„You are new in town? You play an instrument?“, fragen die kleinen, bunten Handzettel – und versprechen lustige Leute, ein besseres Deutsch und „bavarian lifestyle“. Das Ganze ist kein Vorbereitungskurs fürs nächste Oktoberfest, sondern seit 2010 ein ernst zu nehmendes Kunstprojekt: „MiO. Münchner Internationales Orchester“ für junge Leute, die als Studenten oder Berufstätige nach München kommen und klassische Musik spielen wollen: samt Proben und jedes Jahr mit zwei richtigen Konzerten. Der nächste Auftritt findet am 30. Juli im Nymphenburger Maria-Ward-Gymnasium statt.
Neue Musik fördern
Wir haben uns mit Aljoscha Leonhardt getroffen, der seit dreieinhalb Jahren dabei ist, und mit der Hornistin Kazuki Kinukawa aus Kyoto. Sie ist Austauschstudentin für Politikwissenshaft, hat ihr Horn aus Japan nach München mitgeschleppt und beim „welcome day“ der Uni vom MiO gehört. Die Atmosphäre fand sie sehr schön, sie hat eine Probe besucht und durfte schnell mitspielen beim finnischen Programm damals.
Denn das internationale Orchester spielt immer Konzerte mit einem internationalen Schwerpunkt: dieses Jahr ist er Spanien gewidmet.
Musikerin will Kazuki Kinukawa nicht werden, sondern in den diplomatischen Dienst geht. Aber das MiO, das hat ihr das Eingewöhnen in Deutschland richtig erleichtert.
Orchestervorstand Aljoscha Leonhardt, der eigentlich aus Mühldorf am Inn stammt, war vier Jahre in England und hat bei einer Studentenorchester-Probe in Cambridge erlebt, „was für ein schönes Gefühl es ist, da als Ausländer mitzumachen“. Genau das war auch der Gedanke der MiO-Gründungsväter, die aus allen möglichen Fakultätsecken stammten.
Das erste öffentliche Konzert war eher ein Faschingsschwoof. Inzwischen ist das Orchester enorm gewachsen und hat 70 Mitglieder. Als eingetragener Verein hat das MiO zwei Ziele: die Förderung internationaler Beziehungen durch die Musik und die Förderung Neuer Musik. Dabei gibt es keine Festlegungen der Teilnahmezeit oder etwa einer Ausländerquote. Auf dem Flyer steht: „international, social, exciting“, was bisher 30 Studenten aus 20 Ländern angelockt hat. Die lieben nicht nur das Musikmachen, sondern auch das Familiäre beim MiO-Stammtisch, bei Ausflügen ins Oberland oder beim Fachsimpeln nach den Proben. Das jüngste Mitglied ist derzeit 20 Jahre alt – 40 Jahre ist die Alters-Obergrenze. Zwei Drittel sind Studenten, ein Drittel sind Ingenieure, Ärzte, Musiker.
Die Strukturen sind, so gut es geht demokratisch: Eine Programmgruppe arbeitet drei Konzertvorschläge aus, das Orchester stimmt darüber ab.
Über die Aufnahme ins MiO bestimmt nach einem Vorspiel ein Team aus Vorstand, Stimmführer, Dirigent. Auch der wird gewählt (für eine unbestimmte Zeitspanne): Seit 2011 leitet der Profi-Dirigent Christopher McMullen-Laird das Orchester – aus beruflichen Gründen scheidet er nun aus. Neu gewählt unter 30 Bewerbern wurde Michael Mader, ansonsten seit 2011 „maestro suggeritore“ an der Bayerischen Staatsoper.
Ernst bei der Sache
Mit einer stärkeren Fluktuation als andere Orchester hat das MiO zu leben gelernt: nur etwa 60 Prozent der Musiker bleiben mehr als ein Semester. Die Konzertmeisterin ist allerdings schon seit dreieinhalb Jahren dabei. Wer gerade kein Instrument im Gepäck hat, dem hilft man, eins zu mieten.
Das klingt nicht nur so, das ist auch ein ziemlich offenes System. Aber Aljoscha Leonhardt sagt, dass man die Vorspiele, dann die Proben und das Klassikrepertoire sehr ernst nimmt und sich auch an die großen Symphonien von Sibelius oder Tschaikowsky traut.
Offen für Migranten
Sprachprobleme gibt es nicht – man hilft sich gegenseitig. Noch nicht erreicht hat das MiO die Welle von vielleicht auch musikalisch gebildeten Migranten: „Aber wir sind offen, auch dafür!“ Selbst wenn jemand den ohnehin geringen Mitgliedsbeitrag von 20 Euro pro Semester (für Studenten) nicht bezahlen kann oder die 5 Euro für eine Eintrittskarte.
Der Etat des Orchesters liegt zwischen 15 000 und 20 000 Euro, Noten leiht man sich beim Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester. Am teuersten sind die Kompositionsaufträge für ganz Neue Musik. Das hat man sich bisher zwei Mal geleistet: 2012 vom Norweger David Grant, 2013 vom Italiener Simone Corti – wobei die Komponisten auf ein Honorar verzichtet haben.
Beim Konzert am 30. Juli setzt man allerdings lieber auf die Konzert-Schlachtrösser von Bizet bis Rimski-Korsakow – alles, was mit Spanien zu tun hat. (
Uwe Mitsching)
www.mio-home.de
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