An der Seite der Wirtschaft lotet die Entwicklungspolitik Strategien für einen nachhaltigen Ausbau des ökonomischen Potenzials Afrikas aus. Vor Jahren noch unvorstellbar, scheint ein Paradigmenwechsel erkennbar zu sein. Nötig sind aber Mut, Entschlossenheit und visionäres Denken.
Eine vor Kurzem vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik vorgestellte Studie legt dar, wie 20 Millionen neue Arbeitsplätze in Afrika entstehen können. Der weltweit zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik mit führende Think Tank setzt bei seiner Analyse auf Investitionen in Human Resources, Umsetzung des Rechtsstaats, der Förderung von Unternehmertum und Bekämpfung von Korruption. Die Schaffung von Jobs ist ein Schwerpunkt des im Januar dieses Jahres von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vorgelegten Konzepts für einen „Marshallplan mit Afrika.“ Die bayerische Wirtschaft soll nun Teil dieser globalen Zukunftspolitik werden.
Die Zukunft des einst gerne „Schwarzer Kontinent“ genannten Afrikas scheint durchaus golden, zumindest aber bieten selbst bei konservativer Betrachtung viele Länder eine Aufhellung der Rendite-Perspektiven. Entsprechend engagiert zeigte er sich im Sommer bei einer hochkarätig besetzte Veranstaltung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Zusammen mit dem Bundesentwicklungsministerium (BMZ), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde den anwesenden Unternehmen des Freistaates die neu erarbeitete Entwicklungsstrategie für deutsch-afrikanische Beziehungen im 21. Jahrhundert präsentiert. Wie, so das Interesse der Anwesenden, kann das deutsche Engagement die wirtschaftlich-politischen Karten für Bayern neu mischen? Eine Unterstützung nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“, wie sie die G20-Afrikakonferenz im Juni 2017 in Berlin zur Grundlage der Reformpartnerschaften mit Ghana, Côte d’Ivoire und Tunesien sieht, soll eine zweifelsohne lukrative Tür zu bisher unerkannten Investitionsfeldern in Afrika öffnen und vielversprechende Möglichkeiten für Handel sowie Produktion erschließen.
Während der Tagung „Dialog International – Investitionspartnerschaft mit Afrika“ im Haus der vbw in München veranschaulichte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt, dass in Afrika noch viele ungenutzte Marktchancen bestehen. Die zunehmende „Stabilisierung des Nachbarkontinents schafft eine Win-win-Situation“. „Africa rising“ anstatt „hopeless continent“, Chancen- anstatt Krisenkontinent. Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller, der persönlich seinen Ansatz erläuterte, konnte überzeugend darlegen, dass der Impuls seines Ministeriums kein metaphorischer Unfug ist, sondern der zeitgemäße Versuch der Quadratur des Kreises von Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik.
Aufstrebende Länder
Tatsächlich verhelfen in Afrika politische und wirtschaftliche Reformen den aufstrebenden Ländern zu kräftigen wirtschaftlichen Impulsen sowie Wohlstandsgewinnen. Allein in den vergangenen 15 Jahren vermochten die Anrainer der Subsahararegion teils maßgebliche Reformfortschritte zu machen, die in der Lage waren die Staatsschulden auf unter 40 Prozent des BIP abzubauen. Mit einer verbesserten Haushaltsdisziplin konnte die Inflation auf unter zehn Prozent gedrückt werden.
Infrastrukturinvestitionen, ausländische Direktinvestitionen, Rohstoffexporte und aufkommender Privatkonsum ermöglichten den Ländern, ihr reales BIP in den vergangenen zehn Jahren, um fünf bis sieben Prozent zu steigern. Regionale Wirtschaftsgemeinschaften begünstigten dabei den intra-afrikanischen Handel. Anspruchsvolle Reformprogramme, Budgettransparenz und der Versuch mittels effizienterer Steuervereinnahmung den Haushalt zu stabilisieren, sorgen für eine konsumhungrige wachsende Mittelschicht. Die mobile Informations- und Kommunikationstechnologie wird zunehmend zu den bedeutendsten Wachstumstreibern. Unterstützt werden soll dies durch einen konsequenten Ausbau des Wissenschaftsstandortes Afrika.
„Das Exportvolumen Bayerns nach Afrika betrug 2016 rund 2,6 Milliarden Euro. Damit gingen insgesamt nur 1,4 Prozent der Exporte des Freistaats nach Afrika. Umgekehrt importierte der Freistaat 2016 Waren im Wert von 2,4 Milliarden Euro aus Afrika, das entspricht einem Anteil von 1,5 Prozent aller Importe. Auch der Bestand an Direktinvestitionen bayerischer Unternehmen in Afrika ist relativ niedrig“, musste Brossardt eingestehen. Die vbw sieht dabei große „Chancen beim Ausbau der Infrastruktur, im Energiesektor sowie bei der Zulieferung von Maschinen und Anlagen für sich entwickelnde Wirtschaftszweige, wie etwa die Textilwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion.“
Verlässliche Investitionsbedingungen gefordert
Nachdrücklich wies Brossardt darauf hin, dass die bayerische Wirtschaft angesichts der Größe des Kontinents „mit diesem Ausmaß der wirtschaftlichen Verflechtung nicht zufrieden sein“ kann. Die Wirtschaft benötigte verlässliche und sichere Investitionsbedingungen. Die Forderung nach Reformbereitschaft einzelner Staaten und Schaffung nachhaltiger Strukturen liegt zwar auf der Hand, verpufft aber angesichts eines fehlenden finanziellen Hebels. Krieg, Terror oder Hunger vor Ort verhindern bisher das Überwinden alten Schubladen- und Kompetenzdenkens. Sinnvolle wie nachhaltige strategische Entscheidungen lassen sich hier nicht ohne nationale beziehungsweise supra-nationale Entwicklungsakteure machen.
