Kultur

Zum Fotoshooting ins Atelier Frankonia kam auch diese Trachtengruppe aus Murnau. Die Aufnahmen wurden präzise koloriert. (Foto: BNM)

15.07.2011

Verschollen und wieder aufgetaucht

Jahrhundertfund im Bayerischen Nationalmuseum: Waldschmidts Trachtenfotos sind doch noch da!

Der Dichter und Schriftsteller Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt (1832 bis 1919) ist heute weitgehend vergessen. Trotzdem gibt es noch in vielen bayerischen Orten – besonders im Bayerischen Wald – Straßen, Gebäude oder Denkmäler mit dem Namen des Ende des 19. Jahrhunderts meistgelesenen Autors. Seine bekanntesten Werke sind Die Fischerrosl von St. Heinrich und Am goldenen Steig. Von seinem vielseitigen Wirken profitieren wir ohne es zu wissen noch heute. Zum Beispiel machte er das Böhmerwaldlied bekannt, gründete den ersten Fremdenverkehrsverein in Bayern und dachte sich schon 1884 ein Programm aus, „um das geradezu langweilige und einförmige Oktoberfest aufzufrischen“.
Aber erst 1895 wurde er mit der Vorbereitung zur Wiesn beauftragt; dafür reiste er 50 Tage lang durchs Königreich, um längst vergessene Trachten ausfindig zu machen und die Leute zu überreden, sich auch in ihnen in München zu zeigen. Schließlich erschienen auf dem Fest 1400 Personen in mehr als 150 Gruppen und bildeten den ersten Trachtenumzug zum Oktoberfest, der die Bevölkerung begeisterte.
Nun mit dem Beinamen „Kostüm-Schmidt“ versehen, ließ er von den Teilnehmern im Atelier Frankonia Fotos anfertigen, die teilweise sehr detailliert koloriert wurden. Er wollte ein illustriertes Trachtenwerk herausgeben, da er den Rückgang und die Veränderung der alten Trachten beobachtete. Wie sein Urenkel Rolf Schmidt erzählt, plante er, den vergriffenen „Lipowsky“ zu ersetzen: Felix Joseph Freiherr von Lipowsky, Archivar der bayrischen Ständeversammlung, brachte 1830 eine Sammlung Bayerischer National-Costüme heraus. Als aus Waldschmidts Editionsplänen nichts wurde, übergab er dem Bayerischen Nationalmuseum mehr als 100 auf sein Betreiben erstellte große kolorierte Trachtenbilder.
Trotz mehrmaliger Nachfragen des Urenkels und auch des Autors Helmut Kreutzer waren sie dort lange Zeit mit dem Hinweis auf „wahrscheinlich Kriegsschaden“ nicht auffindbar. Kreutzer schrieb über seine Recherchen in der Zeitschrift Literatur in Bayern (1998, Heft 52): Demnach gibt es im Zugangsbuch II, 92 des Bayerischen Nationalmuseums folgenden Eintrag vom 28. Mai 1898: „Photogr. Z. Th. Colorirte Aufnahmen vom bayer. Trachtenzug i. J. [kein Eintrag] Gek. v. h. Hofrath Schmid 150. – [darunter von anderer Hand] = Graphische Sammlung [Sammlungskomplex im Haus gemeint] Nr. [kein Eintrag].“ Der Autor merkte an: „Bei den vielen Tausenden von Blättern ist es Zufall, wenn die Aufnahmen gefunden werden.“
Das mochte BSZ- und Unser Bayern-Autorin Anja Behringer, die momentan eine ortshistorische Arbeit über Waldschmidt in Tutzing beendet, so nicht hinnehmen. Bei Anfragen im Jahr 2010 stieß sie freilich immer noch auf Kopfschütteln: im Nationalmuseum ebenso wie in anderen Münchner Museen und bei Experten. Doch vor einem Monat kam Bewegung in ihre Nachforschungen: Eine geduldige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Volkskunde (die seit geraumer Zeit ohne Leitung ist) machte sich aufgrund recht genauer Beschreibungen der Fotos auf die Suche im Haus – und wurde tatsächlich fündig: Sie entdeckte drei Schachteln mit zum Teil kolorierten Fotos. Das waren die vermissten Waldschmidt-Hinterlassenschaften. Nach einem Schriftvergleich zeigte sich, dass Waldschmidt die auf Karton aufgezogenen Bilder auch selbst betitelt hatte. (BSZ)

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