Für die Augsburger Feuerwehr war das alles andere als ein guter Start ins Jahr 2017. Eine Silvesterrakete – gezielt auf ihn abgeschossen – verletzte einen Feuerwehrmann an Hinterkopf und Auge. Kollegen, die ihm zu Hilfe eilten, wurden ebenfalls attackiert. „Ich bin maßlos enttäuscht darüber, wie einzelne Bürger, mit uns umgehen“, klagt Friedhelm Bechtel, Sprecher der Augsburger Feuerwehr.
Das Schlimme: Das ist kein Einzelfall. Immer öfter berichten Einsatzkräfte, dass sie „blöd angemacht“ werden, erklärt Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Feuerwehrverbands Bayern. Das gehe bis hin zu tätlichen Angriffen. 274 Feuerwehrleute und Einsatzkräfte des Rettungsdienstes wurden in Bayern laut Polizeistatistik im Jahr 2015 Opfer von Gewalt. Auch die Attacken auf Polizisten nehmen zu. 2015 wurden 2051 Beamte verletzt (2014: 1887) und fast 15 000 angegriffen. Statistisch gesehen ist laut Innenminister Joachim Herrmann „mindestens jeder dritte Polizist beleidigt, bespuckt, bedroht, geschlagen oder getreten worden“.
Maas und Bausback uneins
Seit Jahren fordern Staatsregierung, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, Gewalt gegen Amtsträger härter zu bestrafen. Ende Dezember hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einen Entwurf vorgelegt, der unter anderem vorsieht, dass bereits Störungen von Helfern geahndet werden können. Ein Angriff auf Polizei- oder Rettungskräfte soll laut Maas-Entwurf als eigener Straftatbestand gelten – mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren. Bislang liegt die Höchststrafe bei drei Jahren. Zufrieden ist Bayerns Justizminister Winfried Bausback damit allerdings nicht. Er will eine höhere Mindeststrafe: sechs Monate. Außerdem möchte er Polizei- und Rettungskräfte nicht nur im Rahmen von konkreten Diensthandlungen schützen, wie es der Entwurf vorsieht. Ein Angriff auf einen uniformierten Beamten auf dem Heimweg falle da nämlich nicht darunter.
Dass aus Berlin aber endlich das Signal kommt, derlei Gewalt ernst zu nehmen, freut Bausback: „Wir zeigen auch durch angemessene Strafrahmen, dass wir hinter denen stehen, die tagtäglich in erster Reihe für unsere Sicherheit sorgen.“ Auch die Landtagsparteien finden das gut – bis auf die Grünen. „Reflexartig nach Strafverschärfungen zu rufen ist nicht sehr sinnvoll“, meint Katharina Schulze, Vize-Vorsitzende der Landtags-Grünen. Studien belegten, dass höhere Strafandrohungen nicht abschreckten. Stattdessen sollte man klären, warum so viele Verfahren eingestellt würden, so Schulze.
Das fordert auch die Gewerkschaft der Polizei. Der Landesvorsitzende Peter Schall betont: „Wichtiger als die theoretische Strafandrohung ist, dass die Justiz diesen Strafrahmen auch ausschöpft.“ Sein Eindruck ist, dass Gerichte aufgrund von Überlastung Verfahren einfach einstellen oder, um Berufungen zu vermeiden, mit sehr milden Urteilen ahnden.
Ein weiteres Problem: Nicht nur Vollzugsbeamte und Rettungskräfte sehen sich zunehmender Aggression ausgesetzt. „Das betrifft alle Bereiche des öffentlichen Dienstes“, klagt Rolf Habermann, Vorsitzender des bayerischen Beamtenbundes. „Wir müssen uns einer Verrohung unserer Gesellschaft entgegenstellen.“ Ob bei Bahnmitarbeitern oder Angestellten von Jobcentern und Sozialbehörden – die Klagen nehmen zu. Auch immer mehr Lehrkräfte werden Opfer von Gewalt. Nach einer Studie des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) hat rund ein Fünftel der knapp 100 000 Lehrkräfte in Bayern physische oder psychische Gewalt erlebt. BLLV-Vorsitzende Simone Fleischmann begrüßt deshalb die Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen, die eine „dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung“ als „strafverschärfenden Umstand“ im Strafrecht aufnehmen will. Attacken auf Politiker, Lehrer oder auch Ehrenamtliche in sozialen Projekten, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, fielen darunter. Auch Freie Wähler und Grüne halten das für eine gute Idee.
Bei Justizminister Bausback aber fällt der Entwurf durch: „Auch wenn ich das Ziel grundsätzlich unterstütze, schafft der Vorschlag mehr Probleme, als er löst“, sagt er. Strafbemessungsregeln sollten an objektive Umstände knüpfen. Das sieht auch Paul Wengert so, innenpolitischer Sprecher der Landtags-SPD: „Wie wäre denn zum Beispiel ein Angriff auf den Hausmeister einer Behörde zu werten, der als solcher nicht ohne Weiteres erkennbar ist?“, fragt er. Außerdem gebe es auch einen qualitativen Unterschied, betont Florian Herrmann (CSU), Vorsitzender des Innenausschusses im Landtag. „Ein Polizist nimmt ganz andere Gefahrenlagen in Kauf als ein normaler Staatsbediensteter.“ (Angelika Kahl)
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