denk)

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