Die Elektromobilität hierzulande kommt nach wie vor nur schleppend voran. Woran das liegt, haben wir versucht bei einem überzeugten E-Mobilisten in Erfahrung zu bringen. Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, nennt zahlreiche Defizite, die noch gelöst werden müssen.
BSZ: Herr Fischer, was halten Sie von der derzeitigen Elektromobilitätsstrategie der bayerischen Automobilhersteller?
Detlef Fischer: Es gehört sicher zu den schwersten Aufgaben eines Unternehmers, sich von einem gut laufenden Geschäftsmodell rechtzeitig zu verabschieden. Unmöglich wird es aber, wenn man wie BMW und Co. nicht restlos davon überzeugt ist, dass der Verbrennungsmotor für Autos ausgedient hat. Man verliert dann zwangsläufig gegen Unternehmen, die für die Elektromobilität „brennen“. Die beste Fußballmannschaft kann das Spiel gegen den Dorf-Club nicht gewinnen, wenn sie nicht motiviert ist. BMW hatte so gut in 2013 mit dem i3 angefangen, und dann war jahrelang quasi Sendepause. Die schaffen es ja nicht einmal, nach 5 Jahren Produktion für diesen, einen Dachträger anzubieten. Und das bei so einem mickrigen Kofferraum, bei dem man sich zwischen einem Kasten Bier und dem Kinderwagen entscheiden muss. Meine Frau und ich fahren deswegen jetzt lieber Tesla.
BSZ: Brauchen wir mehr eigene Batterieforschung und Batteriefabriken?
Fischer: Jeder investierte Euro in Speichertechnologien ist gut investiertes Geld. Da geht es aber nicht nur um Batterien, sondern auch um Technologien wie „Power-to-X“, die aus dem volatil anfallenden Wind- und Sonnenstrom eine bedarfsgerechte Energienutzung erst ermöglichen. Mir persönlich würde es vollkommen reichen, wenn deutsche Unternehmen mit ihrem Know-how vor allem maßgeblich daran beteiligt sind, Batterien und deren Fabriken zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben. Wo die Fabriken dann letztendlich stehen und die Batterien produziert werden, ist in einer internationalen und hochautomatisierten Produktionswelt doch gar nicht so wichtig. Es wird im Übrigen auch nicht jeder Motor für ein bayerisches Dieselfahrzeug in München oder Ingolstadt hergestellt.
25 Prozent mehr Stromverbrauch als heute
BSZ: Wie sieht es bei den VBEW-Mitgliedsunternehmen aus? Freuen die sich schon auf den zu erwartenden Elektromobilitätsboom?
Fischer: Na ja, da hält sich die Freude bei vielen auch noch in Grenzen. Aber das wird schon noch, da bin ich mir ganz sicher. Unser Wirtschaftszweig hat sich halt mit der Erdgasmobilität schon einmal die Finger bei einem Mobilitätsthema verbrannt und agiert jetzt bei der Elektromobilität entsprechend vorsichtig. Ich halte das für falsch und habe deswegen auch ein paar „Freunde“ weniger. Für mich ist es aber schon äußerst bedenklich, wenn das am besten ausgebaute Schnellladenetz in Europa nicht von einem Energieversorger sondern von einem amerikanischen Elektroautohersteller betrieben wird. Das ist ja fast so, als würde Audi jetzt auch noch die Tankstellen betreiben, um Sprit und Harnstoff zu verkaufen. Und viele Geschäftsführer in der Versorgungswirtschaft lieben einfach ihren Diesel, der ihnen von den Automobilherstellern auch sehr kostengünstig angeboten wird. Da fällt es schwer zu widerstehen. Das muss man als überzeugter Elektromobilist schon hinnehmen können und einfach geduldig sein. Beides gelingt aber mit zunehmendem Alter immer besser. Eine ausgedehnte Probefahrt mit einem gescheiten Elektroauto wirkt aber auch bei hartgesottenen Dieselfans manchmal Wunder. Am besten funktionieren aber immer noch Steuerprivilegien, und da hat der Staat ja schon einiges für Elektroautos als Dienstwagen getan.
