"In der Theresienstraße wohnend, ließ ich Bienen aus den Fenstern meines Schlafzimmers fliegen. Als mir aber, trotz aller Aufmerksamkeit, im Juni 1840 ein Korb schwärmte, der Schwarm sich in der Ludwigsstraße zog und dort an einer Droschke anlegte, wurde mir von Polizei wegen unter Strafandrohung aufgegeben, meine Stöcke sofort wegzuschaffen." Diese Zeilen stammen aus dem Tagebuch von August von Berlepsch (1815 bis 1877) und betreffen die Zeit, als sich der umtriebige Bienenforscher aus Seebach in Thüringen, der mit seinen Entwicklungen die Bienenzucht im 19. Jahrhundert geprägt hat, zu Studienzwecken in München aufhielt.
Anders als der „Bienenbaron" Berlepsch im Jahr 1840 muss der
Münchner Stadtimker im Jahr 2014 keine Strafandrohung mehr befürchten. Im Gegenteil: Schwärmende Bienen sind keine Seltenheit mehr. Es ist dagegen „hip" geworden, sich auch mitten in der Großstadt um Bienen zu kümmern. Unter dem Motto „München summt" stehen Bienenstöcke auf den Dächern der Staatsoper, der Neuen Pinakothek und auf dem Gasteig. Die örtlichen Imkerkurse sind ausgebucht, seitdem die Bienenfangemeinde so angewachsen ist. Auch in anderen bayerischen Großstädten summt es: In Augsburg im Garten des Schaetzlerpalais, in Nürnberg auf den Burganlagen. Laufend kommen neue urbane Standorte hinzu.
Die neue Begeisterungswelle tut gut, denn die Honigbiene ist stark bedroht – und mit ihr die rund 500 Wildbienenarten (sowie viele andere Insektenarten), die es in Deutschland gibt. Besonders auf dem Land, wo eintönige Maisäcker ohne bunt blühende Feldraine und Hecken das Landschaftsbild bestimmen und auf den meisten Getreideäckern längst keine Korn- oder Mohnblumen mehr blühen, fehlt es den Insekten an Nahrung. Die allerorten anzutreffenden Rapsfelder machen sie allenfalls für kurze Zeit „satt". Hinzu kommt, dass in der industrialisierten Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Spritzmitteln die Bienen kontinuierlich geschwächt werden. Dann haben Krankheitserreger ein leichtes Spiel. Allen voran die seit 1977 in Deutschland umgehende Varroamilbe, die so gut wie jeden Bienenstock befallen hat. Aber auch andere Krankheiten setzen den gängigen Bienenrassen zu, nicht zuletzt der noch gar nicht vollständig verstandene „Völkerkollaps" (Colony Collapse Disorder), der in den USA seinen Ursprung hatte: Er lässt ganze Bienenvölker plötzlich sterben. Und bis vor kurzem, also bevor sich der neue Großstadttrend ausbreitete, hatten die Imker auch noch Nachwuchssorgen; es gab immer weniger Menschen, die sich um Bienen kümmern wollten. All dies zusammengenommen führte dazu, dass in Bayern die Zahl der Bienenvölker in den letzten 20 Jahren um mehr als die Hälfte abgenommen hat. Waren es im Jahr 1991 noch rund 350 000 Bienenvölker, so zählte man im Jahr 2012 nur noch rund 155 000.
Doch gerade in Bayern spielt die Imkerei seit Jahrhunderten eine große Rolle. Schon im Mittelalter wurde im Reichswald östlich von Nürnberg rund um die heutige Marktgemeinde Feucht die sogenannte Zeidlerei betrieben. „Mit honigreichen Fichten und Tannen bestockt, mit vielen Saalweiden, Haselstauden, Erlen, Spurkeln [Faulbeeren], Brombeeren, Schwarz- und Preiselbeeren und ausgedehnten Heideflächen", so soll, dem Bienenkundler J. M. Lotter zufolge, der Reichswald damals ausgesehen haben. Er galt als „des Reiches und des Kaisers Bienengarten" – spätestens seit dem 13. Jahrhundert, als den Zeidlern des Reichswaldes das Privileg verliehen wurde, Honigwaben aus hohlen Bäumen herauszuschneiden, Bienenschwärme einzufangen und sich als Waldbeamten um die Erhaltung und Pflege des Waldes zu kümmern. Im Gegenzug waren die Zeidler, denen mit dem Zeidelgericht in Feucht eine eigene Gerichtsbarkeit zugebilligt wurde, zu Kriegsdiensten verpflichtet. Das Zeidelmännchen mit der Armbrust im Wappen von Feucht erinnert noch heute daran. Einen Teil ihres Ertrags an Honig und Wachs mussten die Zeidler abgeben.
Honig war gefragt zum Süssen der Speisen und speziell in Nürnberg für die Herstellung der Lebkuchen. Das Bienenwachs brauchte man auch für Kerzen. So soll Wachs aus dem Reichswald bis nach Wien gelangt sein, um den Stephansdom zu beleuchten.
Die Preise für Bienenvölker waren hoch. Für das Jahr 1538 weiß man, dass ein Bienenvolk drei Gulden kostete. Zum Vergleich: Eine Kuh war nur um zwei Gulden teurer.
Neben der Waldbienenzucht hielten die Zeidler zunehmend auch Bienen am Haus. Anfangs schnitten sie einfach die Stammstücke hohler Bäume, die im Wald die Bienen beherbergten, heraus und stellten diese sogenannten Klotzbeuten in der Nähe des Hauses auf. Später wurden auch andere „Beuten" als Bienenwohnungen: Zum Beispiel unten offene Fässer; mit der Zeit setzten sich glockenförmige Bienenkörbe durch.
Schon 1390 soll es um Feucht herum 92 Zeidelgüter gegeben haben. Wie Urkunden belegen, wurde auch außerhalb des Nürnberger Reichswaldes gezeidelt: im Hochstift Bamberg, in der Markgrafschaft Ansbach, im Fichtelgebirge und in der Oberpfalz. Die Bauernkriege und besonders der Dreißigjährige Krieg führten schließlich zum Niedergang der Zeidelwirtschaft. Durch die Reformation und die nachfolgende Auflösung vieler Klöster war zudem der Bedarf an Bienenwachs für Kerzen beträchtlich gesunken. 1796 endete auch das Zeidelgericht in Feucht... (
Petra Raschke)
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Juli/August-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 30 vom 25. Juli 2014)
Abbildung (Foto: Archiv)
Die Zeidlerei war zunftmäßig organisiert. Von Kaiser Karl IV. erhielten sie 1350 einen „Freibrief", der ihnen auch das Tragen von Waffen, in diesem Fall einer Armbrust, in den Wäldern erlaubte.
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