Insgesamt 11,2 Milliarden Euro haben Deutschlands Stromverbraucher im Jahr 2013 gespart, weil in großem Umfang regenerativ erzeugter Strom ins Netz eingespeist wurde. (Foto: BSZ)
Insgesamt 11,2 Milliarden Euro haben Deutschlands Stromverbraucher im Jahr 2013 gespart, weil in großem Umfang regenerativ erzeugter Strom ins Netz eingespeist wurde. Das ermittelten jetzt Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg. Für ihr Diskussionspapier mit dem Titel „Deutschland ohne Erneuerbare Energien? – Stromkosten und Versorgungssicherheit ohne die Einspeisung Erneuerbarer Energien in den Jahren 2011-2013“ analysierten sie im Rahmen der Initiative Campus Future Energy Systems (FES) für die Siemens AG die Strompreisentwicklung der vergangenen Jahre.
„Ein sensationelles Ergebnis, das den gesellschaftlichen und medialen Mainstream, dass die Stromkosten wegen der Energiewende explodieren, auf den Kopf stellt“, konstatierte heute Erlangens Alt-Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) bei der Vorstellung des Diskussionspapier im Energie Campus Nürnberg (EnCN). In seiner Eigenschaft als Landesvorsitzender des CSU-Arbeitskreises Energiewende betonte er, dass vor allem Solarstrom die teuren Mittagsspitzen dämpfe.
Auf der Basis historischer Daten der europäischen Strombörse EEX errechneten die Forscher um Professor Jürgen Karl vom Lehrstuhl für Energieverfahrenstechnik, wie sich Strompreise für Privathaushalte und gewerbliche Kunden entwickelt hätten, wären nach dem Unglück von Fukushima in den Jahren 2011 bis 2013 keine erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung verfügbar gewesen.
„Insofern kann die Wirtschaft froh sein, dass es regenerativ erzeugten Strom gibt, denn sonst hätte sie mit noch höheren Strompreisen zurechtkommen müssen“, sagte Karl der Staatszeitung. Das lässt die Klagen der Wirtschaft über zu hohe Strompreise in Deutschland in einem ganz anderen Licht erscheinen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Karls Berechnungen deutlich zeigen, dass hauptsächlich die privaten Verbraucher die Zeche für die Industrie zahlen. Denn die „privilegierten, stromintensiven Betriebe“ sind bekanntlich hierzulande von der EEG-Umlage, dem Strompreistreiber schlechthin, befreit.
Das im Hinblick auf das Ausmaß der Einsparungen überraschende Ergebnis des Diskussionspapiers zeigt, dass die Strompreissteigerungen in den vergangenen Jahren ohne eine Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik sogar noch deutlich höher ausgefallen wären als die aktuell diskutierten Strompreissteigerungen in Folge des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG).
Der Grund dafür ist der Rückgang der konventionellen und nuklearen Stromerzeugungskapazitäten besonders durch den von der Bundesregierung beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie nach Fukushima. Das verringerte Strom-Angebot an den bundesdeutschen Strommärkten hätte das Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage hin zu deutlich höheren Börsenpreisen verschoben. Dem gegenüber wirkten sich der Ausbau Erneuerbarer Energien und das daraus resultierende Überangebot an den Strommärkten sogar erheblich preismindernd aus.
Die Analyse zeigt, dass sich im „Day-Ahead“-Handel – dem Handel von Strom für den Folgetag – auf dem Spotmarkt des European Power Exchange (EPEX SPOT) die Strompreise ohne Wind und Sonne beispielsweise für das Jahr 2013 aufgrund des erheblich geringeren Stromangebots im Mittel um 5,29 Cent pro Kilowattstunde erhöht hätten. Den Kosten der EEG-Umlage von etwa 20,4 Milliarden Euro stehen dadurch im Jahr 2013 Einsparungen für konventionell erzeugten Strom von rund 31,6 Milliarden Euro gegenüber. Aus den historischen Börsendaten errechnen sich damit für die bundesdeutschen Letztverbraucher – also Endverbraucher, die den Strom privat oder gewerblich verwenden und nicht weiterveräußern – im Jahr 2013 trotz der Mehrkosten durch die EEG-Umlage insgesamt Einsparungen in Höhe von etwa 11,2 Milliarden Euro.
Dabei fällt die Ersparnis unterschiedlich groß aus. Für Privathaushalte und gewerbliche Stromverbraucher entsprechen die rekonstruierten Mehrkosten von 5,29 ct/kWh in etwa der für dieses Jahr fälligen EEG-Umlage von 5,277 ct/kWh – für sie hätte sich gegenüber den aktuellen Stromkosten also wenig geändert. Für die heute von der EEG-Umlage befreiten stromintensiven Betriebe allerdings hätte sich der Anteil der Erzeugungskosten an den Strombezugskosten mehr als verdoppelt.
Noch gravierender ist allerdings die Erkenntnis, dass ohne Wind und Photovoltaik mit der maximal zur Verfügung stehenden konventionellen und nuklearen Erzeugungskapazität über 269 Stunden des Jahres 2013 die Nachfrage nicht gedeckt hätte werden können. Dies bedeutet zwar nicht automatisch, dass in diesen Situationen Großstörungen („Blackouts“) entstanden wären, da die Betrachtung Reservekraftwerke für Systemdienstleistungen („Regelreserve“) und mögliche zusätzliche Stromimporte nicht berücksichtigt. Ein stabiler Netzbetrieb konnte in diesen Situationen allerdings nur durch die Einspeisung Erneuerbarer Energien sicher gewährleistet werden.
Durch den massiven Ausbau Erneuerbarer Energien reduzierten sich also für die Letztverbraucher nicht nur die Gesamtkosten des Strombezugs. Erneuerbare Energien erhöhen vor dem Hintergrund reduzierter konventioneller und nuklearer Kraftwerkskapazitäten auch die Versorgungssicherheit am bundesdeutschen Strommarkt.
Das Diskussionspapier zeigt außerdem, dass – unter der Voraussetzung, dass keine weiteren konventionellen Kraftwerke vom Netz genommen werden – bei einem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien gemäß dem von der Bundesregierung beschlossenem Ausbaukorridor die Strombezugskosten für die bundesdeutschen Letztverbraucher bis 2020 in etwa konstant gehalten werden können. Mit der Abschaltung der verbleibenden sechs Kernkraftwerke bis 2022 wird sich das Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage so stark verschieben, dass mit Strompreissteigerungen von bis zu 7 ct/kWh in nur zwei Jahren zu rechnen ist.
Spätestens ab 2023 ist es aus Sicht der Energieforscher der FAU daher unabdingbar, dass zusätzliche Erzeugungskapazitäten, insbesondere mit Technologien zur Spitzenlasterzeugung zur Verfügung stehen, um den Wegfall der Kernkraftwerke auszugleichen.
Im Rahmen der Initiative Campus Future Energy Systems (FES) arbeiten Siemens und die FAU gemeinsam an neuen Konzepten zur Nutzung erneuerbarer Energien, an modernen Speichertechnologien, und an kompakten, energieeffizienten Antrieben sowie kostengünstigen, flexiblen Verfahren für deren Fertigung. Das Diskussionspapier entstand im Herbst 2014 vor dem Hintergrund öffentlicher Diskussionen um stetig steigende Strompreise. (Ralph Schweinfurth)
Kommentare (2)