BSZ: Haben wir überhaupt genügend Strom für die Elektrifizierung des Mobilitätssektors?
Fischer: Wenn alle Pkws (E-Scooter eingeschlossen) elektrisch fahren würden, dann bräuchten wir in etwa 25 Prozent mehr Strom als heute. Da der Elektromotor dreimal effizienter arbeitet als ein Verbrennungsmotor, entfällt dafür die dreifache Energiemenge an Diesel und Benzin. Unsere Gutschrift an die Scheichs und die Russen würde daher entsprechend kleiner. Im Übrigen ergänzt sich die Stromerzeugung aus Photovoltaik auf dem eigenen Dach mit der Elektromobilität recht ordentlich. Ich probiere das zurzeit im Sommer selbst zu Hause aus und bin erstaunt, wie gut das klappt. Am besten ist es natürlich, wenn man wie wir mehrere Elektroautos sein Eigen nennen kann: Eines steht dann immer in der Garage und kann den selbsterzeugten und damit billigen PV-Strom wie ein Staubsauger aufsaugen.
BSZ: Halten unsere Stromnetze die Elektromobilität aus?
Fischer: Hier muss man ein bisschen differenzieren. Der Ausbau der Stromnetze ist in Deutschland geprägt von den erneuerbaren Energien. In Bayern sind in den vergangenen Jahren in den ländlichen Räumen die Stromnetze vor allem aufgrund des Photovoltaik-Booms bereits verstärkt worden. Davon profitiert jetzt die Elektromobilität. In den Städten schaut es anders aus. Dort wird man aufgrund der Elektromobilität in einigen Jahren zu netzverstärkenden Maßnahmen in einem überschaubaren Umfang greifen müssen. Dort gab es bislang kaum Netzausbau wegen Photovoltaik und Co. Die Energiewende ist jetzt über die Elektromobilität in der Stadt erst richtig angekommen. Aber die Kosten dafür halten sich in Grenzen. Das wird der Stromverbraucher gar nicht merken, da sich die Mehrkosten auf eine größere Strommenge verteilen. Nerviger sind da schon die Baustellen. Mein Mitleid für die Stadtbevölkerung hält sich da aber in Grenzen: Baustellen sind – außer in Berlin – irgendwann abgeschlossen, Windräder, die Strom für die Elektroautos der Städter produzieren, darf sich die Landbevölkerung dagegen ein Leben lang anschauen.
Bessere Ökobilanz
BSZ: Sind Elektroautos wirklich umweltfreundlicher als Verbrenner?
Fischer: Ganz klar: Die Elektromobilität alleine rettet die Welt nicht vor dem Untergang. Aber der Unsinn, der über die Ökobilanz der Elektromobilität von in unserer Gesellschaft teilweise hochangesehenen Menschen zu Papier gebracht wird, ist schon erschreckend. In mindestens zehn seriösen Studien ist mittlerweile nachgewiesen, dass heute schon ein Elektroauto über seine komplette Wertschöpfungskette und Lebensdauer gerechnet eine bessere Ökobilanz aufweist als ein vergleichbarer Verbrenner. Und das künftige Potenzial dieser Technik, noch umweltfreundlicher zu werden, ist enorm. Beim Verbrennungsmotor sehe ich dieses nicht. Und das Beste am Elektroautofahren ist doch neben aller Umweltfreundlichkeit: Es macht Spaß!
BSZ: Was halten Sie von synthetischen Treibstoffen?
