Leben in Bayern

Oft steht Radfahrenden nur wenig Raum zur Verfügung. Und wenn Auto- und Fußgängerverkehr hinzukommen, passieren noch mehr Unfälle. (Foto: dpa/Lino Mirgeler)

19.04.2024

Bluterguss und Platzwunde

Mit dem Beginn der Radlsaison steigt auch die Unfallgefahr – das liegt vor allem daran, dass sich viele nicht an die Verkehrsregeln halten

Seit sich die Bäume und Sträucher anschicken, ihre Blätter und Blüten auszutreiben, geht es auch wieder rund auf den Radlwegen in der Stadt. Warme Temperaturen lassen viele ihre Drahtesel satteln, um so zum Beispiel zum Arbeitsplatz zu gelangen. Doch was früher eine eher beschauliche Angelegenheit war, ist dank E-Bikes, Lastenrädern, E-Rollern und den Fahrern von Lieferdiensten zu etwas Gefährlichem geworden. Und wer einen Fahrradunfall erleidet, kann sich glücklich schätzen, wenn der Verursacher über eine Haftpflichtversicherung verfügt.

Dieses Glück im Unglück hatte die 63-jährige Anneliese Stör (Name von der Redaktion geändert). Die Sekretärin war an einem Junitag auf dem Heimweg von der Arbeit, als sie durch einen anderen Radfahrer zu Fall gebracht wurde. Denn als sie an der Ampel bei Grün losfahren wollte, wurde sie von einem hinter ihr anfahrenden Liegeradfahrer angestupst, sie verlor das Gleichgewicht und stürzte auf die Fahrbahn, das Rad fiel auf sie drauf.
„Ich habe mir das Knie blutig geschlagen“, erinnert sie sich. Sofort aber waren zwei junge Frauen zur Stelle, die halfen. Und sich auch als Zeugen für den Unfall zur Verfügung stellten. Ohnehin war auch der Unfallverursacher sehr bemüht und schrieb der Sekretärin seine Personalien auf. Die ging am nächsten Tag zum Arzt und dann zum Rechtsanwalt. Die Abwicklung der Schadenersatzforderungen erwies sich als problemlos, hatte doch der Unfallverursacher eine Haftpflichtversicherung, die anstandslos zahlte.

Nach den Schmerzen kamen die Probleme

Ganz anders erging es Anton Fusseder (Name ebenfalls von der Redaktion geändert). Er fuhr mit seinem Fahrrad an einem Maitag die Leopoldstraße stadteinwärts, als er von dem Fahrer eines Lebensmittellieferanten bedrängt und zu Fall gebracht wurde. „Ich fiel vom Rad, meine Brille ging kaputt und ich hatte eine Platzwunde am Kopf“, schildert der 69-Jährige den Unfall.

Es kam die Polizei und auch ein Krankenwagen, der ihn in das Schwabinger Krankenhaus brachte; dort blieb er, bis die Wunde genäht wurde. Nach den Schmerzen kamen die Probleme: Der Unfallverursacher, ein kaum Deutsch sprechender Tunesier, hatte zwar der Polizei die Personalien genannt, aber sie gab diese nicht an Anton Fusseder weiter. Der musste erst einen Rechtsanwalt einschalten, der Akteneinsicht erhielt. Die Rechtsanwaltskanzlei bezifferte den Schaden inklusive Schmerzensgeld auf 4485 Euro und setzte mehrere Schreiben an den Unfallverursacher auf. Der aber antwortete nicht. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen inzwischen eingestellt, weil kein öffentliches Interesse vorlag.

Anton Fusseder hätte nun Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung stellen müssen, um seine Forderungen voranzutreiben. Dazu wären aber erst einmal 1000 Euro Gerichtskostenvorschuss fällig geworden. An diesem Punkt wollte der Rentner nicht mehr. Er blieb schließlich auf den Kosten von 800 Euro für den Anwalt und die 800 Euro für die neue Brille sitzen, ganz zu schweigen von einem Schmerzensgeld.

Fall drei. Die Laimer Unterführung im Westen der Stadt von der Fürstenrieder Straße zur Wotanstraße ist ein gefürchtetes Pflaster: Hier müssen sich Fußgänger*innen, die zur S-Bahn wollen, den Tunnel mit Fahrradfahrenden teilen.

Zeugen gesucht nach Unfall in Laimer Röhre 

Teilweise leicht abschüssig, erreichen diese in der Röhre eine ziemliche Geschwindigkeit. „Die Situation ist eine Katastrophe“, sagt Josef Mögele, Bezirksausschussvorsitzender in Laim, schon lange. Wie gefährlich dort das Radfahren sein kann, hat kürzlich Laura Krug an einem Donnerstag im März erfahren. Als sie in der Laimer Unterführung mit ihrem Rad auf dem Heimweg war, kamen ihr zwei Fußgänger entgegen, einer verfing sich in ihrem Lenker und sie stürzte. „Ich finde diese Unterführung schrecklich“, so die 29-Jährige. Sie erlitt Prellungen und Stauchungen, ihr neues E- Bike kam zu Schaden.

Auch hier nahm die Polizei die Personalien des mutmaßlichen Unfallverursachers auf, der schlecht Deutsch sprach und anscheinend keine Haftpflichtversicherung hatte. Laura Krug ließ sich im Krankenhaus auf Blessuren untersuchen, jetzt liegt der Radlunfall bei ihrem Rechtsanwalt. In der Laimer Unterführung hat sie Zettel angeklebt, mit denen sie nach Zeugen ihres Unfalls sucht.

Bezirksausschussvorsitzender Mögele sieht derzeit nur eine Lösung für die Laimer Röhre, wenn sich dort die Verhältnisse nicht ändern: „Die Räder müssen raus.“ Fünf Ortstermine hat der Bezirksausschuss zum Thema schon durchgeführt, Maßnahmen wie Sperren oder Schwellen hatten sich als nicht praktikabel erwiesen. Schwierig sei es auch, dass die Bahn quasi die Oberhoheit über die Röhre habe.

„Die Zahl der Radlunfälle vor allem mit schweren Folgen ist trotz vieler polizeilicher und straßenbaulicher Maßnahmen zu hoch“, hatte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann diesen Februar die Verkehrsunfallstatistik des vergangenen Jahres kommentiert. Danach ist die Zahl der getöteten Radfahrer 2023 mit 85 weiter angestiegen (2022 waren es 84 gewesen). Rund jeder sechste getötete Verkehrsteilnehmende in Bayern war also mit dem Fahrrad unterwegs.

Insgesamt ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrer*innen 2023 in Bayern mit 19 455 Fahrradunfällen (einem Minus von einem Prozent) leicht zurückgegangen. Einen leichten Rückgang von 0,8 Prozent gab es auch bei den verletzten Radlfahrern (2023: 18 145; 2022: 18 296). Herrmann: „Wir werden unsere Anstrengungen für noch sichereres Radlfahren weiter verstärken.“

Konsequente Kontrollen angekündigt

Dazu soll es umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen, aber auch konsequente Kontrollen der Polizei geben. Denn Herrmann ist sich sicher: „Wenn sich alle immer an die Verkehrsregeln halten und gegenseitig Rücksicht nehmen würden, hätten wir erheblich weniger Unfallopfer zu beklagen.“ (Rudolf Stumberger)
 

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