Es war alles andere als ein geglückter Start: Noch bevor Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, zum 1. Januar 2018 den Vorsitz der ARD übernahm, provozierte er mit der Forderung, den Rundfunkbeitrag zu erhöhen. Drei Milliarden Euro mehr seien ab 2021 nötig, um gravierende Einschnitte im Programm zu vermeiden. Bei Technik und Verwaltung zu sparen sei schon weitgehend ausgereizt, „denn das tun wir seit Jahren“, sagte Wilhelm.
Die Provokation liegt dabei gar nicht so sehr in der Forderung nach mehr Geld. Auch wenn sich so mancher Gebührenzahler zu Recht fragen dürfte, warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit gut acht Milliarden Euro im Jahr nicht auskommt. Tatsächlich ist der Beitrag aber bereits seit 2009 stabil, wurde 2015 auf 17,50 Euro abgesenkt – trotz der allgemeinen Teuerung der vergangenen Jahre. Der Löwenanteil des monatlichen Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro geht mit 12,31 Euro an die ARD. Das ZDF bekommt 4,36 Euro, das Deutschlandradio 50 Cent.
Die Hauptprovokation besteht darin, dass Wilhelm die Gebührendebatte anstößt, ohne eine offene Diskussion über die Reformbereitschaft der Sender zu führen. Und über eine Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrags in einer Medienwelt, die sich signifikant von der der 1950er-Jahre unterscheidet. Stattdessen kommt der Offenbarungseid: Sparpotenzial sei keines mehr vorhanden. Einzig verbleibende Lösung also: mehr Geld. Eine Lösung, die die notwendige Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern weiter gefährden dürfte. Die Schweiz sollte dabei allen Verantwortlichen als mahnendes Beispiel dienen. Dort wird am 4. März über die Abschaffung der Rundfunkgebühren abgestimmt – mit ungewissem Ausgang. Die Schweizer zahlen den höchsten Beitrag, rund 383 Euro im Jahr.
Auch in Deutschland stehen die Öffentlich-Rechtlichen unter Druck wie nie. Immer mehr Menschen sprechen dem System aus 21 TV-Sendern und 66 Hörfunkprogrammen die Existenzberechtigung ab. Nicht nur aus den Reihen der AfD. Sachsen-Anhalts CDU-Medienminister Rainer Robra forderte, die ARD als nationalen Sender abzuschaffen. Auch Horst Seehofer wollte ARD und ZDF schon zusammenlegen. Laut einer Umfrage der Welt eine Idee, die 54 Prozent der Deutschen unterstützen.
Braucht es 21 TV-Sender und 66 Hörfunkprogramme?
Dazu wird es erst mal nicht kommen, das weiß auch ARD-Chef Wilhelm. Denn der Rückhalt in der Politik ist nach wie vor groß. „Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Garant für Regionalität und Qualität in einer sich durch die Digitalisierung stark wandelnden Medienlandschaft“, heißt es auf BSZ-Anfrage aus der bayerischen Staatskanzlei.
Über die Höhe des Rundfunkbeitrags in Deutschland entscheiden die Länderchefs. Ihr ausgegebenes Ziel: den Rundfunkbeitrag möglichst stabil zu halten. Zufrieden mit den Einsparvorschlägen, die ARD und ZDF im September abgegeben hatten, sind sie aber nicht. Das ZDF will zwischen 2021 und 2028 etwa 270 Millionen Euro einsparen, die ARD 951 Millionen Euro – vor allem durch Umstrukturierungen und Kooperationen. Das Mittagsmagazin von ARD und ZDF kommt seit Januar zum Beispiel aus demselben Studio. „Die Einsparvorschläge von ARD und ZDF sind ein wichtiger erster Schritt“, sagt eine Sprecherin der Staatskanzlei. Sie betont aber auch: „Weitere Maßnahmen zur Strukturoptimierung müssen folgen.“ Noch harscher fällt die Kritik der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) aus. Ihre Aufgabe ist es, den von den Sendern angemeldeten Finanzbedarf zu prüfen. Im Frühjahr erscheint der nächste Bericht. Der Vorwurf laut Medienberichten darin: keine neuen Ideen für Einsparungen, keine Strategie. Ein Vorwurf, der laut BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel, er ist auch Vorsitzender der ARD-Finanzkommission, wegen der begonnenen Strukturreform ins „Leere“ gehe. Ohne die Einsparbemühungen wäre die Stabilität des Rundfunkbeitrags seit 2009 gar nicht möglich gewesen, betont er. „Die ARD wird Ende 2020 im Vergleich zum Stand 1993 rund 4900 Stellen abgebaut haben“, so Frenzel. Allein der BR halbiere bis 2025 die Stellen in seiner Fernsehproduktion.
Doch reicht es tatsächlich, frühere Fehlsteuerungen beim Personal und Doppelstrukturen abzubauen? Vorschläge zur Reduzierung der Anzahl der Sender oder zur Profilschärfung – auch in Abgrenzung zu privaten Anbietern kommen von den Anstalten bislang keine. Ja: Ein großes Korrespondentennetzwerk haben nur die Öffentlich-Rechtlichen. Auch mit ihrem Anteil an Info-, Polit- und Kultursendungen heben sie sich von den Privaten ab. Aber in welchem Umfang braucht es gebührenfinanzierte Shows, Soaps und teure Sportberichterstattung?
„Die Frage eines zeitgemäßen Auftrags und die Überprüfung der hohen Zahl der Spartenprogramme dürfen nicht ausgeklammert werden“, fordert CSU-Vizegeneralsekretär Markus Blume. Bei einem konsequenten Reform- und Sparkurs schließt er „eine begrenzte Anpassung“ des Rundfunkbeitrags nicht aus. Das tut auch keiner aus der Landtags-Opposition. Dort betont man unisono, dass in Zeiten von Populismus und Fake News ein starkes öffentlich-rechtliches System so notwendig sei wie nie zuvor. „Qualität, Unabhängigkeit und konkurrenzfähige Programme kosten Geld“, sagt Martina Fehlner (SPD). „Aber wir müssen endlich auch die Diskussion führen, was wir als Gesellschaft von diesem System erwarten“, ergänzt die Grüne Ulrike Gote. „Welche Qualität und welchen Umfang wollen wir?“ Dies werde nur hinter verschlossenen Türen der Staatskanzleien debattiert, klagt sie. Der Freie Wähler Michael Piazolo bringt die Zusammenlegung kleinerer Sender ins Spiel. „Braucht es neun Länderrundfunkanstalten, ist eine Frage, die man offen stellen muss“, sagt er und betont: „Ein Erhöhung der Gebühren ja. Aber nur im Paket mit der Bereitschaft zu nachhaltigen Veränderungen.“ (Angelika Kahl)
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