Politik

Windräder in der Nähe von Kolitzheim (Unterfranken). (Foto: dpa)

26.01.2018

Die Energiewende lahmt

Bayern sollte die 10H-Regelung wieder abschaffen

In Sachen Windkraft herrscht in Bayern Flaute. Gerade einmal vier Anträge für neue Anlagen sind im Jahr 2017 bei den Genehmigungsbehörden eingegangen. „Das sind genauso viele wie im Januar 2010, noch weit vor Fukushima, als die CSU-Regierung die Energiewende entdeckt und anschließend begonnen hat, sie zu sabotieren“, sagt Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. Er hat auch die Gründe für den Stillstand beim Windkraftausbau im Freistaat identifiziert: die 10H-Abstandsregelung und die Einführung von Ausschreibungen auf Bundesebene.

Nach der umstrittenen 10H-Regelung müssen neue Windräder zehn Mal so weit von der Wohnbebauung entfernt sein wie die Anlage hoch ist. Viel zu weit, als dass noch genügend Flächen für Windkraftanlagen übrig bleiben. Erschwerend hinzu kam, dass im vergangenen Jahr das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geändert wurde. Das bisherige Fördersystem von Einspeisevergütungen wurde auf ein Ausschreibungssystem umgestellt. Danach schreibt die Bundesregierung eine feste Menge an Stromerzeugungs-Leistung aus, die günstigsten Gebote erhalten den Zuschlag. Das führte dazu, dass von den vier beantragten gerade einmal zwei Windkraftanlagen in Bayern gebaut wurden. Raimund Kamm, Landesvorsitzender Bayern des Bundesverbands WindEnergie (BWE) beklagt: „Unter den gegenwärtigen Regeln gewinnen die nord- und ostdeutschen Wettbewerber die Ausschreibungen.“


Söder war mal ein heftiger Befürworter der Windkraft


In Süddeutschlands hügeliger und kleinteiliger Landschaft sind sowohl höhere Türme als auch längere Flügel für Windkraftanlagen nötig. Zudem sind im Süden pro Windpark weniger Anlagen realisierbar als im Norden, weil schlicht der Platz fehlt. All das verteuert den Bau neuer Windräder in Süddeutschland. Somit kommen süddeutsche Investoren im gegenwärtigen Ausschreibungssystem, das regionale Besonderheiten nicht berücksichtigt, kaum zum Zug.

Diese Schieflage durch die Ausschreibungspraxis führt noch zu einem weiteren Negativeffekt: einer ungleichmäßigen Verteilung von Stromquellen. Nämlich Photovoltaikanlagen in Bayern und Baden-Württemberg einerseits sowie Windräder in Norddeutschland andererseits. Damit das deutsche Stromnetz stabil bleibt, müssen aber überall gleichmäßig verteilt unterschiedliche Stromerzeugungsanlagen stehen. Doch genau diesen Effekt verhindert der Bund mit seinen Ausschreibungsregeln.

Deshalb fordert das bayerische Wirtschaftsministerium schon seit Langem eine Umgestaltung des Fördersystems für Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen und hat bereits Vorschläge erarbeitet. „Die Vergütung für Neuanlagen sollte auf Investitionskostenzuschüsse für die Vorhaltung von Leistung umgestellt werden“, sagt ein Ministeriumssprecher der Staatszeitung. Damit würden Anlagenbetreiber angehalten, ihre Stromproduktion an den Marktpreisen auszurichten. Dies würde auch zum stärkeren Einsatz von Stromspeichern führen. Was wiederum gut für die Netzstabilität wäre.
Fakt ist jedenfalls, dass Bayern schnell Lösungen erarbeiten muss, denn zum Jahresbeginn 2018 ging Block B im Atomkraftwerk Gundremmingen für immer vom Netz. Damit entfallen 1344 Megawatt Erzeugungsleistung. Wenn 2021 auch noch Block C abgeschaltet wird, könnte Bayern auf Stromimporte angewiesen sein.

