Politik

Die Großküche einer Justizvollzugsanstalt. (Foto: dpa)

26.06.2015

HIV-positive Häftlinge dürfen jetzt überall arbeiten

Nach einer Entscheidung des Petitionsausschusses hebt das Justizministerium endlich die bisherige Regelung auf

In bayerischen Gefängnissen durften HIV-Positive bisher nicht als Friseur, in der Küche oder in Arbeitsbereichen mit besonderer Verletzungsgefahr arbeiten. „Ein gelernter Koch wurde zum Beispiel drei Jahre lang von Arbeiten in Haus und Küche ausgeschlossen“, erzählt Martin Jautz von der Münchner Aids-Hilfe. Dabei steht selbst im Strafvollzugsgesetz, die Anstaltsleitung solle bei der Arbeitszuweisung die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Insassen berücksichtigen.

Als Grund für das Arbeitsverbot nannte das Justizministerium noch Anfang des Jahres „unverhältnismäßige Belastungen und Sicherheitsrisiken“ für den Justizvollzug. HIV-positive Gefangene würden sich dadurch aber nicht ausgegrenzt fühlen, „sondern Verständnis für die besondere Situation in Haft zeigen“ – so verteidigte Ministerialrat Udo Gramm damals das bundesweit einmalige Vorgehen.
Doch Sozialpädagoge Jautz hat in seinen Beratungsgesprächen andere Erfahrungen gemacht: „Viele Häftlinge haben einfach Angst, geoutet zu werden, wenn sie gegen die Entscheidung protestieren.“ Und was dann passiere, habe im Mai erst das Beispiel eines homosexuellen Kochs in Freiburg gezeigt. Dieser musste seine Stelle wechseln, nachdem 70 Gefangene wegen seiner sexuellen Präferenz in einen Hungerstreik getreten waren.

Antidiskriminierungsstelle: Rechtslage in Bayern ist „befremdlich“.

Selbst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nannte die Rechtslage in Bayern „befremdlich“. Haftanstalten seien in besonderer Weise verpflichtet, für eine diskriminierungsfreie Zuweisung Sorge zu tragen, mahnte die juristische Beraterin Anna Braunroth. Die Bedenken, es könne dadurch zu Ausschreitungen unter den Gefangenen kommen, „stellt unserer Auffassung nach keinen legitimen Differenzierungsgrund dar“.

Ärzte lehnen die Ausgrenzung von Gefangenen im Freistaat ebenfalls als medizinisch-wissenschaftlich unbegründet ab: „Grundsätzlich stellen Menschen mit einer HIV-Infektion – gleich ob behandelt oder unbehandelt – im Alltag keine Infektionsgefahr dar“, unterstreicht Jens Jarke von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter. Auch für HIV-positive Friseure, Köche oder Ärzte gebe es kein HIV-Übertragungsrisiko, sagen die Ärzte.

Im Gegensatz zum Justizministerium erkannte der Petitionsausschuss im Landtag vergangene Woche diese Argumente an und hakte aus diesem Grund bei Justizminister Winfried Bausback nach. Derart unter Druck gesetzt, vollzog plötzlich auch das Ministerium trotz seiner früheren Bedenken eine Kehrtwende: „Es ist beabsichtigt, die Regelung [zum Arbeitsverbot] bei der nächsten Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften aufzuheben“, heißt es jetzt aus dem Justizressort. Solange sollen sie die Leiter der Justizvollzugsanstalten nicht mehr anwenden. Der Petitionsausschuss erklärte den Fall daraufhin für erledigt.

Die Arbeitsgemeinschaft Aids & Haft in Bayern bezweifelt allerdings, dass die Diskriminierung dadurch wirklich beendet wird. Bis heute werde HIV-positiven Häftlingen von Gefängnismitarbeitern „nahegelegt“, den Fitnessraum nicht zu benutzen, obwohl eine Petition zu diesem Thema vom Landtag schon vor langer Zeit ebenfalls für erledigt erklärt wurde. HIV-Berater Jautz wünscht sich daher, dass Haftanstalten endlich die Türen für Prävention und Aufklärung öffnen. „Ansonsten müssen wir befürchten, dass sich trotz der Abschaffung des Paragrafen in den Köpfen der Juristen nichts ändern wird.“ (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Bernauer am 29.06.2015
    Endlich, endlich…. Was allgemeine wissenschaftliche Erkenntnis ist, hat nun auch das Justizministerium begriffen. Es wird Zeit, dass Prävention auch für das Personal in den JVA’en bis hin zum Ministerium als Fortbildung Anwendung findet. Warum in Bayern immer alles so lange dauert, ist das Konservatismus? Das glaube ich eher nicht, das muss andere Gründe haben!
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