Wenn Margarete Bause erklären soll, warum Bayern ein offenes und förderndes Integrationsgesetz braucht, erzählt die Fraktionschefin der Grünen eine Geschichte aus dem Jahr 2008. Mit einer Landtagsdelegation war sie damals in Quebec, wo eine junge Frau der Gruppe aus Bayern in perfektem Deutsch das Land nahe brachte. Woher sie so gut Deutsch könne, habe der mitgereiste Landtagspräsident Alois Glück (CSU) gefragt. Nun, sie sei als Flüchtling aus dem Kosovo nach Bayern gekommen, habe dort fünf Jahre gelebt und als Altenpflegerin gearbeitet. Warum sie nach Kanada ausgewandert sei, wo Bayern doch Menschen wie sie brauche, habe Glück noch wissen wollen. Antwort der Frau: „Weil Sie mich ausgewiesen haben.“
Vielfalt sei eine Bereicherung, jedes Individuum in Bayern ein Gewinn für das Land, hat Bause aus dieser Episode gelernt. Deshalb hat ihre Fraktion ein eigenes Integrationsgesetz in den Landtag eingebracht und bewusst gegen die Vorlage der Staatsregierung gestellt. Bildung und Integration von Anfang an soll es bieten, Migranten Verlässlichkeit und Klarheit bringen, Kommunen und Ehrenamtliche bei ihren Integrationsbemühungen stärken und vor allem nicht an jeder Ecke mit der Sanktionskeule drohen. Damit wären auch schon die wichtigsten Defizite aufgezählt, die Bause im CSU-Entwurf gefunden hat. Gar nichts anfangen kann sie zudem mit der von der CSU propagierten „Leitkultur“. „Wollen wir wirklich im kulturellen Gleichschritt zurück in die miefigen 50er Jahre?“, fragt sie.
Für Sozialministerin Emilia Müller ist das Gesetz ein „ausgewogenes Gesamtpaket“, das dem Leitmotiv des Forderns und Förderns folge. „Wir wollen, dass Migranten mit uns in Bayern leben und nicht neben oder gegen uns“, sagt Müller vor dem Hintergrund, dass derzeit 155 000 Flüchtlinge und Asylbewerber im Freistaat untergebracht sind. Wer ins Land komme, müsse auch die Bereitschaft zeigen, die hiesige Leitkultur zu akzeptieren und sich zu integrieren. Wer das nicht wolle, sich Angeboten entziehe oder gar gegen Staat und Gesellschaft agitiere, müsse eben mit Sanktionen rechnen. Im Stile eines Wahlkämpfers stellt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer klar: „Die Menschen wollen, dass Bayern Bayern bleibt.“ Darauf könnten sie sich bei der CSU verlassen.
CSU-Fraktionschef Kreuzer: "Damit Bayern Bayern bleibt"
Wohl ohne es zu wollen, bestätigt Kreuzer damit die Einschätzung zweier Professoren der Uni Erlangen-Nürnberg. Die haben im Auftrag der SPD-Fraktion den Regierungsentwurf unter die Lupe genommen und dessen Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt. Die Vorlage setze nicht auf Integration, sondern auf Assimilation der Zuwanderer, und das widerspreche bundesrechtlichen Vorgaben. Zudem gingen manche Strafandrohungen unzulässig über Bundesrecht hinaus, einzelne Bestimmungen, wie der umstrittene „Schwimmbad-Paragraph“, seien nur schwerlich mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar. „Der Entwurf ist im Ton feindselig und stellt Migranten unter Generalverdacht“, urteilt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und kündigt Verfassungsklage an. Er habe nichts gegen das Prinzip des Forderns und Förderns. Nur müsse beides gleichberechtigt nebeneinander stehen. Im geplanten Bundesgesetz sei das der Fall, im bayerischen Landesgesetz nicht.
Alle gegen die CSU: Die Phalanx der Kritiker ist breit
Die Phalanx der Kritiker aus Opposition, Kirchen, Sozial- und Flüchtlingsverbänden ist breit. Der bayerische Flüchtlingsrat attestiert dem Gesetzentwurf, bei allen finanziellen Anstrengungen des Freistaats seien die konkreten Integrationsangebote zu vage, auch fehle der Rechtsanspruch auf integrierende Maßnahmen. Integration hänge von der Bereitschaft der Eingewanderten und der Einheimischen ab, betont Ratssprecher Stephan Dünnwald außerdem. Die CSU verlange diese Bereitschaft aber nur von den Zuwanderern. Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY) fasst ihre Kritik so zusammen: „Das skizzierte Bild von Migranten ist von negativen Vorurteilen geprägt.“ Detailliert ausgeführt würden lediglich Forderungen und Sanktionen gegen Flüchtlinge, konkrete Fördermaßnahmen blieben unbestimmt. Zudem vermisst die AGABY Ansätze für die nachhaltige Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Auch das sei Teil von Integration.
Im Grunde hält auch der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer (CSU) den Gesetzentwurf der Staatsregierung für zu repressiv und wenig motivierend. Man dürfe nicht nur mit Sanktionen drohen, sondern müsse für besonders vorbildliche Integration auch Belohnungen anbieten, meinte Neumeyer noch im Frühjahr im Bayerischen Rundfunk. Doch Müller und die CSU-Fraktion fuhren ihm in die Parade. Als Demokrat müsse er sich den Mehrheiten beugen, zog sich Neumeyer zumindest öffentlich aus der Debatte zurück. (Jürgen Umlauft)
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