Kommunales

Nicht immer, befindet die Staatsregierung, sollten alle Wohneinheiten in einem Dorf von einem Breitband-Förderprogramm profitieren. Die Bürgermeister*innen haben dann die Wahl: an manchen Häuser unsinnig vorbeigraben – oder ganz auf die Fördermittel verzichten. (Foto: dpa/K.-J. Hildenbrand)

25.02.2022

"Das ist Schikane mit Methode"

Bürgermeister*innen fühlen sich durch immer kompliziertere Bewilligungsanträge und Kontrollvorschriften bei Fördermitteln von der Staatsregierung gezielt mürbe gemacht

Die Kommunen haben in den kommenden Jahren einige teure Projekte zu stemmen: Den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, aber auch den Breitbandausbau. Für all das brauchen sie zwingend auch Fördergelder. Doch die zu bekommen wird immer schwerer. Schuld sind aufwendige, mitunter schikanöse Verfahren.

„Für den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gibt es noch gar nichts“, schimpft Manfred Betzin (parteifrei), Bürgermeister der oberbayerischen Gemeinde Jetzendorf. „Wir haben noch keine konkreten Vorgaben und deshalb lassen sich auch die genauen Baukosten noch nicht beziffern.“ Ohne konkrete Baukosten aber lassen sich keine Förderanträge stellen. Für den Rathauschef der knapp 3000 Bewohnende zählenden Kommune hat das durchaus System: „Damit sich der Freistaat am Ende des Jahres hinstellen und sagen kann, er habe ja ausreichend Fördergelder zur Verfügung gestellt – aber leider seien diesen eben nicht abgerufen worden von den Kommunen.“

Im Fall der Ganztagsbetreuung kommt noch Trödelei hinzu. Im Sommer 2020 bewilligte der Bundestag die Mittel für die von den Kommunen umzusetzende verpflichtende Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026; auf Bayern entfallen 116,7 Millionen Euro. Aber erst im März des darauffolgenden Jahres veröffentlichte der Freistaat die Förderrichtlinie, auf deren Basis bayerische Städte und Gemeinden Anträge stellen können – neun Monate später. Markus Pannermayr (CSU), dem Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, fehlt dafür das Verständnis: „Die Vorlaufzeiten für Neubau- und Ausbauprojekte sind lang – mit Planung, Genehmigung und Ausschreibung bis zur Abwicklung des Baus und Abrechnung der einzelnen Gewerke.“

Oft mehrere hundert Seiten


Aber selbst wenn die oft mehrere hundert Seiten umfassenden Förderanträge endlich ausgefüllt sind, fließt immer noch nicht das Geld. „Hinzu kommen dann noch unzählige Gutachten, komplizierte Planungsschritte und eine Fülle an prüfenden Stellen – etwa bei den Bezirksregierungen“, erläutert Städtetagschef Pannermayr. Komplexe Vorgaben des Vergaberechts – das vielfach eine europaweite Ausschreibung nötig macht, damit niemand hinterher klagt – erschwerten ebenfalls eine zügige Abwicklung. Und das alles muss innerhalb bestimmter Fristen erledigt werden.

„Beantragte Fördermittel aus dem Bundesprogramm für Ganztagsbetreuung hätten ursprünglich bereits bis 31. Dezember 2021 vollständig verausgabt sein müssen“, ergänzt Markus Pannermayr. „Damit sind Baumaßnahmen in der Praxis von der Förderung faktisch ausgeschlossen – denn binnen eines halben Jahres lässt sich ein Bau von der Planung bis zur Endabrechnung nicht realisieren.

„Das alles ist so komplex, dass viele Kolleginnen und Kollegen irgendwann sagen: Es macht keinen Sinn“, ärgert sich Manfred Betzin. Und nennt ein weiteres Beispiel: den Breitbandausbau. „Da muss man dann an manchen Häusern vorbeibuddeln, weil die nicht förderfähig sind für einen Anschluss ans Glasfaserkabel“, berichtet er aus der Praxis. Der Bevölkerung fehle dafür jedes Verständnis. „Ich habe angeboten, dass wir dann diese Häuser einfach aus der Fördersumme rausrechnen.“

 

Ministerielle Beamtenschaft kennt kein Erbarmen


Doch das passe der Beamtenschaft in den Genehmigungsbehörden dann auch wieder nicht. So dürfe man ein Förderverfahren nicht durchführen. Um den Irrsinn komplett zu machen, wird dieselbe Straße dann einige Jahre später – wenn die dafür zunächst nicht zu berücksichtigenden anliegenden Wohneinheiten nun doch förderfähig geworden sind – erneut aufgebuddelt.

Martin Schmid (SPD), Bürgermeister von Vohburg und Sprecher des Bayerischen Gemeindetags im Kreis Pfaffenhofen, ist seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik aktiv. Er meint: „Das ist mit der Zeit immer komplizierter geworden. Und es wird noch schlimmer werden.“

Der Bayerischen Städtetag fordert angesichts dieses Durcheinanders eine Vereinfachung der vielen staatlichen Förderprogramme für kommunale Vorhaben. „Wir wünschen uns mehr Kontinuität und Verlässlichkeit von bestehenden Programmen“, sagt Markus Pannermayr. Hilfreich wäre es, so Pannermayr weiter, die Investitionskraft grundlegend mit höheren Pauschalen oder höheren Fördersätzen im kommunalen Finanzausgleich zu stärken, um Schulen, Kindergärten, Kindertagesbetreuung, Radwegebau und Nahverkehr als Daueraufgaben auszubauen.

 

Förderbescheidübergaben werden regelrecht inszeniert


Mitunter handhaben einige Staatsminister auch die Vergabe der Fördermittelbescheide, als überließen sie den Kommunen eine milde Gabe. Besonders die Ressortchefs für Finanzen, Albert Füracker (CSU), und für Wirtschaft, Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zelebrieren die Anlässe beinahe wie ein Hofzeremoniell; inklusive mitreisenden Ministeriumsfotografen. Auf den später versandten Fotos sind dann fast schon demütig wirkende Rathauschefs auszumachen, die das Geld aus holder Ministerhand in Empfang nehmen.

Dabei handelt es sich mitnichten um eine Großzügigkeit der beiden Herren, sondern um einen elementaren Bestandteil des Konnexitätsprinzips: Der Staat hat für Aufgaben, die er den Kommunen anschafft, auch das Geld zur Verfügung zu stellen. Dass Füracker und Aiwanger mit jeweils eigenen, aber artverwandten Fördergeldern – deren jeweilige Annahme sich mitunter sogar wechselseitig ausschließt – inzwischen auch noch wetteifern, macht den Zustand zusätzlich unhaltbar.

Bürgermeister Betzin aus Jetzendorf dagegen ist deshalb pessimistisch und erkennt in der Vorgehensweise der Staatsregierung sogar Methode: Die Kommunen sollen durch derart schurigelnde Vorgaben bei Fördermitteln gezielt mürbe gemacht werden – damit sie eben aufgeben. „Wenn man mal alle vom Freistaat theoretisch zur Verfügung gestellten Gelder zusammenrechnet – dann übersteigt das die tatsächlich im Haushalt vorhandenen finanziellen Mittel. Die haben das Geld gar nicht. Aber sie wollen eben vor der Öffentlichkeit gut dastehen, was sie angeblich alles für die Städte und Gemeinden tun. Und wenn das Geld nicht vor Ort ankommt, haben sie die Verantwortung von oben nach unten abgewälzt.“ (André Paul)

 

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