Wenn in der bayerischen Verfassung vom Ehrenamt die Rede ist, sind Schöffen, Vormünder oder Vereine gemeint. Dabei gibt es immer mehr innovative Bürgerprojekte abseits der traditionellen Ehrenämter wie zum Beispiel Häuser der Eigenarbeit oder für nachhaltiges Wirtschaften. „Junge Menschen können oder wollen sich nicht mehr in klassischen Vereinsstrukturen einfinden“, erklärt Freiwilligenberaterin Rosário Costa-Schott im Maximilianeum. Sie würden sich zwar sehr intensiv, aber beispielsweise aufgrund beruflicher Veränderungen nicht mehr so lange wie früher einbringen können. Diesen Menschen, verlangt Costa-Schott in ihrem für die SPD-Fraktion erstellten Gutachten, müsste die Verfassung ebenfalls Rechnung tragen. „Die Staatsregierung hat aber bisher nicht auf dem Radar, welche Beteiligungsformen es überhaupt gibt.“
Die SPD-Abgeordnete und Ehrenamtssprecherin der Fraktion Ruth Waldmann hat die Ergebnisse jetzt aufgegriffen und daraus nach Rücksprache mit Verbänden und Organisationen einen Gesetzentwurf konzipiert. „Menschen haben andere Ansprüche als in früheren Zeiten“, erklärt sie. Bürger erwarteten, eingebunden, ernst genommen und gehört zu werden – das werde inzwischen beispielsweise bei jedem größeren Bauprojekt deutlich. Waldmann möchte daher mit dem Gesetz die Koordinierungszentren für bürgerschaftliches Engagement in unterversorgten Regionen ausbauen und bestehende finanziell stärken. Zusätzlich fordert sie die Einrichtung eines „Landesbeirats Bürgerschaftliches Engagement“, der die Struktur der runden Tische verstetigt und Parlament, Regierung sowie die Öffentlichkeit berät.
Außerdem soll die Stelle eines hauptamtlichen Landesbeauftragten geschaffen werden. Zwar gibt es im Freistaat mit Markus Sackmann bereits einen so genannten Ehrenamtsbotschafter der Staatsregierung. „Wir wollen aber eine Person, die wie der Landesbeauftragte für Datenschutz mit einer eigenen Geschäftsstelle am Landtag angesiedelt ist“, erläutert Waldmann. Die bisherige Struktur sei zu sehr auf Sackmann zugeschnitten und dem 2013 per Volksentscheid in die Verfassung aufgenommenen Staatsziel Ehrenamt „nicht angemessen“.
Das Gesetz sieht Ausgaben von 29 Millionen Euro vor - pro Jahr
Des Weiteren will die SPD mit dem Gesetzentwurf die Ehrenamtskarte auf eine rechtlich und finanziell sichere Basis stellen. „Wichtig ist, dass bei Ermäßigungen in Museen und von Fahrscheinen der Freistaat in die Bresche springt und die Kosten am Ende nicht die Kommunen zahlen“, verdeutlicht Waldmann. Darüber hinaus soll eine Stiftung für bürgerschaftliches Engagement innovative gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Projekte finanzieren. Nicht zuletzt ist geplant, Ehrenamt als Erziehungsziel im Schulunterricht mit aufzunehmen.
All die Vorschläge kosten natürlich Geld. Die SPD-Fraktion rechnet durch das Gesetz mit jährlichen Ausgaben von über 24 Millionen Euro für den Freistaat und über fünf Millionen Euro für Kommunen (siehe Info). „Das sind aber Kleinigkeiten“, rechnet der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann vor. Rund 36 Prozent der über 14-Jährigen in Bayern seien freiwillig engagiert. Sie würden jedes Jahr 710 Millionen Stunden ehrenamtlich arbeiten. „Legt man den Mindestlohn von 8,50 Euro zugrunde, beträgt die Wertschöpfung 6,1 Milliarden Euro pro Jahr“, erklärt Pfaffmann. Deutschlandweit seien es sogar 4,6 Milliarden Arbeitsstunden mit einer Wertschöpfung von 40 Milliarden Euro.
„Schluss mit Sonntagsreden, und in die Zukunft schauen“, fordern daher die SPD-Abgeordneten unisono von der Staatsregierung. Der Gesetzentwurf soll jetzt nach der Sommerpause in den Landtag eingebracht werden. „Wir hoffen sehr, dass er im Parlament dann eine entsprechende Würdigung findet.“(David Lohmann)
INFO: Veranschlagte Kosten des SPD-Gesetzes
Kosten für den Staat: 1) Durch den Personalausbau in den Koordinierungszentren käme es zu Ausgaben von 18,5 Millionen Euro pro Jahr. Hinzuaddiert werden müssten jährlich 102 000 Euro und ein veranschlagter Sachaufwand von 80 000 Euro durch das Personal in der Geschäftsstelle des Landesbeirats. Für die Vergütung von Reisekosten sind 18 000 Euro vorgesehen. Und für die Vollzeitstelle des Landesbeauftragten rechnet die SPD-Fraktion mit weiteren 78 000 Euro im Jahr. 2) Die SPD nimmt an, dass 80 Prozent der bayerischen Ehrenamtskartenträger den freien Eintritt in staatliche Museen nutzen. Das würde jährliche Kosten von rund 280 000 Euro verursachen. Außerdem sollen Kartenbesitzer 25 Prozent Rabatt im öffentlichen Personennahverkehr erhalten, was voraussichtlich weitere fünf Millionen Euro kosten werde. 3) Die Stiftung Bürgerschaftliches Engagement soll darüber hinaus ein Grundstocksvermögen von einmalig einer Million Euro erhalten. Dazu kämen laufende Zuschüsse durch den Freistaat in Höhe von 100 000 Euro pro Jahr.
Kosten für die Kommunen: 1) Für die Koordinierungszentren rechnet die SPD mit einem Sachaufwand von 4,8 Millionen Euro pro Jahr – 50 000 Euro pro Zentrum. 2) Durch den freien Eintritt in kommunale Museen ergäben sich jährliche Kosten von zirka 42 000 Euro. 3) Hinzu sollen Zuschüsse von insgesamt 400 000 Euro pro Jahr für die Stiftung Bürgerliches Engagement kommen. Soweit den Kommunen durch das Gesetz Kosten entstehen, so die SPD, „ist ihnen durch den Staat ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.“ (loh)
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