Sein erstes Mal hat ihm sichtlich gut gefallen. „Es war ein grandioser Abend“, frohlockte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), als er am frühen Mittwochmorgen um kurz vor zwei Uhr seine Facebook-Party in der Münchner Nobel-Disco P1 verließ. „Die Leute waren flockig, locker, offen – wie man sich das als Politiker wünscht, aber nur selten erlebt.“
Seehofer hat jetzt einen Piraten-Ausweis
Die Leute – das waren etwa 150 Journalisten, 60 Security-Menschen und ein kleiner Bruchteil der 2500 Seehofer-„Fans“, die sich via Facebook für die Sause angekündigt hatten. Bayerns Piraten-Chef Stefan Körner hatte seine Teilnahme ebenfalls per „Like-Button“ bestätigt. Und ist – ganz gegen den Trend – tatsächlich gekommen.
Auch für Körner gab es eine Premiere. Dem bayerischen Ministerpräsidenten war er zuvor noch nie persönlich begegnet. Jetzt ist er mit Seehofer sogar per Du – das sei auf solchen Partys ja wohl so üblich, kokettierte der Ministerpräsident. „Ich habe später extra nochmal gefragt, ob wir uns jetzt wirklich duzen“, erzählt Körner. Der Ober-Freibeuter revanchierte sich sogleich mit einem Piraten-Mitgliederausweis, den Seehofer dankend annahm: „Aber ich bleib trotzdem bei der CSU.“
Dank des Piraten-Besuchs gab’s also das ein oder andere nette Geplänkel. Nur den echten Seehofer-Fans, die gekommen waren, um ihm einmal ganz nahe zu sein, war es erst mal ein bisschen fad. Denn der war ständig von der Journalisten-Meute umringt. CSU-Mitglied Paul Aschenbrenner beispielsweise freute sich darauf, mit seinem Parteichef ein bisschen zu plauschen. Auch Chris, Mitte 20 und glühender CSU-Anhänger, stand anfangs etwas gelangweilt herum – denn eine geschlagene Stunde brauchte Seehofer, um sich seinen Weg durch die Reporter-Horde in den Club zu bahnen.
Doch später hatte Seehofer auch ein Ohr für die echten Fans. Denn irgendwann war der letzte Text in die Redaktion geschickt. Zumindest die PR-Strategie der CSU ist mehr als aufgegangen.
Geschenkt, dass es immer wieder zu skurrilen Szenen kam, in denen Journalisten versuchten, sich gegenseitig zu interviewen. Auch geschenkt, dass trotz Seehofers Facebook-Coup die Zahl seiner Fans – sie hat sich mit der Party samt Freigetränk auf 11 840 verdoppelt – noch immer weit hinter der von Angela Merkel (155 000 Fans) liegt. Und auch P1-Feierlegende Oli Kahn ist unerreicht: Fast 66 000 Leute klickten beim Ex-Bayern-Torwart bislang „Gefällt mir“.
„Sympathisch, wie die CSU versucht, modern zu sein“
Über die enorme Medienpräsenz im P1 staunte auch Piraten-Chef Körner. „Wenn das das Ziel war, ist die Kalkulation voll aufgegangen“, sagte er nach der Party. Und darüber dürfte er sich ebenfalls freuen – sein Ausweis-Gag schaffte es bis in die ARD-Tagesthemen. Statt Tumulte und Flashmobs gab’s Gratis-Werbung für die Piraten. Körner: „Seehofer hat für uns Wahlkampf gemacht.“
Im Sommer will Bayerns Piratenchef seinem neuen Duz-Freund nun zeigen, wie man richtig feiert. „Wir haben schon darüber gesprochen, dass auch wir eine große Party machen“, verrät er der Staatszeitung. Bislang aber sind nur zwei Dinge wirklich sicher: „Das Fest wird auf keinen Fall im P1 stattfinden – und Horst ist natürlich ganz, ganz herzlich eingeladen.“
Dass Seehofer tatsächlich kommen wird, ist gar nicht so abwegig. Am Dienstagabend jedenfalls zeigte er sich besonders herzlich gegenüber den Mitgliedern der jungen Partei. Nicht nur, dass er feststellte, dass die Piraten ja „ganz nette Menschen“ seien. Er lud persönlich die kleine Crew, die vor dem P1 an ihrem Infostand orangene Flyer verteilte, auf seine Party ein.
„Es wäre schön, wenn Seehofer auch zu uns an den Stand käme“, hatte sich Piratin Michelle Moser gewünscht. Und tatsächlich blieb der Ministerpräsident auf seinem Weg von der Staatskanzlei ins P1 am Stand stehen und steckte den Piraten Karten zu, mit denen sie in den Club kamen.
Michelle freute sich, doch an ihrem Urteil über den ganzen P1-Bohei änderte das nichts: „Die CSU meint, Netzpolitik zu machen bedeute, Facebook-Partys zu veranstalten und zu sagen: ,Hallo, ich kann auch Internet.’ Peinlich, sei Seehofers Versuch, modern und toll zu sein.
Piratenchef Körner ist da toleranter: „Ach was“, sagte er, „der Versuch ist doch ganz sympathisch.“ (Angelika Kahl)
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