Kultur

Sinn für Skurriles ließ Trinkgefäß wie dieses hier in Form eines gotischen Schnabelschuhs (um 1600) entstehen. (Foto: Jürgen Karpinski)

08.06.2012

Berauschender Prunk

Das Bayerische Nationalmuseum zeigt Pokale aus der Sammlung Oetker

Wenn das keine berauschende Ausstellung ist! Schließlich kann man nicht nur von Alkohol, sondern auch von Schönheit beschwipst werden. Den Beweis liefert das Bayerischen Nationalmuseum in München, das süddeutsche Prunk-Pokale des 16. bis 18. Jahrhunderts präsentiert – hauptsächlich Werke aus den Goldschmiedezentren Nürnberg und Augsburg. Die Faszination des Sammelns heißt die Schau, weil sie Meisterwerke der Goldschmiedekunst aus der Privatsammlung des Industriellen Rudolf-August Oetker (1916 bis 2007) zeigt. Und leider werden die rund 80 erstrangigen Exponate nach Beendigung der Ausstellung wohl in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr öffentlich zu sehen sein. Schon darum sollte man diese letzte Gelegenheit nutzen, sich an ihrer Schönheit satt zu trinken.
Eröffnet wird der Rundgang durch die effektvoll abgedunkelten Räume, in denen einem die Goldschätze entgegenfunkeln, mit einem kunsthandwerklichen Paukenschlag: dem berühmten, nun endlich im Original zu bestaunenden „Harsdorfer Pokal“ (1580/1591). Das vom Goldschmied Abraham Jamnitzer gefertigte Gefäß diente als eine Art „dynastisches Monument“ der Nürnberger Patrizierfamilie Harsdorfer. Über einem von fein gearbeiteten Elefanten getragenen Fuß erhebt sich da eine Trinkschale aus Elfenbein, und den Deckel krönt das farbige, bis in winzige Einzelheiten ausgearbeitete Miniaturmodell einer Burganlage.
Detailverliebte Erzählfreude ist ein wesentliches Merkmal der Pokale mit ihren oft figürlichen Motiven. Besonders deutlich wird das an dem von Hans Kellner um 1603 geschaffenen Doppelpokal, der wie ein kleiner Bienenkorb aussieht, an dem außen die fleißigen Insekten herumkrabbeln. Das Prachtstück, das von der Nürnberger Patrizierfamilie Tucher in Auftrag gegeben wurde, diente vermutlich als „Willkomm“, mit dem Gäste auf dem für seine Imkerei berühmten Landgut der Familie bei Feucht feuchtfröhlich begrüßt wurden. Benützt hat man die Prunk-Pokale überwiegend zu besonderen Anlässen, etwa rituellen Umtrünken der Handwerkszünfte.
Dennoch mischt sich die repräsentative Funktion der Gefäße oft mit ihrer praktischen – gilt die frühe Neuzeit doch auch als „Zechperiode“. Eine gewisse berauschte Heiterkeit zeigt sich darum auch in der Gestaltung sogenannter Scherzgefäße und Trinkspiele: Zu sehen sind höchst preziös gearbeitete Pokale in Form von Schiffsmodellen oder kleinen Windmühlen, deren Flügel man durch anblasen rotieren lassen konnte – wobei die Aufgabe des trinkfesten Zechers darin bestand, den Becher zu leeren, ehe die Windmühle stillstand. Bei fürstlichen Auftraggebern hingegen waren vor allem Pokale beliebt, in die exotische „Naturalien“ wie Straußeneier oder Kokosnüsse eingearbeitet wurden. Ein besonders prächtiges Beispiel dieser Wunderkammer-Stücke ist ein Nautilus-Pokal (1650/1660), bei dem die spiralig gewundene Muschel-Schale als Trinkgefäß dient.
In Ergänzung zu diesen hochkarätigen Dokumenten der Trinksittengeschichte zeigt das Nationalmuseum eine Studioausstellung über Silberbecher von der Renaissance bis zur Gegenwart. Von 2009 stammen etwa Stefan Strubes Becher aus kanneliertem Beton mit Silberrand. In ihrer heimtückischen Schlichtheit bilden sie den fast ein bisschen wohltuenden Kontrapunkt zur überschäumenden Pracht der Goldpokale. (Alexander Altmann)

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