Politik

02.12.2011

"Hintergründe interessieren mich nicht"

Tino Brandt alias V-Mann Otto: die direkte Verbindung der Nazi-Mörder nach Bayern

Auch vier Wochen nach dem Selbstmord der beiden nationalsozialistischen Serienmörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und der damit verbundenen Aufdeckung der jahrelang als „Dönermorde“ verharmlosten Mordserie herrscht Rätselraten. Die Verbindung des Mördertrios nach Bayern ist nach wie vor unklar. Fünf der insgesamt zehn Morde geschahen in Bayern, drei in Nürnberg, zwei in München, zuletzt wurde die DVD mit der Verhöhnung der Opfer bei den Nürnberger Nachrichten eingeworfen, demonstrativ nicht per Post geschickt. Was heißen sollte: Damit ihr es nur wisst: Wir haben in Nürnberg unsere Leute!
Eine klare, personifizierte Verbindung zwischen thüringischen und bayerischen Nazis bestand lange Jahre in Tino Brandt. Der heute 36-Jährige aus dem thüringischen Rudolstadt begann seine steile Nazikarriere 1993 in Regensburg. 1994 ging er nach Thüringen zurück und war in den Folgejahren einer der maßgeblichen Nazis im „Thüringer Heimatschutz“, in dem auch das spätere Mördertrio Mundlos/Böhnhardt/Zschäpe tätig war. In führender Position ebenso mit von der Partie: der vor wenigen Tagen von der Generalbundesanwaltschaft verhaftete Ralf Wohlleben.

Deckname Otto

2001 wurde Tino Brandt als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes enttarnt. Für seine Informationen erhielt er im Lauf der Jahre 200 000 Mark vom Staat, die er nach eigenen Angaben umgehend in den „Thüringer Heimatschutz“ investierte. Die V-Mann-Tätigkeit Brandts unter dem Decknamen „Otto“ seit 1994 ist gesichert.
Die grüne Landtagsabgeordnete Maria Scharfenberg hat jetzt eine Anfrage an die bayerische Staatsregierung gestellt, ob womöglich auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz 1993/94 mit Tino Brandt zusammenarbeitete. Die entscheidende der acht Fragen lautet: „Stand Tino Brandt jemals in den Diensten des BayLfV?“ Scharfenberg will auch wissen, ob Tino Brandt seinerzeit überhaupt vom bayerischen Verfassungsschutz observiert wurde. Wenn nicht, dann waren linke Regensburger Studenten die einzigen, die ein waches Auge auf Tino Brandt hatten. Sie verteilten an Brandts Arbeitsplatz, einem Supermarkt, Flugblätter, auf denen zu lesen stand: „Hier bedient Sie Tino B. – ein faschistischer Krimineller“. Zwei junge Männer wurden dafür vom Regensburger Amtsgericht im Sommer 1994 wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der aufstrebende Neonazi, eine Schlüsselfigur der Thüringer Naziszene, obsiegte also vor dem Regensburger Amtsgericht gegen die „linken Caoten“ (Tino Brandt). Der Richter, von der Verteidigung auf die Naziaktivitäten Brandts hingewiesen, antwortete: „Hintergründe interessieren mich nicht.“ (Florian Sendtner)

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