Politik

Fußball ist auch ein dubioses Geschäft: Der Verband FIFA ist übel beleumundet – er klüngelt allzu oft mit zwielichtigen Staatschefs. (Foto: dpa)

20.06.2014

Irritierendes Faible für Autokraten

Warum es weltweit immer schwieriger wird, sportliche Mega-Events in demokratischen Gesellschaften zu veranstalten

Zum Glück hat Brasiliens Nationalelf das Eröffnungsspiel der Heim-WM gewonnen. Für die in Alarmbereitschaft versetzten Sicherheitskräfte des Landes war das eine gute Nachricht. Bei einer Niederlage hätte der Frust der Fußball-Fans gepaart mit dem sozialen Brodeln im Land zu einem unheilvollen Gebräu werden können. Vergangenes Jahr, als unterm Zuckerhut mit dem Confed-Cup die Generalprobe zur jetzt laufenden Fußball-Weltmeisterschaft stattfand, herrschten vielerorts bürgerkriegsähnliche Zustände – und das, obwohl die „Seleção“ seinerzeit den Pokal holte. Die Polizei hat seither mächtig aufgerüstet.
Warum aber protestieren die Menschen gegen die WM in einem Land, das wie kaum ein zweites als fußballverrückt gilt? Als der Kicker-Weltverband FIFA das Turnier 2007 an Brasilien vergab, war die globale Erwartung ein rauschendes Fußballfest. Auch im Land waren Stolz und Vorfreude riesig, zumal Rio kurz darauf auch noch den Zuschlag für Sommer-Olympia 2016 erhielt. Für die Brasilianer waren beide Ereignisse der Beleg dafür, es vom Schwellenland zum Mitspieler auf die Weltbühne der Großen geschafft zu haben.
Eine Weltwirtschaftskrise und nationale Enttäuschungen später hat sich der Wind gedreht. Die Brasilianer haben jetzt zwar für fast drei Milliarden Euro tolle neue Fußballstadien, das Gesundheitssystem, das Schulwesen und der öffentliche Verkehr sind aber so marode wie zuvor. Die Verbindung von Protz und Prunk für wenige und dem Fortdauern nerviger Alltagsprobleme für die große Mehrheit trieb und treibt die Massen auf die Straßen. Hinzu kommt ein zweiter Aspekt, der es weltweit immer schwieriger macht, demokratische Gesellschaften dafür zu gewinnen, sportliche Mega-Events in ihr Land zu lassen: die Allmacht intransparent agierender, von geschlossenen Führungszirkeln beherrschter, korruptionsumwehter Sportverbände. Namentlich das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der Weltfußball-Verband FIFA, die Ausrichterländer mit Knebelverträgen überfallen. Von den Staaten erwarten die Verbände riesige Investitionen in Infrastruktur und Sportstätten, die Gewinne der Vermarktung ihrer Sportereignisse wollen sie – steuerfrei – selbst einsacken.

Woran die Münchner Bewerbung scheiterte


Genau an diesem Unwohlsein, einer autoritären, Geld scheffelnden Krake ausgeliefert zu sein, ist letztlich die Münchner Bewerbung für Winter-Olympia 2018 gescheitert. Die Bürger an den potenziellen Austragungsorten hatten die Bilder aus Sotschi vor Augen. Dort hatte das IOC zusammen mit der russischen Staatsmacht ohne Rücksicht auf Mensch und Natur unter Einsatz von Milliardensummen ein Wintersport-Resort am Schwarzmeerstrand aus dem Boden gestampft. Es ist eine bittere Ironie, dass die Münchner Olympia-Planer das genaue Gegenteil dazu umsetzen wollten: möglichst nachhaltige Spiele ohne monströse Neubauten im weitestgehenden Einklang mit der Natur. Den Zuschlag erhielt dann Pyeongchang in Südkorea, wo ein weiteres Sotschi droht. Das Land ist zwar eine Demokratie, ihm fehlt aber noch die zivilgesellschaftliche Tradition vieler europäischer Nationen.

Das Image von Franz Beckenbauer ist angekratzt


Olympia und die Fußball-WM zieht es deshalb zunehmend in autoritär regierte Länder mit schwerreichen Staatskonzernen. Autokraten und globale Sportbosse sprechen dieselbe Sprache. Im Verein erhoffen sich beide gesellschaftliche Aufwertung. Das globale Endturnier der Fußballer findet 2018 in Putins Russland statt, 2022 wurde es ins Wüstenemirat Katar vergeben, wo die Menschenrechtslage prekär ist und die klimatischen Voraussetzungen für Hochleistungssport bei Temperaturen jenseits der 40 Grad eher suboptimal sind. Dass im Umfeld der Vergabe an Entscheidungsträger in der FIFA Schmiergelder geflossen und Vergünstigungen gewährt wurden – die Londoner Sunday Times enthüllt dazu seit Tagen schmutzige Details, in deren Nähe zuletzt auch Deutschlands Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer gerückt ist – , macht die Sache nicht besser.
Für Winter-Olympia 2022 dünnt das Bewerberfeld auch immer weiter aus. Die Bürger in Oslo und Krakau, wo Wintersport Tradition hat und sanfte Spiele nach dem Münchner Vorbild geplant waren, haben sich gegen die Ausrichtung ausgesprochen – sie wollen sich den Olympiern nicht ausliefern. Im Rennen sind nun noch Lemberg in der Ukraine, wo man derzeit allerdings ganz andere Sorgen hat, und die eher weniger als Wintersportorte bekannten Städte Peking in China und Almaty in Kasachstan. Der Leumund der Herrscher dort passt zu den Blatters und Bachs der durchkommerzialisierten Sportwelt. (Jürgen Umlauft)

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