Einkäufe im Internet sparen angeblch viel Zeit. Schließlich wird die beim Versandhändler bestellte Ware von Paketzustellern bis an die Tür geliefert. Zumindest werben die Anbieter mit diesem Service. Doch die Praxis sieht bei zahlreichen bayerischen DHL-Kunden offenbar anders aus. Diese Erfahrung musste auch der Ebay-Besteller André Veit machen. Mehrmals war der 35-jährige Münchner in den vergangenen Jahren umgezogen. „Doch in jeder Wohnung gab es immer wieder aufs Neue Schwierigkeiten mit Bestellungen via DHL“, sagt er. In einem Germeringer Hochhaus etwa habe der Paketdienstleister kein einziges Mal geklingelt. „Dabei war damals immer jemand daheim. Aber der DHL-Bote wollte sich wohl ein paar Stockwerke sparen.“ Statt des erhofften Päckchens habe Veit immer ein „Nicht angetroffen“-Kärtchen im Erdgeschoss-Briefkasten vorgefunden. Er könne die Sendung bei der nächsten Postfiliale abholen, ließ ihn die DHL auf dem Abholzettel wissen.
Gar kein oder zu kurzes Klingeln
In Internetforen finden sich Unmengen an Beschwerden über die zur Deutschen Post gehörende DHL. Die von Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet geschilderten Probleme sind meist dieselben: Der DHL-Bote würde oftmals gar nicht oder zu kurz klingeln. Obwohl der Kunde nach eigener Aussage den ganzen Tag zu Hause war, lande dann lediglich eine Abholkarte im Briefkasten. Vor allem Kunden in oberen Stockwerken sind betroffen. „Wie oft habe ich schon das DHL-Auto an uns vorbeifahren sehen“, schreibt eine erboste Kundin. Andere Besteller behaupten sogar, der Paketbote habe noch nicht einmal einen Zettel eingeworfen, weshalb das Päckchen nach einigen Tagen Aufbewahrungszeit im Postamt einfach an den Absender zurückgegangen sei.
Auch im Gespräch mit der Staatszeitung berichtet eine Vielzahl von bayerischen DHL-Kunden über Probleme mit ihren Paketboten. „Es ist schon nervig, wenn man das Päckchen extra bei der Post abholen muss, und dass, obwohl man die ganze Zeit daheim war“, sagt ein oberbayerischer Betroffener. Ein anderer Kunde, der im höchsten Stock eines Münchner Mietshauses lebt, berichtet, auch er habe beobachtet, wie der DHL-Wagen einfach vorbeibrauste, statt bei ihm zu klingeln.
Bei der DHL kennt man die Thematik schon länger. Hinweise von Kunden, Paketzusteller würden „vermeintlich Benachrichtigungskarten in Briefkästen einwerfen“, ohne vorher zu klingeln, seien der Firma bekannt. „Aber wir beobachten keine Häufung von Beschwerden“, sagt eine Sprecherin.
Aus Sicht der DHL sind die Reklamationen häufig unbegründet. In vielen Fällen, so die Sprecherin, räumten die Kunden bei Gesprächen mit dem Kundenservice später ein, nicht die ganze Zeit in der Wohnung gewesen zu sein: „Ein Gang in den Garten oder in den Keller reicht ja manchmal schon aus, um eine Klingel gegebenenfalls nicht zu hören.“ Dem Zusteller entstehe laut DHL „kein echter Zeitvorteil“, wenn er erst gar nicht beim Kunden klingle. Denn er müsse die Sendung dann ja wieder bearbeiten und zur Filiale bringen.
Laut der Post-Tochter gibt es in Bayern nicht mehr Beschwerden als in anderen Bundesländern. Vor allem auf dem Land gebe es kaum Probleme. Die Zustellqualität sei bei der DHL sehr hoch, so die Sprecherin. „Dass es in Einzelfällen aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder zu Unzufriedenheiten kommen wird, können wir natürlich nie ausschließen.“
Alles nur Einzelfälle? Beim Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT) will man das nicht so recht glauben. „Es kommt häufig vor, dass die Paketzusteller der DHL den Kunden, ohne zu klingeln, einfach einen Zettel mit dem Vermerk ,nicht angetroffen’ in die Briefkästen ablegen“, kritisiert Serkan Antmen, der beim DVPT die Postkunden betreut. Beim DVPT, der Geschäftskunden der Post vertritt, seien zahlreiche entsprechende Beschwerden eingegangen. Betroffen sind Antmen zufolge aber vor allem Privatkunden. „Da scheint wohl vielen Paketzustellern am Ende einer Zustelltour schlicht die Zeit auszugehen“, ist Antmen überzeugt. Denn die Arbeitsbelastung vieler Zusteller sei hoch.
"Die Paketzusteller arbeiten unter enormem Zeitdruck"
Auch die Verbraucherzentralen kennen das Problem: „Es gibt bei uns eine Reihe von Beschwerden über DHL-Boten“, sagt etwa Julia Rehberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Bei der Verbraucherzentrale Bayern gehen ebenfalls immer wieder entsprechende Schilderungen ein.
Nicht nur die DHL steht in der Kritik. Über andere Paketunternehmen wie DPD oder Hermes finden sich im Internet ebenfalls häufig Beschwerden. In Verbraucherforen und im Gespräch mit der BSZ berichten DPD-Kunden, die Boten der Firma würden häufig die Pakete einfach nur im Hausflur ablegen. Ein Sprecher des DHL-Konkurrenten betont dagegen, die DPD-Zusteller würden in „aller Regel sehr gewissenhaft“ arbeiten.
Für Gabriele Peters von der Verbraucherzentrale Niedersachsen ist klar: „Die Paketzusteller arbeiten unter einem enormen Zeitdruck. Wenn er klingelt und dann nicht schnell reagiert wird, werfen die Mitarbeiter eben einfach einen Zettel ein.“ Betroffen seien vor allem ältere Menschen, die nicht mehr so schnell reagieren könnten oder schlechter hörten. Bei der Gewerkschaft Verdi heißt es ebenfalls, der Arbeitsdruck der Paketzusteller habe bei DHL und anderen Anbietern in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Hauptursache aus Sicht der Arbeitnehmervertreter: Viele Paketdienste wie DPD oder Hermes hätten einen Großteil ihrer Mitarbeiter an Subunternehmer ausgelagert. Laut Verdi werden die Zusteller bei diesen Firmen oft miserabel bezahlt und haben zudem ein kaum zu bewältigendes Arbeitspensum.
Auch die DHL hat Teile ihrer Belegschaft outgesourct. Lobende Worte finden Gewerkschafter dagegen ausgerechnet für den US-Konzern UPS. Das Unternehmen beschäftige in der Regel nur Stammpersonal und zahle gut. Allerdings ist die Firma deshalb oft teurer als seine Konkurrenten. Viele Geschäftskunden setzen dennoch auf UPS. „Wegen der Zuverlässigkeit“, sagt ein Klein-Unternehmer, der gerne via UPS bestellt. Bis zu fünf Mal stellt die Firma ein Paket zu, wenn der Kunde nicht zu Hause ist. (Tobias Lill)
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