Politik

Gerade in Ballungsgebieten wird im Erbfall eine hohe Steuer fällig. Grundlage für die Berechnung ist der jeweilige Bodenrichtwert. (Foto: dpa/Carsten Hoefer)

19.04.2024

Geheimsache Bodenrichtwert

Wie viel Erbschaftsteuer für Grund gezahlt werden muss, hängt vor allem von der Analyse von Gutachterausschüssen ab

Die Tochter möchte bauen und ihre Eltern wollen ihr dafür ein Grundstück im Süden der Stadt Traunstein schenken. Doch liegt der Wert des Grundstücks unterhalb der Freibetraggrenze der Schenkungssteuer? Zum Glück bietet das Landratsamt Traunstein einen guten Service. Auf seiner Internetseite zeigt es alle Bodenrichtwerte, die die Grundlage für die Ermittlung der Steuer bilden. Die Eltern sehen: Laut der zuletzt 2022 aktualisierten Auswertung liegt der Grundstückswert unter dem Freibetrag. Die Tochter muss also keine Steuer zahlen. In vielen anderen Kommunen, auch in München, sind die Werte dagegen quasi Geheimsache.

Nur ein Drittel der bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte stellt die Informationen freiwillig kostenlos ins Internet. Bei allen anderen Kommunen muss man, um den jeweiligen Bodenrichtwert zu erfahren, einen Antrag stellen und eine Gebühr bezahlen. Und wie genau die Werte ermittelt worden sind, das erfährt man auch nicht. Dabei waren die Richtwerte einst eingeführt worden, um die Grundstückspreise transparenter zu machen.

Die Bodenrichtwerte sind alle zwei Jahre ermittelte Durchschnitts-Lagewerte pro Quadratmeter für Grundstücke in einer bestimmten Zone, etwa einem Stadtviertel oder einem Ortsteil. Grundlage für die Ermittlung ist die anonyme Kaufpreissammlung von Grundstückstransaktionen. Unterschieden werden Bauland, werdendes Bauland sowie land- und forstwirtschaftliche Grundstücke.

Für private Geschäfte sind die Werte natürlich nicht bindend, sie können aber zumindest als Orientierung dienen. Dazu lassen sich so auch bundesweit Entwicklungen vergleichen. Außerdem spielen die Bodenrichtwerte nicht nur bei der Ermittlung der Erbschaft- und Schenkungssteuer eine Rolle. Sie werden auch als Wertbasis bei Nachzahlungsverpflichtungen in notariellen Kaufurkunden und zur Berechnung der Gebührenhöhe bei amtlichen Vermessungen herangezogen. In den meisten Bundesländern – in Bayern allerdings nicht – bestimmt die Höhe des Bodenrichtwerts seit der Grundsteuerreform sogar, wie viel Grundsteuer zu zahlen ist.

Viel Verantwortung also für diejenigen, die die Werte ermitteln. Damit betraut sind sogenannte Gutachterausschüsse. Deren Mitglieder – ernannt von der jeweiligen Kreisverwaltungsbehörde – sichten die Notariatsverträge aller Grundstückstransaktionen in ihrem Zuständigkeitsbereich und legen darauf basierend die Richtwerte fest und veröffentlichen Marktberichte.

Mit der Grundsteuerreform nahm die Kritik an der Ermittlung zu. „Die Wertentwicklung basiert häufig auf nur sehr wenigen Verkäufen in den jeweiligen Gegenden, nachvollziehbar dargelegt werden die Entwicklungen nicht“, kritisiert Ulrike Kirchhoff, die Vorsitzende vom Verein Haus & Grund Bayern. Heißt: Wenn in einem Gebiet nur wenige Transaktionen erfolgen, gibt es nur eine dünne Datengrundlage zur Ermittlung eines wirklichen repräsentativen Wertes. Und wo viel verkauft wird, steige der Bodenrichtwert zum Teil „unverhältnismäßig stark an“. 

Hohe Belastung gerade in Ballungsgebieten

Was gerade bei der Erbschaftsteuer ein großes Problem sein kann. Besonders in Ballungsgebieten sei die Belastung für Erbende groß, sagt Kirchhoff. „Die Erben erhalten zwar eine werthaltige Immobilie. Doch in vielen Fällen befinden sich die Immobilien im Sanierungsstau oder müssen zumindest den stetig steigenden Anforderungen an die energetische Qualität der Immobilien – insbesondere an veränderte Heizungstechnik – angepasst werden.“ Zu diesen Kosten komme die Erbschaftsteuer dann noch hinzu. Die Erbenden hätten nun zwei Möglichkeiten: die Last zu stemmen oder zu verkaufen. Wenn es sich dabei um Mietshäuser handelt, würden beide Szenarien bedeuten, dass dann die Mieten weiter steigen.

Die Bodenrichtwerte und entsprechend die Gutachterausschüsse wurden mit dem Bundesbaugesetz 1960, dem ersten bundesweit einheitlichen Bau- und Planungsrecht, eingeführt. Bis dahin durften die Preise für unbebaute Grundstücke nicht frei verhandelt werden, um Bodenspekulationen zu verhindern. In der Realität blühte aber der Schwarzmarkthandel. So schossen die Preise in die Höhe, denn Bauland war auch zu dieser Zeit Mangelware. Das Bundesbaugesetz stoppte die Preisentwicklung nach oben freilich nicht.

Die Bodenrichtwerte werden weiter in vielen Bereichen maßgeblich sein. Ein Sprecher des bayerischen Bauministeriums lobt die „Transparenz auf dem Immobilienmarkt für jedermann“, die dadurch geschaffen worden sei. Gleichwohl wird derzeit eine Änderung der Bayerischen Gutachterausschussverordnung geprüft, um möglicherweise ein verpflichtendes kostenloses Bodenrichtwert-Viewing im Internet einzuführen. Geprüft wird auch eine jährliche Veröffentlichung einiger Daten statt nur alle zwei Jahre.

Der nächste Immobilienmarktbericht für Bayern wird am 17. Juni 2024 erscheinen. Eines kann der Sprecher bereits verraten: Bei den Bodenrichtwerten ist in Bayern im Schnitt ein leichter Rückgang zwischen 5 und 15 Prozent gegenüber der letzten Erhebung von 2022 zu verzeichnen. Für einige bald Erbende ist das eine gute Nachricht. (Thorsten Stark)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.