Die Empörung über die geplante sogenannte „Blaue Plakette“ schlägt bei den Kommunalen Spitzenverbänden immer höhere Wellen. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, spricht von einem „Kurieren an Symptomen statt einer wirksamen Ursachenbekämpfung“. Auch der ADAC protestiert, Umweltschützer dagegen freuen sich.
Worum geht es? Die Umweltminister von Bund und Ländern haben sich auf die Einführung einer „Blauen Plakette“ für Autos mit geringem Schadstoffausstoß verständigt. Anders als bei den aktuellen Plaketten in rot, gelb und grün, die sich um die Feinstaubbelastung drehen, soll die blaue helfen, hohe Belastungen mit Stickoxiden (NOx) in den Innenstädten zu reduzieren. Stickoxide greifen beim Menschen die Schleimhäute und den Atemapparat an, sie gelten auch als verantwortlich für Herz- und Kreislauferkrankungen. Weil in einigen deutschen Großstädten die von der EU festgelegten NOx-Grenzwerte häufig überschritten werden, hat die EU-Kommission im vergangenen Jahr ein Vertragsverletzungsfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Politik steht deshalb unter Handlungsdruck. Kommunen mit besonders schlechter Luft sollen allerdings selbst entscheiden können, ob sie in ihren Stadtzentren Fahrbeschränkungen für Autos ohne blaue Plakette aussprechen.
Beim Gemeindebund erwartet man durch die Maßnahme keinen großen Vorteil für die allgemeine Volksgesundheit: "So sehr eine Stickstoffdioxid-Senkung zur Verminderung von Schadstoffen sowie zum Schutz der Gesundheit nötig ist, so zweifelhaft ist es, ob Fahrverbote für bestimmte PKW tatsächlich die gewünschte umweltentlastende Wirkung in den Städten entfalten," ist Hauptgeschäftsführer Landsberg überzeugt. Schon die Einrichtung der Umweltzonen habe in der Vergangenheit gezeigt, dass „ordnungsrechtliche Maßnahmen an ihre Grenzen stoßen. Emissionen machen nicht an den Grenzen einzelner Städte halt“, schimpft der Verbandschef. Hinzu komme ein erheblicher zusätzlicher Kontrollaufwand. Zur Verbesserung der Gesundheits-und Luftqualität in den Städten sollte mehr in die Entwicklung emissionsarmer Motoren investiert werden, fordert Gerd Landsberg.
ADAC fordert bessere Verkehrssteuerung in den Innenstädten
Auch beim ADAC regt sich Protest. Aus der Sicht des Vereins würde eine "Blaue Plakette" für besonders schadstoffarme Fahrzeuge die Mobilität zu sehr einschränken. Das angedachte Fahrverbot sei unverhältnismäßig, da auf deutschen Straßen derzeit rund 13 Millionen Dieselfahrzeuge unterwegs seien, die nicht den geplanten Anforderungen entsprächen. Der Club sieht dagegen die Autohersteller in der Pflicht: Um den Ausstoß an Stockoxiden zu minimieren, sollten neue, bereits vorhandene Technologien in den Autos eingesetzt werden. "Die technischen Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung sind längst vorhanden und müssen nur eingesetzt werden", meint ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.
Darüber hinaus raten auch die Experten des ADAC zu einer verbesserten, adaptiven Verkehrssteuerung in den Städten. Dazu gehörten etwa grüne Wellen und intelligente Verkehrsleitsysteme. Weiterhin sei der verstärkte Einsatz von alternativen Antrieben von hoher Wichtigkeit für die Reduzierung der Schadstoffe: Das gelte insbesondere für Speditions- und Lieferantenfahrzeuge mit einer hohen Fahrleistung in den Städten.
Die Politik zeigt sich bei dem Thema gespalten. Während Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die aufgebrachten Autofahrergemüter mit dem Hinweis beschwichtigt, „dass 2017 nicht plötzlich 13 Millionen Dieselfahrzeuge aus den Städten ausgesperrt werden“, tituliert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt als „vollkommen unausgegoren und mobilitätsfeindlich“. „Das Ergebnis wäre ein faktisches Einfahrtverbot für Dieselfahrzeuge“, sagte der CSU-Politiker der Bild. Das werde er nicht akzeptieren.
Zufrieden über die Maßnahme äußert sich der Bund für Umwelt und Naturschutz. „Nach wie vor wie vor weist die Luft in zahlreichen Städten eine zu hohe Schadstoffbelastung auf. Grenzwerte werden vor allem für Stickstoffdioxid überschritten. Die Einführung einer „Blauen Plakette“ zur Kennzeichnung von Fahrzeugen mit besonders niedrigem Stickoxid-Ausstoß ist Voraussetzung, um die Erfolgsgeschichte der Umweltzone zur Minderung des Feinstaubs auch im Hinblick auf andere, gesundheitsschädliche Luftschadstoffe fortzusetzen“, so die Öko-Organisation in einem offiziellen Statement. (André Paul)
Kommentare (1)