Politik

An der Technischen Universität München beträgt der Anteil der sogenannten Drittmittel im Haushalt fast 40 Prozent. (Foto: dpa)

28.07.2017

"Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr"

Der Einfluss von Unternehmen auf bayerische Hochschulen ist in den letzten fünf Jahren gestiegen

Hochschulen finanzieren immer mehr ihrer Forschungsvorhaben aus Fördergeldern der Industrie. Laut Online-Portal hochschulwatch.de kommt inzwischen bundesweit jeder vierte Euro aus sogenannten Drittmitteln. Dabei handelt es sich um Zuschüsse von staatlichen Institutionen wie der Deutschen Forschungsgesellschaft, aber auch um Gelder von Unternehmen und Verbänden.

Angesichts von Aldi-Süd-Hörsälen sieht Herbert Kränzlein (SPD) die Freiheit von Lehre und Forschung auch in Bayern gefährdet. „An der Technischen Universität München (TUM) sind zahlreiche Stiftungsprofessuren ausgewiesen, die von Airbus, Südchemie oder Capgemini finanziert werden“, klagt der Abgeordnete. Er wollte daher in einer schriftlichen Anfrage von der Staatsregierung wissen, wie hoch der Anteil an Drittmitteln am Haushalt bayerischer Hochschulen ist.

Wie Zahlen des Wissenschaftsministeriums ergeben, finanzierte sich beispielsweise die TUM 2015 zu 37 Prozent aus Drittmitteln, die Universität Erlangen-Nürnberg zu 34 Prozent und die Universität Würzburg zu 31 Prozent. Die Drittmitteleinnahmen sind zwischen 2011 und 2015 nahezu konstant geblieben – lediglich in Bamberg sind sie gesunken, in Augsburg gestiegen. Der Anteil der privaten Drittmittel schwankt dabei zwischen fünf und zwölf Prozent. An der TUM ist keine Unterscheidung in private und sonstige Drittmittel möglich.

An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) ist der Anteil an Drittmitteln nur wenig geringer. In Deggendorf lag der Anteil am Haushalt 2015 bei 35 Prozent, in Ingolstadt bei 27 Prozent und in Aschaffenburg bei 25 Prozent. Insgesamt ist die Drittmittelförderung zwischen 2011 und 2015 im Schnitt an allen HAW gestiegen – in Amberg-Weiden zum Beispiel von 13 auf 22 Prozent. „Drittmittel können dabei im Rahmen von Forschungs- und Wirtschaftskooperationen einerseits und durch Fundraising/Stiftungsmaßnahmen andererseits an die Hochschulen fließen“, heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Die Drittmittelförderung ist vor allem an Fachhochschulen gestiegen – zum Teil von 13 auf 22 Prozent

Wie groß der Einfluss des Geldgebers ist, hängt laut Ressort von Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) vom Kooperationstyp ab. Bei Werkverträgen beispielsweise schuldet die Hochschule dem Vertragspartner ein konkret definiertes sach- und rechtsmängelfreies Werk, bei Forschungs- und Entwicklungsverträgen keinen konkreten Projekterfolg. Bei Stiftungsprofessuren wiederum kann der Stifter die fachliche Ausrichtung der Professur bestimmen. Der Förderer dürfe aber keinen Einfluss auf Forschung und Lehre nehmen.

Wie viele der 741 Patente zwischen 2011 und 2014 aus Projekten privater Geldgeber entstanden sind, die anschließend ausschließlich ihnen zur Verfügung standen, kann das Ministerium nicht sagen. „Die Hochschulen sind nicht verpflichtet, Drittmittelverträge vorzulegen.“

Um weiterhin eine unabhängigie Forschung an Hochschulen zu gewährleisten, setzt die Staatsregierung in erster Linie auf eine ausreichende Grundausstattung der Hochschulen. „Inzwischen ist die Drittmitteleinwerbung aber auch ein entscheidendes Qualitätsmerkmal nicht nur für die Hochschulen, sondern vor allem für die Wissenschaftler“, heißt es aus dem Spaenle-Ressort. Wichtig sei aber die Bereitschaft, einzugestehen, wenn Ergebnisse nicht erzielt werden könnten. „Es ist daher sorgfältig darauf zu achten, dass die Drittmittelgeber bei ihren Ausschreibungen eine hinreichende Breite der Rahmenbedingungen gewährleisten.“ Daran zweifelt das Ministerium aber nicht. SPD-Mann Kränzlein schon.

„Der Einfluss der Wirtschaft ist viel zu hoch“, klagt der Abgeordnete. Als Folge würden Forschungsprojekte abhängig von den Erwartungen freigiebiger Unternehmen. Kränzlein fordert für Hochschulen eine „vernünftige Grundfinanzierung“, damit zum Beispiel geisteswissenschaftliche Forschung nicht benachteiligt werde. Außerdem kritisiert der Abgeordnete, dass Unternehmen entstandene Patente nutzen, aber nur bedingt einen Ausgleich dafür zahlten. „Es besteht der Verdacht, dass Unternehmen viel Geld zu Lasten der Allgemeinheit verdienen.“ (David Lohmann)

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