Die AfD führt in Bayern eine seltsame Schattenexistenz: In den Umfragen geht es seit September auch für den bayerischen Landesverband der Alternative für Deutschland nach oben - aber kaum jemand kennt die Vertreter der rechtskonservativen Partei im Freistaat. „Acht Prozent für eine Partei, die es nicht gibt“, seufzten im November manche Landtagsabgeordnete nach Veröffentlichung der jüngsten Bayern-Umfrage des Hamburger Umfrageinstituts GMS.
Tatsächlich gibt es die AfD in Bayern. Der Landesverband ist vorhanden und hat Überraschungen zu bieten. Der seit Oktober amtierende Landesvorsitzende Petr Bystron ist anerkannter Asylbewerber. „Die meisten Menschen hier sind Deutsche durch Geburt“, sagt er. „Ich bin Deutscher aus Liebe zu diesem Land.“ Bystrons Eltern kamen 1988 als Flüchtlinge aus der früheren Tschechoslowakei.
Das Etikett Rechtspopulismus ärgert den Landeschef
Das Etikett des Rechtspopulismus, das der AfD inzwischen seit dem Sturz des früheren Parteichefs Bernd Lucke fast durchgängig angeheftet wird, ärgert Bystron, der früher bei der FDP Mitglied war. „Wir sind eine Partei der Mitte“, sagt er.
In der Tat ist eine saubere Abgrenzung von konservativ zu rechtskonservativ zu rechtspopulistisch schwierig. Viele CSU-Abgeordnete halten die AfD für rechtspopulistisch, obwohl der Großteil der AfD-Forderungen in der Flüchtlingspolitik auch aus dem Munde von CSU- und Freie-Wähler-Politikern stammen könnte - seien es die Sicherung der Grenzen, schnellere Asylverfahren oder die konsequente Ausweisung abgelehnter Asylbewerber.
Und dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre und die Mitgliedschaft in der EU nicht das Ende des deutschen Nationalstaats bedeuten dürfe, wären in der CSU ebenfalls mehrheitsfähige Positionen. Das gilt aber nicht für die Forderung „Merkel muss weg“. „Zu uns kommen viele Menschen von FDP und CSU, die noch etwas bewegen wollen. Und auch viele, die noch nie in einer Partei Mitglied waren“, sagt Bystron.
Deutschlandweite Schlagzeilen macht in den vergangenen Wochen hauptsächlich der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke, der auch vielen im AfD-Bundesvorstand zu weit nach rechts abgedriftet ist. Zu dem internen Konflikt möchte Bystron inhaltlich nichts sagen, und öffentlich kritisieren will er Höcke auch nicht: Der sei „ein erfolgreicher Kollege aus einem anderen Bundesland. Er verdient Respekt für seine Wahlergebnisse.“
„Für Ex-Mitglieder der NPD ist es leichter, zur CSU zu gehen als zu uns“
Doch betont Bystron, dass die AfD jedem Extremismusverdacht vorbeugen wolle: Jedes neue Mitglied werde vom jeweiligen Kreisvorstand erst nach sorgfältiger Prüfung aufgenommen. Wer vorher bei extremen Gruppen aktiv war, darf nach Bystrons Angaben nicht in die AfD. „Unsere Ausschlussliste von Gruppierungen vom linken und rechten Rand umfasst siebzig Seiten“, sagt der 43-Jährige. „Von denen nehmen wir niemand auf. Für Ex-Mitglieder der NPD ist es leichter, zur CSU zu gehen als zu uns.“
Insbesondere CSU-Politiker glauben, dass die AfD schnell wieder von der Bildfläche verschwinden wird, sobald die Flüchtlingszahlen zurückgehen. „Es ist klar, dass die AfD ohne eigenes Zutun von dem Problem der Massenmigration profitiert. Zur Lösung dieses Problems trägt die AfD nichts bei, sondern sie versucht nur, Ängste zu schüren“, wirft CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer der unerwünschten Konkurrenz auf dem rechten Flügel vor. „Die CSU ist die einzige Partei, die für eine Begrenzung kämpft.“ Wer die AfD wähle, schade den Bemühungen um eine Lösung.
Bystron und der Landesvorstand wollen die AfD nicht auf die zwei Themen Flüchtlinge und Euro-Krise beschränken und bereiten ein bayerisches Programm vor. Ein Schwerpunkt wird voraussichtlich eine konservativ-liberale Wirtschaftspolitik. „Wir sind eine Mittelstandspartei“, sagt Bystron.
Bald verschwinde die AfD wieder von der Bildfläche, glauben insbesondere CSU-Politiker
Doch ganz abgesehen von den Anstrengungen der CSU, die AfD klein zu halten, könnte diese auf ein echtes Größenproblem stoßen: Derzeit hat die AfD nach Bystrons Angaben in Bayern etwa 3000 Mitglieder. „Knapp die Hälfte davon in Oberbayern. Wir haben die Verluste nach dem Weggang Luckes innerhalb von nur drei Monaten wieder ausgeglichen“, sagt der Landeschef. „Es weht ein frischer Wind durch die bayerische AfD.“ Doch sind 3000 Mitglieder deutlich weniger als bei der bayerischen FDP, die seit Jahrzehnten mit der mangelnden Verankerung in den Kommunen kämpft. Bystron rechnet jedoch mit Zuwachs. (Carsten Hoefer, dpa)
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