Mit dieser Erkenntnis muss man sich zudem gegen keinen Geringeren als China durchsetzen. Denn „Chinafrika“, wie der Kontinent oftmals scherzhaft genannt wird, ist bereits Realität geworden. Die Statistik weist für den Gürtel südlich der Sahara gerade einmal zwei deutsche Investoren aus, in ganz Afrika gar sind es bisher nur rund 1000. Hingegen wurden in den vergangenen Jahren allein weit über 2500 chinesische Firmen in Afrika gegründet. Experten befürchten, dass wenn Europa nicht schnell handelt, die künftigen Wachstumsmärkte auf Jahrzehnte an die asiatische Großmacht vergeben sind. Diese setzt bereits seit Jahren auf global-ökonomische Strategien zur Reichweitensteigerung der eigenen Wirtschaft, eine Art synergetische Mischung von öffentlichen und privaten Mitteln. Von den Ländern der westlichen Hemisphäre wurde dies zunächst belächelt, dann aber als Vorbild moderner Entwicklungsprojekte entdeckt. Das eigene Repertoire der klassischen Entwicklungszusammenarbeit steht vor einer radikalen Überarbeitung.
Nachhaltige Gestaltung
Heute sprechen viele Beobachter von einer Zukunft „Beyond Aid.“ Das dominierende System der Zuweisungen ist nicht mehr kompatibel zu einer nachhaltigen Gestaltung der Globalisierung. Im europäischen Eigeninteresse müssen diese Probleme schnellstens gelöst werden, bevor deren Auswirkungen vor Ort noch stärker zu spüren sind, wobei die Fluchtursachenbekämpfung nur ein Teil ist.
Der stellvertretende Generaldirektor für internationale Zusammenarbeit der EU-Kommission in Brüssel, Klaus Rudischhauser, bestätigte in der Podiumsdiskussion, dass die Entwicklungspolitik sich grundlegend geändert hat, „ohne die Wirtschaft geht es nicht – das weiß man inzwischen auch in Afrika.“ Dabei will man überdies mit China zusammenarbeiten. Der gelbe Riese ist zwar offensichtlich daran interessiert, vornehmlich in den Abbau von Rohstoffen zu investieren, und damit seiner heimischen Wirtschaft ein Back-up zu garantieren. Dennoch strebt Müller an, mit dem größten Investor von Infrastruktur auf dem afrikanischen Kontinent zu kooperieren. BDI-Präsident Professor Dieter Kempf mahnte, „ohne starke Wirtschaft kann es keine nachhaltige Entwicklung geben.“
Freie Märkte im Visier
Betreibt nun das Entwicklungsministerium Wirtschaftspolitik? Müller versichert, dass es Deutschland allein um freie Märkte und entwicklungspolitische Perspektiven geht. Den Verdacht, dass die ehemaligen europäischen Kolonialnationen ohne Reflexion an den noch losen Enden der eigenen Ausbeutungsgeschichte wieder anknüpfen, versuchte Roland Schuler, Mitglied des Vorstandes der BayWa AG, die seit langen ins Afrikageschäft investiert, zu entkräften. Er hob hervor, dass im Landwirtschaftssektor nur nachhaltiges Wirtschaften, Arbeitsplätze und letztendlich Gewinne schafft. So würde sein Unternehmen keinesfalls genverändertes Saatgut entwickeln, das unter Umständen wegen seiner Einjährigkeit und dem daraus quasi resultierenden Wiederverkaufszwangs Bauern in den Ruin treibt, sondern solches, das in der Lage ist, sogar in Trockengebieten zu wachsen.
Die gemeinsame Initiative hilft kleinen und mittelständischen Unternehmen Bayerns mit einem Interesse am ostafrikanischen Markt. Deutsches Know-how in der Berufsbildung und der Umwelt- und Energietechnik wäre ein Garant, Afrika verstärkt als vielversprechenden Wirtschaftspartner und Zukunftsmarkt statt als Empfänger von Entwicklungshilfe einzubinden.
Die Möglichkeit, vielfältige Wertschöpfungsketten zu generieren, könnte vor Ort Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Afrikaner sichern. Eine Transferierung des erprobten dualen Ausbildungssystems und Tandem-Partnerschaften sollen nicht nur Investitionen sichern, sondern auch einen Beitrag leisten, Ausbeutung zu beenden und fairen Handel umzusetzen. Die Deckungsmöglichkeiten bei Exportkreditgarantien konnten dazu erweitert werden. Zudem baut die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine Tochter der KfW Bankengruppe, ihr Angebot zur Privatwirtschaftsförderung in Afrika aus. Der Aufbau von weiteren Beratungsstellen ist geplant.
Die bayerische Wirtschaft ist auf dem Weg Teil einer globalen Zukunftspolitik zu werden. Noch mag es ein wenig ambitioniert klingen, dass „bayerische Firmen“, wie Müller betont, „im eigenen Interesse, in der eigenen Verantwortung, weltweit nach sozialen und ökologischen Grundstandards produzieren.“ Aber die Aufmerksamkeit, die der bayerische Mittelstand dieser Initiative anlässlich der vbw-Veranstaltung entgegengebracht hat, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass nachhaltiges Wirtschaften in Afrika ein Trend mit Mehrwertpotenzial zu sein vermag.
(Rebecca Koenig)
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