Liegender Akt mit Katze, Rotes Bild mit Pferden und Vogel im Winterwald hießen drei der 14 Bilder, die seit 1995 aus einer Privatsammlung auftauchten und die renommierte Auktionshäuser wie Christie’s, Sotheby’s oder Lempertz versteigerten. Die Kölner Schwestern Helene Beltracchi und Jeanette Spurzem hatten sie angeblich von ihrem Großvater geerbt. Die Bilder trugen die Namen von berühmten Künstlern wie Max Pechstein, Max Ernst und Heinrich Campendonk.
Doch die Gemälde waren gefälscht. Wolfgang Beltracchi, der Mann von Helene Beltracchi, hatte sie selbst gemalt. Das gestand er jüngst vor dem Landgericht Köln. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Seine Frau Helene muss für vier Jahre, der Komplize Otto S.-K. für fünf Jahre ins Gefängnis. Helene Beltracchis Schwester Jeanette Spurzem erhielt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung. Das Gericht sprach das Quartett des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs schuldig.
Fast zehn Millionen Euro Schaden sollen der Kunstszene entstanden sein. Das Bild Liegender Akt mit Katze beispielsweise ersteigerte die renommierte Galerie Henze & Ketterer 2003 beim Kunsthaus Lempertz – der stolze Preis: 430 000 Euro. Bei Henze & Ketterer sah es der Würzburger Kunstsammler Hermann Gerlinger. Er sammelt Werke der Brücke-Künstlergruppe, eine expressionistische Gruppierung, die 1905 in Dresden entstand und zu der auch der Max Pechstein zählt.
„Verschiedene Expertenmeinungen ließen keine Zweifel an der Echtheit des Bildes Liegender Akt mit Katze von Pechstein“, erinnert sich Gerlinger. Das Gemälde hatte ein Echtheitssiegel von Ernst Ludwig Kirchner, dem Gründer der Brücke-Künstlergruppe. Selbst der Sohn des angeblichen Malers Max Pechstein hat gegenüber dem Kölner Kunsthaus Lempertz eine mündliche Echtheitsbestätigung abgegeben. Außerdem gibt es ein authentisches Aquarell zum Gemälde von Max Pechstein, an dem sich der Fälscher orientiert hat.
Mit einem guten Gefühl erwarb Sammler Gerlinger deshalb kurzerhand das Ölgemälde Liegender Akt mit Katze im Tausch gegen ein Gemälde aus seiner Sammlung mit einem Wertausgleich. Über genaue Summen will Gerlinger nicht sprechen. „Es geht um Kunst“, sagt er. Doch es dürften mehr als die von der Galerie bezahlten 430 000 Euro gewesen sein.
Gerlinger kaufte seine ersten Werke in den 1950er Jahren. Heute hat er die größte Privatsammlung an Brückewerken, die er als Dauerleihgabe in der Moritzburg in Halle an der Saale ausstellt. Gerne erzählt Gerlinger davon, wie er mit seiner Frau Hertha 1975 beim Brückekünstler Karl Schmidt-Rottluff saß und Tee trank. Beide waren fasziniert von dem Werk Du und ich. Schmidt- Rottluff hatte es für seine Frau zur Hochzeit gemalt. Gerlinger fragte ihn, ob sich vorstellen könne, dass es an ihn ginge. Wenige Wochen später kam ein Brief: Schmidt-Rottluff hatte das Bild für Gerlinger reserviert. Gerlinger pflegte, soweit möglich, engen Kontakt zu den Künstlern und Angehörigen. So konnte er immer sicher sein, dass die Werke echt waren.
Die Gier verdirbt den Markt
René Allonge, Leiter der Dienststelle für Kunstkriminalität beim LKA Berlin, leitete die Ermittlungen in Sachen Beltracchi: Im Juni 2010 erstattete eine Berliner Anwältin, deren Klient das Rote Bild mit Pferden erworben hatte, Anzeige, weil Zweifel an der Echtheit des Bildes aufkamen. Ebenso wie Gerlingers Bild stammte das Gemälde angeblich aus der Sammlung von Helene Beltracchis Großvater. „Wir ließen 13 Gemälde beschlagnahmen“, sagte Allonge vom LKA. Das Bild in Gerlingers Besitz wurde nicht beschlagnahmt. Am 5. August 2010 hat er es freiwillig dem bayerischen Landeskriminalamt übergeben, um von amtlicher Seite feststellen zu lassen, ob das Bild echt oder falsch ist.
Das Gemälde wurde im Rathgen-Forschungslabor in Berlin untersucht. Es wurde mit UV-Licht und Infrarot bestrahlt, um Vorzeichnungen auf der Leinwand zu erkennen. Anschließend folgte eine Analyse der Farbpigmente und Bindemittel.
Erst im Dezember 2010, fast ein halbes Jahr nach der Übergabe des Bildes, stand nach einer chemischen Analyse fest, dass das Bild gefälscht war. In der grünen Farbe des Bildes hatten die Chemiker Spuren von Phthalocyanin gefunden – ein Stoff, der erst 1927 entdeckt und ab 1935 in den Farbhandel gelangte. Unmöglich konnte mit dieser Farbe 1909 ein Gemälde entstanden sein – doch auf dieses Jahr war das Gemälde Liegender Akt mit Katze datiert.