In Bayern gibt es derzeit 1200 Windräder


Im bayerischen Wirtschaftsministerium hofft man auf 70 Prozent regenerativ im Freistaat erzeugten Strom bis 2025. Den Rest müsste man importieren. Doch bis dahin wird die Stromautobahn für den Windstromtransport von Norddeutschland nach Bayern kaum fertig sein. Und selbst wenn man im Freistaat jetzt Gas geben würde beim Windkraftausbau: Die Genehmigungsverfahren dauern viel zu lange, um signifikant Ersatzkapazitäten in der Kürze der Zeit aufbauen zu können. Schlechte Karten also für die Ökowende in Bayern.

Dringend nötig wäre in jedem Fall, die 10H-Regelung abzuschaffen. Das sollte Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder in Angriff nehmen. Als er noch Umweltminister war, forderte Söder auf Basis von Expertengutachten jedenfalls 1500 Windräder für den Freistaat. Das sind 300 mehr als derzeit vorhanden. (Ralph Schweinfurth)

Kommentare (12)

  1. Betroffen am 01.02.2018
    Für uns Betroffene in Bayer, d.h. die, die schon Windräder in der Nachbarschaft haben, ist es elementar, dass die 10H-Regelung hält. Andernfalls wird uns noch der letzte Rest Landschaft bis an den Gartenzaun zugestellt.
    Für die CSU ist es auch wichtig, dass sie die 10H-Regelung beibehält. Immerhin ist heuer Landtagswahl und die Wähler schauen ganz genau hin, ob gegebene Versprechen gehalten werden.
    Im Übrigen stimme ich obigen Kommentatoren zu: Wer unbedingt ein Windrad in Sichtweite braucht und dies noch nicht hat, kann sich gerne eine große Ankage im Rahmen der 10H-Regelung hinstellen lassen. Das kann die Kommune ja trotz 10H so beschließen. Damit müssten doch eigentlich alle glücklich werden.
  2. Koa Greener am 29.01.2018
    an 93034716

    Es steht Ihnen völlig frei, sich so ein Ding vor die Nase setzen zu lassen! Ich werds dann aber immer noch nicht für Nötig erachten, dass ich das auch brauche.

    Bei uns in unmittelbarer Nähe stehen säckeweise Windräder und ob Sie´s glauben oder nicht die stehen.

    Man sollte nicht immer das nachplappern was andere vorquatschen. Die haben ganz andere Interessen. Unsere Gesundheit ist für diese Leute nicht von Belang, sondern Rendite steht im Vordergrund.

    Wer noch immer nicht geschnallt hat, dass in unserem Land Politik für Lobbyisten und nicht für den gemeinen Bürger gemacht wird, dem ist auch nicht mehr zu helfen!!!

