Für die 1993 gegründete Tierschutzpartei sitzt Stefan Bernhard Eck im EU-Parlament – 1,2 Prozent der Wähler machten das Kreuz bei seiner Partei "Mensch Umwelt Tierschutz". Der in Saarbrücken lebende 58-jährige Werbekaufmann sagt: "Tierrechte brauchen eine politische Kraft."
BSZ: Herr Eck, fordern Sie tatsächlich gleiche Rechte für Menschen und Tiere?Stefan Bernhard Eck: Nein! Wir fordern doch kein Wahlrecht für Gorillas oder Kühe (lacht). Aber wir wollen, dass jedes Lebewesen seiner Existenzberechtigung entsprechend ethisch bewertet und behandelt wird. Und dazu gehören die Rechte auf ein „artgerechtes Leben“, auf Freiheit und auf ein Leben ohne Schmerz.
BSZ: Sie ziehen nun als Einzelkämpfer in das EU-Parlament ein...Eck: ... ich bin keineswegs ein Einzelkämpfer. Mit meiner Kollegin Anja Hazekamp von unserer niederländischen Schwesterpartei wird eine weitere Abgeordnete einer Tierschutzpartei im Parlament sitzen. Unsere Partei Mensch Umwelt Tierschutz war im Gründungsjahr 1993 übrigens die erste Tierschutzpartei weltweit. Heute gibt es sie ihn vielen europäischen Ländern und fast alle haben unsere wichtigsten programmatischen Ziele weitgehend übernommen.
BSZ: Warum braucht es eine eigene Tierschutzpartei, die Grünen kämpfen doch ebenfalls für den Tierschutz?Eck: Aber sie sind mit bestimmten Forderungen nicht fundamental genug. Die Grünen fordern zum Beispiel weniger und humanere Tierversuche. Wir aber kämpfen für die komplette Abschaffung. Und wir fordern, dass Forschung, die ohne Tierversuche auskommt, finanziell besser unterstützt wird. Tierschutz und Tierrechte brauchen eine politische Kraft. Sie sind der beste Menschen- und Umweltschutz.
BSZ: Die Abschaffung von Tierversuchen - ist das eine Hauptforderung, mit der Sie sich nach Brüssel aufmachen?Eck: Ja, natürlich, aber wir wollen auch der ausufernden Massentierhaltung Paroli bieten. Denn die Folgen für Natur, Tier und Mensch sind katastrophal. Denken Sie nur an die Gammelfleisch- und Antibiotika-Skandale und an die mit Nitrat verseuchten Böden und das mit Gülle kontaminierte Grundwasser. Ein weiteres großes Thema, das mit der Massentierhaltung zusammenhängt, ist die kaum mehr aufzuhaltende Klimaerwärmung. Wir steuern hier auf eine Katastrophe zu und müssen dringend fragen: Was kann die EU dem entgegensetzen? Laut UN-Bericht gehen etwa 14 Prozent aller Treibhausgase auf den motorisierten Verkehr zurück. Fleischkonsum schlägt dagegen mit 18 Prozent zu Buche.
"Jeder muss selbst entscheiden, ob er Fleisch isst"
BSZ: Sie selbst sind Veganer, wollen Sie das Fleischessen generell verbieten lassen?
Eck: Nein, natürlich nicht. Die Entscheidung muss dem Konsumenten überlassen werden, ob jeden Tag Fleisch und Wurst auf dem Teller liegen, ob er diese Nahrungsmittel reduziert oder ganz darauf verzichtet. Jeder muss die Entscheidung, ob er sich ethisch korrekt, umweltbewusst und gesund ernähren will, selbst entscheiden. Wir wollen nur zum Hinterfragen anregen.
BSZ: Wo steht die Tierschutzpartei politisch?Eck: Im politischen Spektrum stehen wir zwischen SPD und der Partei Die Linke, aber viel näher bei der letztgenannten. Die immense Tierausbeutung und damit verbundene Tierquälerei – und die Folgen für den Menschen und die Umwelt - sind doch die negativen Auswüchse unseres profitorientierten Wirtschaftssystems. Wachstum um jeden Preis: Nicht mit uns! Daneben gibt es aber auch andere Gründe, warum wir links angesiedelt sind, zum Beispiel die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich.
