Günther Auth hat es geschafft. Seit Anfang Januar hat er eine unbefristete Stelle als Dozent an der LMU. Die musste er sich vor Gericht erkämpfen. Gewonnen hat der Politologe aber nicht etwa deshalb, weil es grundsätzlich rechtswidrig wäre, dass eine Hochschule einen Mitarbeiter wie in Auths Fall innerhalb von zehn Jahren mit zehn Kurzzeitverträgen abspeist. Für wissenschaftliches Personal legt das Wissenschaftszeitgesetz (WissZeitVG) fest, dass bis zu zwölf Jahre befristet werden kann – bei Medizinern sind es sogar 15. Auth konnte nachweisen, dass für ihn das WissZeitVG nicht gilt. „Mit neun bis zehn Kursen pro Semester hat man gar keine Chance, sich als Wissenschaftler zu profilieren“, sagt er der Staatszeitung. Dafür allerdings eine große Aussicht auf Burn-Out-Symptome. „Doch jetzt habe ich das erste Mal in meinem Leben Planungssicherheit!“ Mit 47 und einer Partnerin mit zwei Kindern.
Auth und seine Kettenverträge sind kein Einzelfall – im Gegenteil. Über 70 Prozent der Wissenschaftler an bayerischen Hochschulen haben laut Wissenschaftsministerium einen befristeten Vertrag. Im akademischen Mittelbau – unterhalb der Professur – schätzt die Bildungsgewerkschaft GEW die Befristungsquote gar auf 90 Prozent. Doch es formiert sich Widerstand. Andreas Kruck, wissenschaftlicher Assistent am Politikinstitut der LMU, ist einer der Initiatoren der Online-Petition „Wissenschaft als Beruf – für bessere Beschäftigungsbedingungen und planbare Perspektiven“, die bereits 11 000 Unterstützer hat. Seine Forderungen lehnen sich an denen der GEW, die Mindestvertragslaufzeiten von drei Jahren für Doktoranden fordert, an: längere Vertragslaufzeiten und Entfristungsmöglichkeiten. Dazu Tenure-Tracks – in einem zeitlich befristeten Vertrag werden Zielvorgaben vereinbart, bewährt sich ein Wissenschaftler, bekommt er einen unbefristeten –, ein gängiges Verfahren in den USA. „In Deutschland dagegen ist eine Professur in der Regel die erste stabile Stelle in einer Hochschulkarriere“, sagt Kruck. „Im Schnitt sind die Leute dann 41 Jahre alt.“ Eine verlässliche Lebensplanung ist damit praktisch ausgeschlossen.
Im Landtag sieht man in erster Linie die Unis in der Pflicht
Stattdessen: ein ständiges Zittern von Vertrag zu Vertrag. „Eine Schande, der Staat ist ein schlechterer Arbeitgeber als die Wirtschaft“, kritisiert Michael Piazolo (FW), Vorsitzender des Hochschulausschusses im Landtag. Die hochschulpolitischen Sprecher aller anderen Parteien sehen das ähnlich. „Das ist nicht tolerierbar“, poltert auch Oliver Jörg (CSU), Vize-Vorsitzender des Ausschusses. Im Gegensatz zu Piazolo, Isabell Zacharias (SPD) und Verena Osgyan (Grüne), die auch in Finanzierungsdefiziten in der Hochschulpolitik eine Ursache für die prekären Beschäftigungsbedingungen sehen, weist Jörg das zurück. „Die Hochschulen erhalten überproportional mehr Geld als andere Politikfelder.“ Auch im Wissenschaftsministerium betont man: Eine Aufstockung der staatlichen Grundfinanzierung sei keine Option.
In einem sind sich die Abgeordneten jedoch parteiübergreifend einig: In erster Linie sehen sie die Unis selbst in der Pflicht. „Als verantwortungsbewusste Arbeitgeber müssen sie mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs anders umgehen“, fordert Piazolo. Und tatsächlich scheint sich etwas zu bewegen. Alle bayerischen Hochschulen wollen sich unter Beteiligung des Ministeriums im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung auf gemeinsame Standards festlegen. „Verträge unter einem Jahr soll es nicht mehr geben“, bestätigt Wolfgang A. Herrmann, Präsident der Technischen Universität München der BSZ. Ebenfalls enthalten: Die Schaffung von Dauerstellen für Daueraufgaben. Der Gesinnungswandel kommt nicht von ungefähr, wird eine Anpassung des WissZeitVG auf Bundesebene doch bereits kräftig diskutiert. Dazu kommt die parteiübergreifende Forderung aus dem Landtag, in den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen, an die der Freistaat auch Födergelder knüpft, eine Reduzierung der Zeitverträge aufzunehmen – inklusive Sanktionsmöglichkeiten.
Unis planen freiwilligen Codex – mit Minimal-Standards
Verständlich also, dass sich die Unis lieber selbst Minimal-Standards auf freiwilliger Basis verordnen. Mit der Brechstange da heranzugehen, sei nicht zielführend, betont man auch in Ludwig Spaenles Ministerium. Wissenschaftler Kruck ist das nicht genug. „Man könnte den Eindruck gewinnen, dass man vom Kernproblem ablenken will“, sagt er. Und tatsächlich: Hoffnung, dass die Zahl der Befristungen an den bayerischen Unis damit signifikant sinkt, macht auch Herrmann nicht – seine Hochschule hat mit 85,5 Prozent die höchste Befristungsquote beim wissenschaftlichen Personal. „Wir finanzieren 3000 Beschäftigte aus Drittmitteln“, betont er. Und diese würden nur für ein bestimmtes Projekt über einen bestimmten Zeitraum bewilligt. Mehr Dauerstellen seien deshalb nicht drin. Auch LMU-Präsident Bernd Huber bestätigt: „Will man die Planungssicherheit der Mitarbeiter erhöhen, muss man über ein anderes Finanzierungsmodell sprechen.“ Dass in einigen Fällen die Möglichkeit befristeter Verträge ausgenützt wird, gibt Huber zu. „Aber das ist die absolute Ausnahme“, betont er. „Mit der Selbstverpflichtung wollen wir das verhindern, ohne die Flexibilität der Hochschulen zu gefährden.“
Andreas Keller, Vize-Vorsitzender der GEW, gibt die Hoffnung nicht auf. Er setzt auf die Ansage von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), das WissZeitVG zu novellieren. „Wir erwarten bis zum Sommer Resultate“, sagt er. „Es leiden ja nicht nur die Wissenschaftler unter den Bedingungen, auch die Qualität ihrer Arbeit ist in Gefahr – wenn sie die Sorge um den nächsten befristeten Vertrag umtreibt.“ (Angelika Kahl)
Kommentare (2)