Kein Wunder, dass die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) sauer sind: Der große Knaller steht nämlich nicht drin im Gesetz „zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“. Das wussten CDU und CSU zu verhindern. So beschloss der Bundestag Mitte Oktober zum Beispiel, dass gleichgeschlechtliche Partner von Schrebergartenbesitzern nach deren Tod künftig deren Blumenbeete übernehmen dürfen. Oder dass nicht nur die Doppelehe, sonden auch die doppelte Lebenspartnerschaft illegal ist. Was fehlt, ist das volle Adoptionsrecht sowie die offizielle Bezeichnung „Ehe“ für gleichgeschlechtliche Paare.
„Gut gemeint, aber schlecht gemacht“, urteilte jetzt der LSU-Bundesvorsitzende Alexander Vogt. Praktisch ist es künftig so, dass in eine Reihe bestehender Gesetze hineingeschrieben werden muss: „gilt auch für eingetragene Lebenspartnerschafen“. Und das, ärgert sich Vogt, „zementiert vor allem die Unterschiedlichkeit von Ehe und Lebenspartnerschaft“. Weil es gleichgeschlechtliche Paare quasi zur Sondergruppe herabstuft, die dieses oder jenes nun gnädigerweise auch darf.
Schulbücher blenden
das Thema Schwulsein aus
Dass Homosexuelle nicht einfach eine „Ehe“ eingehen dürfen, liegt an der Furcht von CDU und CSU, mit diesem Schritt ihre konservative Klientel zu vergrätzen – wobei einzelne Politiker wie der Münchner Bürgermeister Josef Schmid (CSU) durchaus für volle Gleichstellung sind. Die Mehrheit der Bürger im CSU-regierten Bayern plädiert ohnehin dafür: Drei Viertel befürworten die volle Gleichstellung der Homo- mit der traditionellen Ehe. Das zeigte jüngst eine TNS-Infratest-Umfrage im Auftrag der Landtags-SPD.
Die Bezeichnung „Ehe“ hat dabei keineswegs nur symbolischen Wert für die Betroffenen. Weil auf Behördenformularen oder in Lebensläufen der Familienstand angegeben werden muss, zwingt die Formulierung „eingetragene Partnerschaft“ Schwule und Lesben zu einem Outing. Und das kann noch immer zu Diskriminierung und Mobbing führen. Denn trotz unstrittiger Fortschritte bei der Gleichstellung homosexueller Paare ist die Diskriminierung von Schwulen und Lesben weit verbreitet. Nicht umsonst gibt es nach wie vor kaum bekennende homosexuelle Vorstände von DAX-Unternehmen, Schulleiter oder Top-Beamte.
Der Psychologe Stefan Zippel, Leiter der psychosozialen Beratungsstelle an der Universität München, erlebt immer wieder, wie sehr Homosexuelle unter Anfeindungen leiden. Und wie häufig Vorgesetzte und Kollegen einfach wegschauen. „Ein Angestellter eines Autokonzerns wurde wegen seines Schwulseins derart gemobbt, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt“, erzählt Zippel. Statt einzuschreiten, erteilte der Vorgesetzte dem Betroffenen den lapidaren Rat, man müsse „halt einen Spaß aushalten“. Und als ein Lehrer nach seinem Outing zum Schulleiter befördert wurde, empfand er die Reaktionen seines Umfelds – Kollegen, Eltern und Schülern – in fast der Hälfte der Fälle als herabwürdigend.
Da verwundert es nicht, dass Studienergebnisse regelmäßig belegen, wie hilflos gerade Lehrer mit dem Thema Homosexuellen-Mobbing umgehen. So fand eine Untersuchung der Berliner Humboldt-Universität im Jahr 2013 heraus, dass 62 Prozent der Berliner Sechstklässler den Begriff „Schwuchtel“ als Schimpfwort verwenden. Umgekehrt kam die Expertise zu dem Schluss, dass die sexuelle Orientierung umso mehr akzeptiert wird, je häufiger die Lehrkräfte gleichgeschlechtliche Liebe im Unterricht thematisieren und bei homophobem Verhalten eingreifen. Und eine aktuelle Studie des deutschen Jugendinstituts belegt, dass fast die Hälfte der Lehrkräfte es duldet und nicht einschreitet, wenn Schüler geärgert werden, weil man sie für lesbisch, schwul oder für transgender hält.
Nichtstun ist die schlechteste Reaktion, wenn Schüler diskriminierende Witze reißen
„Nichts tun ist die schlechteste Reaktion“, betont Philipp Aigner, Lehrer am Gymnasium Kirchheim im Landkreis München. Der 31-Jährige ist selbst schwul und lebt in einer eingetragenen Partnerschaft, was an seiner Schule alle wissen. Probleme gab es deshalb nie, erzählt Aigner. Was nicht bedeutet, dass er immun ist gegen alltägliche Ärgernisse wie unbeholfene Bemerkungen oder schiefe Blicke: „Wenn ich mit meinem Partner Hand in Hand durch die Stadt gehe, werden wir natürlich angeglotzt,“ sagt Aigner. „Da fühlt man sich wie der Affe im Zoo.“
Was ihm missfällt: wie nachlässig Schulbücher mit dem Thema Homosexualität umgehen. „Das kommt nicht vor“, klagt Aigner. Es werde nur das traditionelle Familienbild vermittelt. Während Mama-Mama- oder Papa-Papa-Kind kein Thema sei. Weshalb Aigner derlei selbst auf die Agenda setzt und auch mal Filme zeigt, in denen Homosexuelle eine Rolle spielen. Zur Vermittlung des Themas Homosexualität im Unterricht gibt es vereinzelt Lehrerfortbildungen, etwa von der Uni München.
Was ebenfalls fehlt: ein offizieller Ansprechpartner im Freistaat. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Stamm kritisiert: Für alle möglichen Bereiche gebe es Beauftragte, sei es für das Ehrenamt, die Belange behinderter Menschen oder die Integration ausländischer Bürger. Nur für die Homosexuellen, klagt Stamm, „gibt es niemanden in der Staatsregierung, der sich zuständig fühlt.“
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)
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