Die Delphin-Lagune in Nürnberg kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nun ist fraglich, wer für die Sanierung der vier Jahre jungen und bereits maroden Lagune aufkommen muss. Die fundamentalistischen Gegner der Delphin-Haltung greifen den drohenden Kostenstreit freilich dankend auf. In Wirklichkeit dürfte es ihnen aber nicht um die Rettung von Steuergeldern gehen. Mit ständiger Kritik soll der Zoo generell lahmgelegt werden.
Größer, schöner, tiergerechter: Eigentlich wollte der Tiergarten Nürnberg mit dem Bau der Delphin-Lagune den Kritikern der Zootierhaltung den Wind aus den Segeln nehmen. Daraus ist bislang nichts geworden. Seit dem Bau des deutschlandweit ersten Außenbeckens für Delphine reihen sich die Pannen wie Perlen an einer Kette hintereinander. Nun muss die Lagune bereits vier Jahr nach der Fertigstellung aufwendig saniert werden, weil die Becken teilweise undicht sind.
Die Pannenserie gibt den Kritiken der Delphin-Haltung immer wieder neues Pulver für ihre Attacken. Jetzt kommt es ganz dick. Neues Ungemach droht gleich von mehreren Seiten. Erstens könnte laut Nürnbergs Stadtkämmerer Harald Riedel am Ende der Steuerzahler für die Reparaturkosten aufkommen. Über deren tatsächliche Höhe ist derzeit noch nichts bekannt. Die Stadt macht die beauftragten Firmen für die Baumängel der 31 Millionen Euro teuren Lagune verantwortlich.
Stadt erarbeitet Sanierungsplan
„Die Stadt erarbeitet derzeit einen Sanierungsplan für die Lagune. Wenn der Plan steht, wird es Gespräche mit den betroffenen Firmen und Planern über die Sanierungskosten geben“, erklärt der für den städtischen Tiergarten zuständige Bürgermeister Christian Vogel (SPD). Entgegen der Einschätzung der Lagune-Gegner gehe die Stadt derzeit nicht davon aus, die Kosten für die Sanierung der Anlage, zu der auch ein Tropenhaus für Seekühe gehört, alleine tragen zu müssen. Zunächst wolle Vogel versuchen, eine „gütliche Einigung über die Erstattung der Sanierungskosten“ mit den beteiligten Firmen zu erzielen. Falls dies nicht gelingt, will Vogel vor Gericht ziehen.
Billig dürfte die Sanierung nicht werden. Vermutet wird, dass die Reparaturkosten die Millionengrenze in jedem Fall spielerisch übersteigen werden. Allein die Ertüchtigung des alten Delphinariums, das während der Reparaturarbeiten an der Lagune als Ausweichbecken dienen soll, verschlingt eine kleine siebenstellige Summe. Nicht ganz klar ist außerdem, welche Rolle eine Klausel im Vertrag zwischen Stadt und Planungsbüro spielt.
Der Leiter des Rechtsamtes der Stadt, Walter Lindl, wies kürzlich darauf hin, dass die Stadt eine Vertrag mit dem fraglichen Planungsbüro, das für den Fehler verantwortlich sein soll, abgeschlossen habe, bei dem die Versicherungssumme auf 300 000 Euro begrenzt sei. Diese Begrenzung gelte laut Lindl nur dann nicht, wenn die Planungsfirma „grob fahrlässig“ gehandelt habe. Wenn der Firma keine Schuld nachgewiesen werden kann, so das Fazit von Lindl, müsse die „Stadt und damit jeder Bürger“ für den übrigen Schaden aufkommen.