Gerlinger musste Häme über sich ergehen lassen. „Würzburger geleimt“, schrieb eine Zeitung. Viele der Geschädigten wurden belächelt, weil sie die Fälschung nicht erkannt hatten. In seinem Wohnzimmer schlägt Gerlinger ein Kunstbuch aus dem Jahr 2004 auf und deutet auf ein Aquarell, das wie eine Vorlage der Kunstfälschung aussieht. „Dies ist ein Beleg für das Vorgehen von Fälschern. In diesem Fall gibt es ein authentisches Aquarell des Künstlers Pechstein, das der Fälscher als exakte Vorlage benutzt und danach das Ölgemälde abgemalt hat“, sagt er.
Eine andere Vorgehensweise sei, dass ein Fälscher Teile aus authentischen Werken übernimmt und zu einer neuen Komposition zusammensetzt. Dies und eine fast perfekt gefälschte Provenienz, die Vorgeschichte des Bildes, hätten die Kopien so echt erscheinen lassen. Gerlinger bezeichnet das Gemälde als „sehr raffinierte Fälschung“. Rahmen und Leinwand haben die Betrüger auf dem Trödel gekauft, denn sie stammten aus der Zeit, in der das Bild entstanden sein soll.
Wolfgang Beltracchi muss für die Fälschung von 14 Gemälden sechs Jahre ins Gefängnis. Verurteilt wurde das Quartett wegen gewerbsmäßiger Urkundenfälschung und Betruges. Denn in Deutschland gibt es keinen Tatbestand der Kunstfälschung. „Das Höchststrafmaß in solchen Verfahren bei mehreren Fällen liegt bei 15 Jahren Haft“, erklärt Christian Hoppe, Sprecher des Landgerichts Köln. Die Richter hätten im Verfahren strafmildernd berücksichtigt, dass die Angeklagten geständig waren und keine Vorstrafen hatten. Das Gericht ging von einem Schaden von 9 bis 10 Millionen Euro aus. Ob die Geschädigten Geld zurückbekommen, müssen nun Zivilgerichte klären. Hier können die Käufer Schadensersatzansprüche einklagen.
Gerlinger selbst entstand kein Schaden. Er konnte das Tauschgeschäft mit der Galerie Henze & Ketterer rückgängig machen.
Während seiner Untersuchungshaft hat Wolfgang Beltracchi immer wieder mit Stolz und Arroganz über seine Fälschungen gesprochen. „Ich malte Gemälde, die im Werk eines Künstlers eigentlich nicht hätten fehlen dürfen“, zitiert ihn der Stern. Und ergänzte, dass es ihm richtig Spaß gemacht habe, die Werke zu fälschen.
Gerlinger ist deshalb sehr enttäuscht von dem Kölner Urteil. „Fälscher stellen sich gerne in den Prozessen zur Schau. Sie wollen berühmt werden und mit ihren Werken später viel Geld verdienen“, sagt er. Dass das Gericht für das Geständnis von Beltracchi die Haftstrafe verkürzte, kann er nicht verstehen: „Wer sich mit seiner Tat in einem Geständnis brüstet, darf dafür nicht belohnt werden.“
Geldanlage statt Kunst
Auch echauffierte sich Beltracchi in dem Prozess über den Kunsthandel: „Ich mochte den Kunstmarkt und die Galeristen nicht besonders“, sagte er. Man müsse wissen, wie der Kunstmarkt funktioniert, wo die Gier am größten sei. Eine Kritik, die auch aus dem Munde Gerlingers stammen könnte: „Es gibt Leute, die viel Geld für Kunstwerke ausgeben, weil sie hoffen, dass die Preise steigen. Das sind keine Kunstsammler, sondern Kapitalanleger. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Kunst zu tun“, sagt Gerlinger. Diese Kapitalanleger machten es den wahren Sammlern schwer, ihre Sammlung zu ergänzen, denn bei derart hohen Preisen könne Gerlinger nicht mithalten.
Gerlinger hat eine andere Kunstphilosophie: Er kauft Werke, die vom Markt in ihrer Bedeutung noch nicht erkannt wurden. Es ist dabei natürlich wichtig, das Schaffen der Künstler genau zu kennen. „Wir pflegten den Kontakt zu Schmidt-Rottluff nicht, um besonders preisgünstig zu kaufen. Er hatte ganz feste, aber angemessene Preisvorstellungen“, sagt Gerlinger. Der wahre Grund für den engen Kontakt zum Künstler sei die Möglichkeit, besonders wichtige Werke zu erwerben, wie zum Beispiel Du und ich. Es waren oft Bilder, die der Künstler über lange Jahre für sich selbst verwahrt hat.
Als Gerlinger das Buch mit dem Aquarell Liegender weiblicher Akt mit Katze wieder in sein Bücherregal räumt, fällt ihm ein Satz neben dem Aquarell auf: „Nach der vorliegenden Zeichnung entstand auch ein Ölgemälde, das Pechstein in seinen Lebenserinnerungen als eines seiner Hauptwerke des Jahres 1909 hervorhebt.“ Es gab also tatsächlich ein Gemälde zum Aquarell. Vielleicht wurde es im Krieg zerstört. Die Hoffnung Gerlingers ist zwar gering, „aber vielleicht kommt eines Tages das echte Gemälde wieder auf. Schön wäre es, wenn es dann in der Sammlung in der Moritzburg hängen könnte“, sagt er. (Felix Scheidl)
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