Diese Woche ist der zweite Offshore-Windpark, an dem die Stadtwerke München (SWM) beteiligt sind, offiziell in Betrieb genommen worden. Mit dem Windpark Gwynt y Môr vor der walisischen Küste wollen die SWM ihre Strategie voranbringen, bis zum Jahr 2025 so viel Ökostrom zu erzeugen, um die ganze bayerische Landeshauptstadt damit versorgen zu können.
„In München werden pro Jahr etwa sieben Terawattstunden, das sind sieben Milliarden Kilowattstunden, Strom verbraucht“, sagt Florian Bieberbach, der Vorsitzende der SWM Geschäftsführung, der Staatszeitung. Weil aufgrund des sehr hohen Energiebedarfs der Landeshauptstadt die Fläche in und um München herum nicht ausreicht, um dort genügend Anlagen zur Ökostromerzeugung zu installieren, beschreiten die SWM auch den europäischen Weg. Insgesamt neun Milliarden Euro sind für die Investitionen geplant, um das Ziel der grünen Stromversorgung für München zu erreichen. „Hierbei setzen wir die Erträge aus dem Stromgeschäft mit dem ersten Windpark für die Finanzierung des zweiten und so weiter ein. Denn auf einmal könnten wir diese Summe nicht stemmen“, so Bieberbach.
Doch nicht nur Offshore-Windparks sind für die SWM wichtig. Auch Windparks an Land benötigen sie, um ihre Strategie umzusetzen. „Diese Windparks betreiben wir allerdings zu einem großen Teil allein. Bei den Offshore-Anlagen machen wir das mit Partnern. Denn es ist eine neue Technologie, die noch einige Risiken birgt.“ So haben die SWM bei DanTysk, dem ersten Windpark an dem die SWM beteiligt sind und der am 30. April dieses Jahres offiziell in Betrieb ging, den schwedischen Stromgiganten Vattenfall mit im Boot. Gwynt y Môr haben sie gemeinsam mit RWE und Siemens realisiert.
Derzeit entsteht Ersatzkapazität für Isar II
Derzeit erzeugen die SWM 2,8 Terawattstunden Strom mit Kohle- und Gaskraftwerken. Ebenfalls rund 2,8 Terawattstunden betrug 2014 der Anteil aus ihrer Beteiligung am Kernkraftwerk Isar II. 2,5 Terawattstunden werden bereits regenerativ erzeugt. „Im Prinzip bauen wir derzeit die Ersatzkapazität auf für den Wegfall des Atomkraftwerks Isar II. Denn es geht ja 2022 vom Netz“, so Bieberbach.
Auch bei der Wärmeversorgung, die den Hauptanteil am gesamten Energieverbrauch ausmacht, gehen die Stadtwerke München neue Wege. Bis 2040 soll München die erste deutsche Großstadt werden, in der Fernwärme zu 100 Prozent aus regenerativen Energien gewonnen wird.
Um diese ambitionierte Vision zu realisieren, setzen die SWM in den nächsten Jahrzehnten in erster Linie auf die weitere Erschließung der Erdwärme. Sie soll den wesentlichen Beitrag leisten.
„Unter München liegt ein großes Heißwasservorkommen. Nur zur gleichzeitigen Stromerzeugung reicht die Temperatur hier nicht aus“, erläutert der SWM-Chef. „Da muss man weiter südlich gehen. Zur Fernwärmeversorgung kann man diese natürliche Energiequelle aber sehr gut nutzen, wie wir das ja in Riem schon seit 2004 erfolgreich tun.“ Die nächste Geothermie-Anlage errichten die SWM derzeit im Stadtteil Freiham. Weitere werden folgen.
Zukunftsfeld Elektromobilität
Ein weiteres Zukunftsfeld ist die Elektromobilität. Bieberbach sieht den Weg der Landeshauptstadt in diesem Bereich als Vorbildhaft für andere Kommunen. Taxen, innerstädtisch fahrende Lieferautos und Technikerfahrzeuge auf Elektroantrieb umzustellen, sei entscheidend, um die Feinstaub- und Lärmbelastung in den Innenstädten zu reduzieren. In diesem Segment steuerliche Anreize zu setzen oder andere Fördergelder einzusetzen, sei richtig. Denn auf diese Weise würde die Elektromobilität insgesamt angeschoben. „Aber man muss nicht jedem Menschen in Deutschland eine staatliche Förderung gewähren, damit er ein Elektroauto kauft“, so Bieberbach. Bund und Freistaat seien gefordert, das Münchner Modell flächendeckend zu etablieren.