Mit Zuschüssen die Eintrittspreise stützen
Dieser Einschätzung widerspricht Tiergarten-Bürgermeister Vogel auf Nachfrage. „Die Vertragsklausel legt lediglich fest, bis zu welchem Betrag mindestens Versicherungsschutz bestehen muss. Die generelle Haftung des Planungsbüros selbst wird dadurch nicht begrenzt“, ist sich Vogel sicher. Allerdings räumt er ein, dass umstritten sei, ob das Planungsbüro grob fahrlässig gehandelt habe. „Die Frage wird dann näher zu untersuchen sein, falls keine gütliche Einigung über die Erstattung der Sanierungskosten gefunden werden sollte.“
Die Kritiker des Tiergartens werfen der Stadt außerdem vor, ihren Bürgern bei den tatsächlichen Kosten für den Bau der 2011 eröffneten Lagune keinen reinen Wein einzuschenken. 31 Millionen hat die Delphin-Lagune Euro gekostet. 3,5 Millionen flossen aus dem Stadthaushalt direkt in den Bau. Knapp acht Millionen wurden über Spenden finanziert. Die fehlenden 20 Millionen Euro erhielt der Tiergarten als verzinsten Kredit von der Stadt, der derzeit laut Tiergarten-Direktor Dag Encke jährlich mit rund einer Million getilgt werde.
Jürgen Ortmüller vom Wal- und Delphinschutz-Forum (WDSF) sagt, der Steuerzahler müsse am Ende für diesen 20-Millionen-Kredit bezahlen, weil die Stadt den Zoo jährlich mit 2,5 Millionen subventioniert. Stadtkämmerer Riedel hat den Vorwurf der „Trickserei“ zurückgewiesen. Mit den Zuschüssen wolle die Stadt die Eintrittspreise niedrig halten.
Apropos: Auch hier halten die Kritiker dem Tiergarten vor, dass sich die Besucherzahlen durch den Bau der Lagune nicht dramatisch verbessert haben. „Der Tiergarten hatte mit einem Besucherzuwachs auf 1,18 Millionen Besucher kalkuliert. Diese Marke wurde nicht erreicht. Es konnte lediglich der Neugierde-Effekt für die ersten zwölf Monate erreicht werden. Danach fielen die Besucherzahlen wieder auf das statistische Jahresmittel von 1,07 Millionen Besucher ab“, sagt Tiergarten-Direktor Encke.
Allerdings lasse jeder Besucher mehr Geld im Zoo, weil mit dem Bau der Lagune die Eintrittspreise von Zoo und Delphinarium zusammengefasst worden seien. Ein Erwachsener bezahlt heute 13,50 Euro für den Eintritt in den Tiergarten inklusive Lagune. Am Geld endet freilich nicht die Kritik der Zoo-Gegner. Dem Tiergarten werfen sie außerdem den Einsatz von Psychopharmaka wie Diazepam vor. Nach Meinung von Tierrechtsorganisationen wie Animal Rights Watch würden die Psychopillen gegen Depressionen und Aggressionen verabreicht, die „durch die tierquälerischen Haltungsbedingungen hervorgerufen“ werden.
Diesmal platzte dem Zoo-Direktor der Kragen. Die Kritik sei Schwachsinn, ärgerte sich Encke öffentlich. Das Medikament sei nie dauerhaft an Tiere verabreicht worden. Encke räumt ein, dass vor einigen Jahren junge Delfine derartige Valium-Präparate erhielten, um Aggressionen zu unterdrücken. Daniela Rickert vom Veterinäramt der Stadt springt dem Zoo-Direktor zur Seite. Nur in enger Abstimmung und in begründeten Fällen würden derartige Medikamente verabreicht.
Vorwurf der fehlenden Fachkenntnis an Kritiker
Den Kritikern wirft Rickert fehlende Fachkenntnis vor. Gerade Delphine würden die geringsten Verhaltensanomalien in Gefangenschaft zeigen. Bei der Verpaarung von großen Raubkatzen seien sedierende Medikamente unbedingt hilfreich, um Mord und Totschlag im Gehege zu vermeiden. Gelegentlich seien sie auch als Appetitanreger hilfreich.
Sandra Franz von Animal Right Watch gibt offen zu, dass es der Tierschutzorganisation nicht um einzelne Kritikpunkte geht. „Wir lehnen jede Tiernutzung für menschliche Bedürfnisse pauschal ab“, sagt Franz und meint damit auch den Verzehr von allen tierischen Produkten. Die Organisation veranstaltet vegane Straßenfeste mit dem Motto: Ein Herz für Tiere – ohne Milch und Eier. Die Methode der Zoo-Kritiker erinnert vor diesem Hintergrund an die berühmte Taktik der 1000 kleinen Nadelstiche. (Nikolas Pelke)
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