Kommunales

Im öffentlichen Raum werden immer mehr Autos abgestellt. (Foto: Schweinfurth)

19.07.2024

"Stellplatzpflicht ist sinnvoll"

Hans-Peter Mayer, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetags, über die Entbürokratisierungsabsichten der Staatsregierung

Im Zuge einer raschen Entbürokratisierung will die bayerische Staatsregierung die staatlich angeordnete Stellplatzpflicht und die Freiflächengestaltungssatzungen der Kommunen abschaffen. Auch wie mit Spielplätzen verfahren wird, sollen die Kommunen entscheiden. Das kommt bei Städten und Gemeinden gar nicht gut an.

BSZ: Herr Mayer, Entbürokratisierung ist doch eigentlich eine gute Sache und wird von vielen gefordert. Warum kritisieren Bayerischer Gemeindetag und Bayerischer Städtetag die Abschaffung der staatlich angeordneten Stellplatzpflicht, die Abschaffung der Freiflächengestaltungssatzungen und die vollständige Kommunalisierung der Spielplatzpflicht?
ans-Peter Mayer: Aus mehreren Gründen: Erstens sendet der Gesetzgeber dadurch das Signal, dass die abgeschafften Standards eine von der Allgemeinheit zu finanzierende Aufgabe sind. Etwas „Lästiges“, was nicht zwingend der Bauherr beizubringen hat. Zweitens bringt die gesetzlich angeordnete Aufhebung Hunderter von Bestandssatzungen ein Chaos in unsere Planungen. Drittens sind unsere Gemeinden – sollte es so kommen – gezwungen, Tausende von individuellen Satzungen zu erlassen, wobei wir im Rahmen des geplanten Stellplatzrechts keine Spielräume mehr haben sollen. Die Freiflächengestaltungssatzung soll es gar nicht mehr geben. Und viertens: Wir hätten gerne mit dem Freistaat zusammen an konstruktiven Lösungen der Fragen gearbeitet.

BSZ: Befürchtet man eine Überflutung der Ortszentren mit parkenden Autos, wenn es keine Stellplatzpflicht mehr gibt?
Mayer:Natürlich nicht sofort. Aber freilich wächst der Bestand an Autos weiter. Und die meisten Rechtsordnungen um uns herum sagen: „Lieber Bauherr, sorge du für deine Stellplätze.“ Und Bayern plant, die staatlich angeordnete Stellplatzpflicht abzuschaffen und die kommunalen Spielräume einzuschränken.

BSZ: Wenn Kommunen die Freiflächengestaltung nicht mehr regeln können, werden die Menschen ihre Gärten nur noch mit Kieselsteinen gestalten, weil die pflegeleichter sind als Rasenflächen? Die muss man ja regelmäßig mähen.
Mayer: Wir hoffen natürlich nicht, dass die Menschen die Abschaffung zum Anlass nehmen, ihre Vorgärten zu schottern. Es gibt ja auch eine Generalklausel im Gesetz, die das nicht möchte. Aber auch hier gilt: Was für ein seltsames Signal des Freistaats in Zeiten von Klimawandel und Artensterben. Warum sollte man den besonders ambitionierten Gemeinden dieses Instrument nehmen? Ich sehe darin keinen Sinn.

BSZ: Bleibt dann der Spielplatzbau auf der Strecke?
Mayer: Sagen wir es so: Wir brauchen nicht vor jedem Haus einen Spielplatz. Aber zumindest sehen wir auch hier den Bauherren als zuständig an. Und auch hier wird gelockert, die Gemeinde wird auf Ebene der Ablösemöglichkeit geschwächt. Ja, am Ende gibt es weniger Geld für Spielplätze, so ist das Gesetz konstruiert.

BSZ: Wenn alles so kommt, wie von der Staatsregierung geplant, würden dann alle 2056 Kommunen im Freistaat eigene Satzungen zu den beiden Problemen, also Stellplatz und Grüngestaltung, erlassen?
Mayer: Sie würden rund 2000 Stellplatzsatzungen erlassen und sie würden Hunderte Spielplatzsatzungen erlassen. Die Freiflächengestaltungssatzung wird abgeschafft. Was mit Blick auf den Aufwand nicht vorstellbar ist, ist die Aufstellung und Überarbeitung Tausender Bebauungspläne. Glauben Sie mir: Unsere Bauamtsleiterinnen und Bauamtsleiter können das alles noch gar nicht glauben.

BSZ: Würden Gemeindetag und Städtetag das Gesetzesvorhaben vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof überprüfen lassen?
Mayer:Wir haben gesagt, wir werden das alles prüfen. Natürlich geht es da auch um die interne Prüfung durch unsere Kolleginnen und Kollegen. Noch hoffen wir ja, dass wir gemeinsam mit dem Freistaat Bayern zu einer guten Lösung kommen.

BSZ: Wie bewerten Sie das Vorgehen der Staatsregierung insgesamt? Offenbar wurden die Kommunen im Vorfeld nicht eingebunden. Das ist doch ein klarer Affront angesichts Ihres Appells bei Ihrer Amtseinführung im Frühjahr im Bayerischen Landtag, als Sie sich ein wieder engeres Miteinander von Kommunen und Staat gewünscht hatten, oder?
Mayer: Ich persönlich finde das Vorgehen schade. Sie haben recht, erst vor ein paar Monaten haben wir dem Landtag und der Staatsregierung zugerufen, dass wir sehr gerne gemeinsam mit allen Akteuren, in einem guten Dialog, an einer guten Zukunft Bayerns arbeiten würden. Wir hätten Ideen für eine Mobilitäts- und Verkehrswende und für Entbürokratisierung am Bau und in der Planung. Mit einem Federstrich löst man keine Mobilitäts- und keine Biodiversitätsfragen. Aber wir befinden uns ja gerade in der Verbändeanhörung. Vielleicht kommen wir ja noch zu einem guten Ergebnis. Wir stehen auf jeden Fall immer für Gespräche bereit.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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