Der Weg der SWM Richtung 100-prozentig Ökostrom für die ganze Stadt ist laut Bieberbach „sicher keine Blaupause für andere Stadtwerke“. Denn für die Betreuung von Windparkprojekten in England oder Frankreich müsse man neben dem entsprechenden Kapital auch das nötige Personal haben. Es sei aber auch nicht nötig, dass andere Städte in Bayern diese Strategie der SWM kopierten. „Jedes Stadtwerk muss seinen eigenen Weg finden, wie es in der Energiewende erfolgreich ist. Andere bayerische Städte haben zum Beispiel aufgrund ihrer wesentlich geringeren Einwohnerzahl im Verhältnis zur Fläche viel stärker die Möglichkeit, ihr direktes Umfeld zu nutzen, um regenerative Erzeugungsanlagen zu bauen“, so der SWM-Chef.
Dunkle Flaute
Für die Zeiten der „dunklen Flaute“, also wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, sind für Bieberbach Gaskraftwerke und mittelfristig Batteriespeicher die geeigneten Mittel, um dies abzupuffern. Gerade in der momentan rasanten technologischen Entwicklung großer Batteriespeicher sieht er ein großes Potenzial. Er ist sich sicher, dass in den kommenden Jahren die Speicherkapazität steigen und die Preise für diese Speicher weiter sinken werden.
Diese Entwicklung bedeutet laut Bieberbach aber nicht, dass man auf die Hochspannungsgleichstromübertragungstrassen verzichten kann. „Diese sind technisch zwar nicht notwendig zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Bayern,“ so der SWM-Chef. Ohne den Leitungsbau würde die Stromerzeugung aber deutschlandweit teurer. Denn aufgrund des Atomausstiegs und des Zubaus der Erneuerbaren, vor allem der Windkraft im Norden, wird der Übertragungsbedarf von Nord- nach Süddeutschland in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Das wird das Netz überlasten und dazu führen, dass immer öfter regenerative Anlagen im Norden vom Netz genommen werden und stattdessen Kohle- und Gaskraftwerke im Süden zum Ausgleich hochgefahren werden müssen.
Es drohen zwei Preiszonen in Deutschland
Der damit verbundene so genannte Redispach würde 2024 nach Berechnungen der SWM Mehrkosten in Höhe von mindestens 1,1 Milliarden Euro verursachen. Zudem drohe der Zerfall Deutschlands in zwei Preiszonen. Denn derzeit laufe der Stromtransport von Nord- nach Süddeutschland im Engpassfall über Polen und Tschechien. „Wenn die Polen und die Tschechen irgendwann unseren Windstrom von den deutschen Küsten nicht mehr über ihr Stromnetz nach Bayern transportieren wollen, haben wir ein Problem“, warnt Bieberbach. Beide Länder würden bereits Phasenschieber bauen, die den Transport des Windstroms nach Süddeutschland beeinträchtigen könnten.
„Und wenn sich diese Länder bei der EU beschweren, dass ihre Stromnetze als Transitstrecke für den Strom von Nord- nach Süddeutschland missbraucht werden, dann wird es zu zwei Preiszonen in Deutschland kommen, mit höheren Strompreisen im Süden. Stromintensive Industrie wird dann langsam aber stetig aus dem dann teureren Süden nach Norden Deutschlands abwandern. Das kann im Freistaat niemand ernsthaft wollen“, so der SWM-Chef. Denn diese Entwicklung würde einen Kaufkraft- und Wohlstandsverlust für Bayern bedeuten. Insofern müsse es auch Anliegen der bayerischen Landespolitik sein, diese umstrittenen Trassen zu bauen.
(Ralph Schweinfurth)
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