Politik

Von dem Wissen der Münchner Bundeswehr-Uni will auch die bayerische Polizei profitieren: Vertragspartner ist seit einem Jahr das Landeskriminalamt mit seiner Zentralen Ansprechstelle Cybercrime. (Foto: dpa)

05.08.2016

Cyber-Unis helfen Behörden

Bei der digitalen Terrorabwehr arbeiten Polizei und Bundeswehr in Bayern längst zusammen

Könnte der so genannte Islamische Staat mit seinen IT-Kenntnissen einen Cyber-Anschlag auf ein Atomkraftwerk in Europa verüben? Experten wie der Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union Gilles de Kerchove warnen zumindest davor – wenn die Länder nicht schleunigst in Hacker-Abwehrmaßnahmen investieren. So verwundert es nicht, wenn die Bundesregierung mit dem Programm „Selbstbestimmt und sicher in der digitalen Welt 2015 – 2020“ vor allem die Forschung über Themen wie Industrie 4.0, kritische Infrastrukturen, digitale Forensik oder Datenschutz mit 180 Millionen Euro unterstützt. Davon profitiert besonders die Bundeswehr-Universität in München.

Die 1973 unter Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD) gegründete Uni soll zum größten und modernsten staatlichen Forschungszentrum für Cyber-Sicherheit aufsteigen. 15 Millionen Euro jährlich will sich die Bundesregierung das Hochsicherheitsgebäude zur Cyber-Forschung innerhalb der neuen Bundeswehr-Einheit „Cyber und Informationsraum“ kosten lassen, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Staatszeitung versichert. Hinzu kommen für dieses und nächstes Jahr weitere zehn Millionen Euro für elf neue Professoren, die ab 2018 zunächst 70 Studierende auf einem 7000 Quadratmeter großen Laborgelände in dem internationalen Masterstudiengang Cyber-Sicherheit unterrichten sollen.

Allein die Bundeswehr hatte 2015 bundesweit mit 7200 Infektionen durch Schadsoftware und 71 Millionen sicherheitsrelevanten Zugriffsversuchen an zentralen Internetübergängen zu kämpfen. Dank der praxisnahen Forschung des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie im nordrhein-westfälischen Wachtberg aber „ohne wesentliche Schäden“, wie das Ressort von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betont. Das Institut kooperiert neben der Bundeswehr mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der Bundespolizei. Des Weiteren fördert das Forschungsministerium mit jeweils neun Millionen Euro jährlich drei IT-Kompetenzzentren in Saarbrücken, Darmstadt und Karlsruhe.

Auch die Justiz in Bayern kooperiert mit Unis

Laut bayerischem Wissenschaftsministerium ist das Thema Cyber-Sicherheit auch an den Hochschulen des Freistaats aus den angewandten Informatiken kaum mehr wegzudenken. Schwerpunkte bilden die Technische Uni in München, die Friedrich-Alexander-Uni in Erlangen-Nürnberg und der bayerische Forschungverbund „ForSEC“ für die Sicherheit hochgradig vernetzter IT-Systeme – insbesondere an den Unis in Regensburg und Passau. „Die Fachhochschulen konzentrieren sich auf anwendungsnahe Forschung und Transfer in die Wissenschaft“, erklärt ein Sprecher von Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU). So arbeite beispielsweise die Hochschule Augsburg mit der „Forschungsgruppe für IT-Security und digitale Forensik“ zusammen.

Seit Juli dieses Jahres kooperiert zudem die Uni Bamberg mit der Zentralstelle Cybercrime Bayern bei den Generalstaatsanwaltschaften Bamberg. Diese ist seit Januar 2015 bayernweit für die Bearbeitung herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich Cyberkriminalität zuständig. Dazu gehört vor allem die Bekämpfung des Handels mit Waffen, Sprengstoff, Drogen und Kinderpornographie. Ziel der Kooperation ist, sich über „neue informationstechnische und kriminologische Entwicklungen sowie Möglichkeiten ihrer Erkennung, Abwehr und Bekämpfung“ auszutauschen, erklärt Oberstaatsanwalt Matthias Huber der BSZ.

Die Cyber-Forschung der Hochschulen dient allerdings auch der eigenen Sicherheit. „Wie andere öffentliche Institutionen sind auch die bayerischen Hochschulen von Cyberattacken betroffen“, berichtet Michaela Biermayer von der Hochschule Bayern. Erst im Frühjahr gab es an der Uni Nürnberg-Erlangen einen Hackerangriff, der Drucker wie von Geisterhand rassistische Hetzschriften ausdrucken ließ. Wie stark die staatliche Hochschullandschaft insgesamt betroffen ist, weiß die Staatsregierung nicht – eine Meldepflicht für Sicherheitsvorfälle besteht nicht. Dem Wissenschaftsministerium sind aber Angriffe durch Bot-Netze, Infizierungen mit Schadsoftware und Identitätsdiebstähle durch Phishing bekannt. Die Hochschule Bayern fordert daher eine IT-Infrastruktur, mit der die Hochschulen den Herausforderungen einer zunehmenden Digitalisierung gerecht werden. Immerhin sind laut Ministerium bisher keine irreparablen Datenverluste oder materiellen Schäden im Hochschulbereich bekannt geworden.

Von dem Wissen der Bundeswehr-Uni will auch die bayerische Polizei profitieren. Vertragspartner ist seit einem Jahr das Landeskriminalamt mit seiner Zentralen Ansprechstelle Cybercrime. „Kooperationsbereiche bestehen in der Zusammenarbeit der Aus- und Fortbildung oder auch in der gegenseitigen Unterstützung bei der Beobachtung, Identifikation und Bewertung von relevanten Technologie- und Anwendungsfeldern“, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums. Zudem stehe das Cyber-Allianz-Zentrum beim Landesamt für Verfassungsschutz mit dem Forschungszentrum Cyber Defence (CODE) der Bundeswehr-Uni und mit weiteren Hochschulen in „vertrauensvollem Kontakt“.

Doch was nützt die beste Kooperation ohne ausreichend Mitarbeiter? Nachdem sich der Amokschütze von München seine Waffe im Darknet besorgt hat, will Innenminister Joachim Herrmann (CSU) daher 50 weitere so genannte Cybercops bei der Polizei einstellen. Während die Gewerkschaft der Polizei in Bayern die verbesserte Bekämpfung von Internet- und Computerkriminalität begrüßt, ist die Opposition im Landtag skeptisch.

Die aktuell 50 Spezialisten reichten bei Weitem nicht aus, meinen die Freien Wähler. „Wir brauchen hier mindestens 70 neue Stellen, die auch schnell besetzt werden müssen“, verlangt Bernhard Pohl. Florian Ritter (SPD) warnt davor, die angekündigten Stellen durch Umschichtungen innerhalb der Polizei zu schaffen. „Leider war das schon oft der Fall, wenn Abteilungen verstärkt wurden.“ Und Katharina Schulze (Grüne) mahnt im Gespräch mit der BSZ, die Polizei müsse ein attraktiverer Arbeitgeber werden, um mit der zahlungskräftigen Wirtschaft konkurrieren zu können. Sie fordert daher, in technischen Berufen ein höheres Einstiegsgehalt zu ermöglichen. Zusätzlich sollen Beamte auch in der Fläche zum Thema Cyberkriminalität geschult werden. „Ein paar neue Cybercops“, unterstreicht die Grüne, „reichen eben nicht aus.“ (David Lohmann)

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