Fischer: Im Grunde gar nichts! Synthetische flüssige Treibstoffe sind energetisch ineffizient und damit teuer. Wo soll denn die Energie dafür herkommen? Wir bräuchten fünfmal so viele Windräder, wenn wir den Strom über diesen Umweg in die Autos schicken. Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich viele Leute in ein Wasserstoffauto setzen werden. Wir haben ja schon Probleme, die Leute in ein Erdgasauto zu bekommen. Synthetische Treibstoffe eignen sich allenfalls für Transportaufgaben im professionellen Bereich, die für Batterien als Stromspeicher nicht geeignet sind. Da wäre als erstes das Fliegen zu nennen. Hier wäre es durchweg sinnvoll, mit deutlich höheren Treibstoffkosten dem Flugverkehrboom auf natürlichem Wege entgegenzuwirken. Manche von uns sind ja mehr in der Luft als auf dem Boden und meinen, sie wären Vollökos, weil sie mit der S-Bahn elektrisch zum Flughafen fahren.
Ein Flickenteppich von Ladevarianten
BSZ: Die öffentliche Ladeinfrastruktur gilt allgemein als wenig kundenfreundlich. Stimmt das?
Fischer: Ja, das stimmt schon! Wir finden hier leider einen Flickenteppich von Ladevarianten mit einer automatisierten aber noch störungsanfälligen Technik vor. Und das Schlimmste daran ist, dass das Laden eines Elektroautos im Grunde einfacher ist als das Tanken eines Spritschluckers. Man entnimmt das an der Ladesäule angeschlagene Ladekabel, führt es in die Ladebuchse ein und es macht klick. Ist genug geladen, entriegelt man das Ladekabel und steckt es wieder zurück an die Ladesäule. Fertig! Bezahlt wird beispielsweise mit Kreditkarte, und man sieht den Rechnungsbetrag auf dem Handy beziehungsweise auf dem Display im Auto. Man hat als Elektromobilist keine nach Benzin oder Diesel stinkenden Hände und muss sich nicht an der Kasse anstellen und sich fragen lassen, ob man neben der Benzinrechnung auch noch einen Müsliriegel oder eine Leberkässemmel bezahlen möchte.
BSZ: Häufig sieht man Verbrenner auf Elektroladeplätzen stehen. Können die alle keine Schilder lesen?
Fischer: Ich denke, das kommt noch aus der Zeit, als die Verbrennerfahrer dachten, da will ja eh keiner laden, da stelle ich mich einfach drauf. Das ist jetzt aber anders. Die Ladesäulen werden benutzt und die Elektroautofahrer verstehen keinen Spaß, wenn „ihre“ Ladesäulen zugeparkt sind. Mir hat ein Verbrennerfahrer schon einmal das Handy geklaut, als ich ihn beim Zuparken gefilmt habe. Da kochen dann schon mal die Emotionen ein wenig hoch. Die Polizei geht derzeit recht milde mit den Verbrennerfahrern um. Es wurden auch schon Polizeiautos auf Ladeplätzen gesehen. Zuparken kostet nach Bußgeldkatalog derzeit 10 Euro. Das ist billiger als Parken in einer Tiefgarage in München. Ich versuche das zu ändern und habe einen Brief an den Innenminister geschrieben. Es geht ja nicht nur um das Zuparken – es handelt sich ja um geschäftsschädigendes Verhalten, da der Ladesäulenbetreiber nun mal mit einem Verbrenner auf dem Stellplatz keinen Strom verkaufen kann.
BSZ: Woran kann der Durchbruch der Elektromobilität in den nächsten Jahren noch scheitern?
Fischer: Eigentlich nur noch daran, dass es womöglich nicht genug Batterien gibt. Alle anderen Sachverhalte wie Reichweite, Kosten und Aufladen sind technisch gelöst und müssen nur noch in die Köpfe der Autofahrer.
BSZ: Wieviel Prozent der Autos fahren in 2050 irgendwie elektrisch?
Fischer: Da bin ich mir sicher, wenn meine beiden Söhne nicht noch etwas Besseres erfinden: 100 Prozent! Aber das ist doch das Schöne im Leben, dass niemand weiß, was morgen ist oder erfunden sein wird.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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