Die genauen Mechanismen des Länderfinanzausgleichs durchblickt kaum einer, doch einig sind sich fast alle: Das Ausgleichssystem, welches arme Länder zu Lasten der reichen alimentiert, ist ungerecht. Bereits 1999 hatten Bayern und Baden-Württemberg eine Verfassungsklage auf den Weg gebracht, die in Teilen erfolgreich war. Ergebnis ist das heute geltende System. Dagegen will Bayern jetzt erneut klagen.
BSZ: Herr Söder, warum regt sich die CSU so über ein System auf, das sie 2001 selbst miterfand? Hat Ihr Ex-Ministerpräsident Stoiber damals schlecht verhandelt?
Markus Söder: Im Gegenteil. Ohne das Verhandlungsgeschick von Edmund Stoiber müssten wir heute noch viel mehr Geld in den Topf des Länderfinanzausgleichs zahlen – eine dreistellige Millionensumme jährlich.
BSZ: Jetzt geht’s Ihnen sicher um viel mehr Geld. Bayern zahlt zurzeit etwa die Häfte der 7,3 Milliarden Euro, die jährlich umverteilt werden. Was wäre Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit, wieviel davon wollen Sie künftig behalten?
Söder: Soviel wie möglich. Die Bayern wollen wieder mehr von ihrem Geld behalten können.
BSZ: Wie konnte sich ein System, das Stoiber 2001 noch toll fand, zu einem – nach CSU-Lesart – Monstersystem entwickeln?
Söder: Das liegt an der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesländer. Bayern war zum Beispiel wirtschaftlich erfolgreich und hat es geschafft, dank richtiger politischer Weichenstellungen die Wirtschaftskraft und die Steuereinnahmen zu erhöhen. Andere wirtschaften deutlich schlechter, wie Berlin und Nordrhein-Westfalen.
"Beim Fußball wäre sowas undenkbar"
BSZ: Von den Steuereinnahmen, die den Durchschnitt der deutschen Länder übersteigen, muss Bayern einen Großteil in den Topf des Länderfinanzausgleichs abführen. War das der Grund dafür, warum Bayern in der Vergangenheit so zögerlich war, zusätzliche Steuerprüfer einzustellen?
Söder: Wir waren in den letzten Jahren sehr zurückhaltend bei neuem Personal. Jetzt müssen wir für neue Aufgaben maßvoll Personal angleichen. Dazu stellen wir 200 Steuerprüfer zusätzlich an.
BSZ: Das geltende System gilt eigentlich bis 2019. Alle Länder haben es unterzeichnet. Warum sollten die Verfassungsrichter das vorher kippen?
Söder: Wir hätten nie gedacht, dass Nordrhein-Westfalen durch seine Schuldenpolitik zum Nehmerland wird. Sogar Baden-Württemberg fängt jetzt an, Schulden zu machen.
BSZ: Wogegen richtet sich Ihre Klage genau?
Söder: Gegen das gesamte System: Kein anderer föderalistischer Staat hat eine solche Regelung! Konkret wenden wir uns gegen fehlende Leistungsanreize. Stellen Sie sich so etwas einmal beim Fußball vor: Wer ein Spiel verliert, bekommt eine Prämie – das wäre doch undenkbar! Aber beim Länderfinanzausgleich funktioniert es genau so. Zudem braucht es eine Deckelung der Zahlungshöhe und einen Schutz vor Überforderung der Geberländer. Auch die Regelung, dass Einwohner von Stadtstaaten höher gewichtet werden, gehört auf den Prüfstand.
BSZ: Das Argument für deren höhere Einwohnergewichtung war ja immer, dass Stadtstaaten überproportional höhere Infrastrukturkosten haben und ihre Infrastruktur auch vom Umland genutzt wird – was ja richtig ist.
Söder: Berlin leistet sich ein Begrüßungsgeld für Studenten. Wieso soll das der bayerische Steuerzahler finanzieren?
"Ohne Einigung läuft der Finanzausgleich 2019 aus"
BSZ: Bei der letzten Klage aus dem Jahr 1998 urteilten die Karlsruher Richter, dass der Länderfinanzausgleich ungerecht ist und dass die Länder sich auf ein neues System einigen müssen. Das war keine sehr präzise Vorgabe. Glauben Sie, diesmal fällt der Richterspruch klarer aus?
Söder: Ja. Denn die Richter werden in den kommenden Monaten mit Blick auf den Euro Grundsatzentscheidungen zum Fiskalpakt auf den Weg bringen. Diese werden dann auch auf die nationale Fiskalpolitik und die Steuergesetzgebung und den Länderfinanzausgleich durchschlagen. Die öffentlichen Haushalte werden in den Fokus des Interesses rücken. Denn was die Griechen, Spanier und Italiener machen müssen, können auch Berlin und Bremen leisten.
BSZ: Dennoch, Karlsruhe wird keine detaillierte Regelung vorgeben, sondern bestimmte Rahmenbedingungen setzen und von den Ländern verlangen, dass die sich einigen. Zwölf arme Länder müssen dann also mit vier wohlhabenden eine Lösung finden. Wie zuversichtlich sind Sie?
Söder: Sehr zuversichtlich! Denn wenn wir uns nicht einigen, läuft der geltende Länderfinanzausgleich 2019 aus, und dann bekommen die ärmeren Länder ohnehin viel weniger Geld.
BSZ: Diesen Monat haben die Ministerpräsidenten im Bundesrat einstimmig beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur Reform des Länderfinanzausgleichs zu installieren, die Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz leiten soll. Heißt das, Bayern arbeitet in dem Gremium jetzt nicht mehr mit?
Söder: Fakt ist doch, dass sich die anderen Länder überhaupt nicht bewegt haben. Die Verhandlungen sind an deren Egoismen gescheitert. Aber irgendwann muss jeder bei Mama ausziehen und versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen. So ist das.
(Interview: Waltraud Taschner)
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