    So long
  3. Franz am 27.01.2018
    An die Redaktion der BSZ: Einfach mal auf der Homepage der entsprechenden nördlichen Landesregierungen nachlesen. Der dort erzeugte Windstrom wird dort verbraucht! - Folglich: Windstrom aus dem Norden in den Süden = Märchen. - An alle, die lieber ein Braunkohlekraftwerk oder ein AKW vor der Tür haben wollen anstatt Windkraftanlagen: Allein die Sanierung von ASSE kostet über 4 Mrd. Euro, Zwischen- und Endlager gibt es nicht und wird es nie geben, d. h. die Risiken sind unkalkulierbar. Braunkohlestrom ist unschlagbar billig, lässt jedoch die Klimaziele in unerreichbare Ferne rücken. Deutsche Energieversorger machen Kohle- und Urangeschäfte mit Ländern in Südamerika, Russland und Afrika, also Ländern mit oft korrupter politischer Führung, die sich 0,0 um ihre eigene Bevölkerung kümmern. Im Osten werden fossile Rohstoffkriege geführt. - Dann gibt es bei uns Menschen, die sich darüber wundern, dass diese armen Teufel nach Europa kommen. - Tja, in unserem Zeitalter des Marktradikalismus ist Moral eben nur etwas für Schwächlinge. Jeder ist sich selbst der Nächste. - Jedoch unter der Voraussetzung, dass wir weiter in Frieden und in einer gesunden Umwelt leben wollen, wird eine 100% Wende, hin zu regenerativen Primärenergien, unumgänglich sein, auch wenn die beruflichen Bedenkenträger dabei Herzflattern bekommen.
  4. Energiewendekritik am 27.01.2018
    Die 10 H Regelung ist sinnvoll, evtl. sogar mindestens 10 Kilometer Abstand zu Wohnhäusern, bitte recherchieren : Gesundheitliche Risiken durch Infraschall,Lärm, Vibration/Schall von Windkraftanlagen, Zerstörung der Landschaften, Millionen von Vögeln und Fledermäusen werden getötet, gerade auch der Rotmilan, der wie auch bestimmte Fledermausarten bereits auf der Roten Liste der besonders gefährdeten Arten steht. Wald wird für WKA´s abgeholzt ? Was für ein Wahnsinn ? Angeblicher Klimaschutz hebelt Naturschutz aus ? Rotmilane werden vergiftet, ihre Horste zerstlrt, damit man dort dann WKA´s in den Wald bauen kann ? EEg-Zulage verzerrt die Situation ? SuedLink ist auch nicht notwendig. Die Politik sollte die inzwischen über 1000 Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen und Stromtrassen wie SuedLink endlich ernst nehmen, es werden täglich mehr Bürger/innen, die protestieren. Wer von den Befürwortern/innen von Windkraftanlagen und/oder SuedLink wohnt in unmittelbarer Nähe davon >10 Kilometer ? Das extra geschaffene Gesetz Nabeg hebelt zudem Rechte aus, so ist Enteignung möglich. In unserem kleinen Dorf Adelheidsdorf/Grossmoor in Norddeutschland soll die Stromtrasse SuedLink laut Planung zwischen zwei Wohnstrassen hindurchgehen, Häuser, Gärten, Bauernhöfe sind direkt betroffen. Laut Nabeg sollte eigentlich Gebiet an Autobahnen bevorzugt werden. Aber auch der Bund gibt seine Ländereien nicht her ? So scheint die Verlegung der Stromtrasse am Truppenübungsplatz Bergen vom Bund nicht gewollt ? Muß man sich wundern, daß die Bürger/innen vieles ungerecht finden - nicht nur den viel zu hohen Strompreis ? Siehe auch den Vortrag von Prof. Sinn : Wieviel Zappelstrom verträgt das Netz ? Und den großartigen Einsatz der Deutschen Wildtierstiftung.
  5. Nachgedacht am 26.01.2018
    An 93034716: Immer diese Unterstellungen, evtl. haben einige der Kommentatoren schon die "Segnungen" der Energiewende vor der eigenen Haustür? Ich kann i.S. Windkraftanlagen, Biogas und PV-Anlagen aus unmittelbarer Betroffenheit durchaus mitreden. Ich bin insoweit bedient, zumal ich beim Studium der Strom Import- und Exportzahlen nicht den Eindruck habe, damit einen sinnvollen Beitrag i.S. echter Nachhaltigkeit zu leisten. Leider gibt es vor der eigenen Haustür auch keine Kompromisse nach dem Motto, drei Windräder sind i.O.! Gemäß eigener Erfahrung wird hier skrupellos soviel und so nah hingebaut, wie nur irgend möglich. Hier hilft leider nur die 10H-Regelung.
  6. Hermann Dirr am 26.01.2018
    Zitat: "Fakt ist jedenfalls, dass Bayern schnell Lösungen erarbeiten muss, denn zum Jahresbeginn 2018 ging Block B im Atomkraftwerk Gundremmingen für immer vom Netz. Damit entfallen 1344 Megawatt Erzeugungsleistung.