BSZ: Wollen Sie sich im EU-Parlament einer der Fraktionen anschließen?Eck: Natürlich, nur so kann ich etwas bewegen. In Frage kommen die europäischen Grünen und die nordisch grün-linke Allianz, ein Zusammenschluss von bislang sieben nordischen Grün-Links-Parteien. Ich tendiere zur letzteren, möchte mich aber hier noch mit meiner holländischen Kollegin besprechen.
BSZ: Auch wenn Sie mit Ihrer holländischen Kollegin Unterstützung haben, es wird nicht leicht werden, sich für Ihre Themen im EU-Parlament Gehör zu verschaffen.Eck: Ja, hier muss man auf dem Boden der Realität bleiben. Aber ich werde Impulse setzen, indem ich Informationen bereitstelle, die den einen oder anderen Abgeordneten vielleicht überzeugen werden. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass es im EU-Parlament bereits eine kleine Gruppe von Abgeordneten gibt, die sich für den Tierschutz einsetzt. Ich bin beispielsweise mit dem neuen Abgeordneten der ÖDP, Professor Klaus Buchner, sehr eng befreundet, und weiß, dass wir hier auf einer Linie liegen. Zum Wohle Europas werden wir natürlich alle Anträge unterstützen, die uns sinnvoll erscheinen - auch über die Fraktionsgrenzen hinaus.
"Meine Devise ist: Mehr Europa wagen"
BSZ: Zum Wohle Europas – rechte Parteien, die nicht gerade europafreundlich sind, haben stark zugelegt. Haben Sie eine Erklärung?Eck: Ich bedauere das zutiefst. Vielleicht liegt es an der Politikverdrossenheit, für die vor allem die etablierten Parteien verantwortlich sind. Die Wähler wandern ab, weil diese sich zwar programmatisch noch unterscheiden, nicht aber in der politischen Entscheidung. Dazu kommt: Wir haben die Eurokrise noch längst nicht überstanden – man sucht also nach "Alternativen" – sei dies nun in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Griechenland und vielen anderen Ländern der EU. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Europa fehlt es gerade der jungen Generation an Zukunftsperspektiven. Mit populistischen Sprüchen lockt man sie leicht ins rechte Lager. Aber Europa ist eine epochale Idee, die es unter allen Umständen zu erhalten gilt. Noch nie gab es in Europa eine längere Friedensperiode als jetzt. Die Menschen begegnen sich auf Augenhöhe, alte Erbfeindschaften sind überwunden. Deshalb ist unsere Divise: Mehr Europa wagen.
BSZ: Sind Sie am Ende gar keine Ein-Thema-Partei?Eck: Nein, das wird oft missverstanden aufgrund der Kurzbezeichnung Tierschutzpartei. Wir können bei allen großen Themen mitreden.
BSZ: Wie wollen Sie denn zum Beispiel Europas hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen?Eck: Die Jugendarbeitslosigkeit – vor allem in den südlichen Mitgliedstaaten der EU – können wird nur durch massive Investitionsprogramme eindämmen. Anstatt marode Banken zu retten, muss in die Zukunft der Jugend investiert werden. Daneben werden Schuldenschnitte mit Augenmaß nötig sein, damit die Krisenstaaten wieder auf die Beine kommen. Dann geht auch die Jugendarbeitslosigkeit nach und nach zurück. (
Interview: Angelika Kahl)
Lesen Sie in der gedruckten Ausgabe der Bayerischen Staatszeitung vom 6. Juni 2014 einen Hintergrundbericht über die Abgeordneten der kleinen Parteien, die es ins EU-Parlament geschafft haben.
Hier lesen Sie ein Interview mit Julia Reda, Europas einziger Piratin, die es ins EU-Parlament geschafft hat.
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