Politik

Nicht jeder kann die Kinder in der Corona-Krise zu Hause betreuen, für Eltern mit systemrelevanten Berufen wurde eine Notbetreuung eingerichtet. (Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

19.06.2020

Volle Gebühren für die Notbetreuung

Kita-Beiträge: Ausgerechnet für Eltern in systemrelevanten Berufen gibt es oft keine Entlastung

Ein „faires Signal an die Eltern“ nannte es Ministerpräsident Markus Söder (CSU), als er verkündete, dass der Freistaat für die Monate April, Mai und Juni die Kitabeiträge übernimmt. Doch für einige Eltern entpuppte sich die Regelung der Staatsregierung als äußerst unfair. Zum Beispiel für eine Mutter aus dem Landkreis Dachau. Im April waren ihre Töchter, ein und vier Jahre alt, an neun Tagen stundenweise in der Notbetreuung – weil sie als Erzieherin selbst für die Notbetreuung benötigt wurde. Und doch musste die Alleinerziehende den vollen Monatsbeitrag für 20 Tage Ganztagsbetreuung zahlen. Sie klagt: Von den Politikern, die Leute in systemrelevanten Berufen derzeit so gerne als „Helden des Alltags“ hochloben, fühle sie sich überhaupt nicht unterstützt.

Das Problem: Der Freistaat zahlt den Trägern von Kitas, die in der Corona-Krise keine Elternbeiträge erheben, zwar Pauschalbeträge – für Kindergartenkinder gibt es etwa 150 Euro. Für Kinder in der Notbetreuung zahlt er aber nicht, selbst wenn diese nur einen einzigen Tag im Monat dort waren. Und so sind viele Einrichtungen, deren Kosten weiterlaufen, gezwungen, von deren Eltern die volle Gebühr zu kassieren. Zumal bereits die pauschale Beitragserstattung des Freistaats für die Träger oft nicht kostendeckend ist, wie diese klagen.

Doris Rauscher (SPD), Chefin des Sozialausschusses im Landtag, hält das für ein großes Ärgernis. Auch der Grüne Johannes Becher fordert Nachbesserungen von der Staatsregierung. Die sieht sich indes nicht in der Pflicht. Kinderbetreuung sei Aufgabe der Kommunen, heißt es aus dem Familienministerium. Ohne den Beitragsersatz des Freistaats müssten die Träger regelmäßig den vollständigen Ausfall der Elterngebühren tragen.

Viele Träger können es sich nicht leisten, auf die Elternbeiträge zu verzichten

Also müssen Eltern entweder den vollen Beitrag für die Notbetreuung zahlen oder die Kitas die fehlenden Beiträge auffangen. „Die Träger vor Ort sind gefordert, hier Lösungen zu finden“, heißt es etwa vom Landesverband der Arbeiterwohlfahrt. In der Regel aber hätten sie zumindest für Eltern in existenziellen Nöten Härtefallregelungen getroffen“, so Referentin Stephanie Haan. Oft seien die Elternbeiträge „jedoch unabdingbar dafür, dass die Kita auf soliden Beinen stehen kann“, ergänzt Maria Magdalena Hellfritsch vom Verband Katholischer Kindertagesstätten.

Aber auch viele Kommunen können es sich nicht leisten, auf die Elternbeiträge zu verzichten. Grasbrunn bei München immerhin hatte es versucht. Dort wollte man Familien, die die Notbetreuung nur bis zu 25 Prozent der gebuchten Zeit in Anspruch nehmen, den Beitrag erlassen. Ohne Ausgleich durch den Freistaat sei das aber nicht machbar gewesen, erklärt der Leiter der Finanzverwaltung, Sebastian Stüwe.

Glück indes haben die Eltern, deren Kinder eine städtische Einrichtung in München besuchen. Sie bezahlen nur für die Tage, an denen das Kind auch betreut wird. Eine noch größere Ausnahmeerscheinung ist Hebertshausen im Landkreis Dachau. Dort sind alle Eltern von der Kitagebühr befreit, auch diejenigen, die ihr Kind in der Notbetreuung haben. Bis zu 9000 Euro macht die Gemeinde dafür locker. Bürgermeister Richard Reischl (CSU) betont: „Wir wollen damit ein Dankeschön an die Personen senden, die das System am Laufen halten.“ Eine Haltung, an der sich nicht nur andere Kommunen ein Beispiel nehmen sollten. Sondern auch die Staatsregierung.
(Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. walbi am 27.09.2020
    Naja, bleibt die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Kitas weiter die vollen Gebühren berechnen. Da lohnt es sich, den Betreuungsvertrag genau durchzulesen und gegebenenfalls einen Anwalt einzuschalten. Schließlich gilt generell erstmal, dass nur erbrachte Leistungen zu bezahlen sind. Wenn die Heizung in meiner Wohnung nicht geht, kann ich schließlich auch die Miete mindern...
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