    Und mit Windräder möchte der Redakteur dieses Artikels, die dann entfallenen 1344 Megawatt Erzeugungsleistung durch Windkraft ersetzen? Trotz fehlender Speichermöglichkeiten?

    Das ist ja eine Nummer aus dem Tollhaus.

    Von den derzeit in Deutschland installierter Windkraftleistung von 55 Gigawatt, stehen gesichert gerade mal 0,2 Gigawatt zur Verfügung. Um 1,344 Gigawatt mit Windkraft, zuverlässig zu ersetzen, benötigt man somit ca. 198.000 Windräder.
    Und das nur, um 1 AKW zuverlässig zu ersetzen. Aber auch nur wenn der Wind zuverlässige Stromproduktion der WKA mit 0,2 GW zulässt. Bei 0,1 GW verdoppelt sich die Anzahl der WKAs um 1,344 GW zu ersetzen.
  7. am 26.01.2018
    Weiterdenker hat eine Frage an Naturverbunden:
    Was hat die Natur von der 10H-Regelung?
    Immer das Gleiche, bloß nicht vor meiner Haustür.
    Der Strom kommt aus der Steckdose.
  8. Naturverbunden am 26.01.2018

    Wieso sollte es eine Cyberattacke gegeben haben, nur weil das Ergebnis der Abstimmung von Ja auf Nein umgeschwenkt ist?
    Es gibt genügend Bürger, die Wert darauf legen, dass die 10 H Regelung bestehen bleibt bzw. in den Bundesländern mit geringerem Abstand auf die 10 H Regelung geändert wird.
    Eine Umfrage als manipuliert anzusehen, nur weil es nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat, ist mehr als fragwürdig.

    Sehr geehrter Leser,

    Sie können davon ausgehen, dass wir durchaus in der Lage sind, zu erkennen, ob eine Abstimmung manipuliert worden ist oder nicht.

    Beste Grüße aus der BSZ-Redaktion

  9. am 26.01.2018
    An Koa Greener und Sinnvoll
    Wenn kein Gas da ist, dann erzeugen die Gaskrafte auch keinen Strom!
    Die Versorgungssicherheit ist mit Gas aus Russland nicht gewährleistet.
    Warum setzt man nicht auf PV, Biogas, Wasserkraft, Power-to-Gas, Geothermie, Pumpspeicher usw.
    aber bloß nicht vor meiner Haustür. Nur die gesunde Mischung macht's.
  10. Sinnvoll am 26.01.2018
    Wenn kein Wind weht erzeugen die Windräder auch keinen Strom. Warum setzt man nicht auf Gaskraftwerke, um die Versorgunssicherheit in Bayern zu gewährleisten? Die 10H-Regelung ist eine sinnvolle Regelung, die dazu beiträgt, das Leben für die Menschen in Bayern weiterhin als lebens- und liebenswert zu erhalten.
  11. Koa Greener am 26.01.2018
    Diejenigen, die meinen ein Windrad in Ihrem Garten zu brauchen, sollen sich das gerne antun.

    Ich brauch´s nicht!!!

    Flap Flap Flap .....
  12. Nachgedacht am 26.01.2018
    Schon seltsam, bei der Abstimmung über die 10H-Regelung kommt es zu einer Cyberattacke, als die Befürworter der bewährten Regelung bei über 70 % liegen. Bei der Abstimmung über die Einführung muslimischer Feiertage in Deutschland stimmen angeblich 96,3 % für die Einführung. An die Validität dieses Ergebnisses glaubt doch kein Mensch!
    Ich würde mir wünschen, dass die 10H-Abstimmung wiederholt wird. Alles andere hat, gerade im Kontext zum Procedere bei der Feiertagsabstimmung, einen seltsamen Beigeschmack.
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