Bauen

Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: Tobias Hase)

24.06.2024

„Bauliche Anlagen so gestalten, dass sie zum Lebensraum werden“

Kammer-Kolumne über „Förderung der Biodiversität – eine wichtige Aufgabe auch im Bauwesen“

Mit der Industrialisierung begannen unsere radikalen Eingriffe in die Natur, deren Folgen uns heute vor große Herausforderungen stellen. Die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels mussten wir jetzt erst wieder mit der Hochwasserkatastrophe in weiten Teilen Süddeutschlands hautnah erleben. Unsere Herkulesaufgabe ist es, nicht nur den Klimawandel zu bremsen und dadurch die Gefahr solcher Katastrophen zu mindern. Es geht auch darum, den Folgen des Klimawandels zu begegnen und durch technische, bauliche und logistische Maßnahmen die Auswirkungen des Wandels, beispielsweise bei Starkregen, in verträgliche Bahnen zu lenken.

Bauwesen trägt zum Rückgang ebenfalls bei

Ein Phänomen, das zwar oft erwähnt, aber leider kaum in der nötigen Tiefe beachtet wird, ist der massive Rückgang der Biodiversität. Schon 2017 wurde in Studien festgestellt, dass über einen Zeitraum von 30 Jahren die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten um rund 75 Prozent zurückgegangen ist. Weitere Studien zeigen, dass etwa 40 Prozent der Insektenarten weltweit einen Rückgang ihrer Populationen verzeichnen und ein Drittel aller Insektenarten bedroht ist. Es gibt auch Schätzungen, dass rund 40 Prozent der Insektenarten in den nächsten Jahrzehnten aussterben könnten, wenn der derzeitige Trend anhält. Keine guten Aussichten.

Der Rückgang der Biodiversität wurde und wird oft der intensiven Landwirtschaft zur Last gelegt, die sicher auch einen Anteil daran hat. Allerdings trägt auch das Bauwesen ganz massiv dazu bei, den Rückgang der Biodiversität zu beschleunigen. Jegliche Versiegelung von Flächen führt zur Zerstörung und Fragmentierung natürlicher Lebensräume. Dies beeinträchtigt die Tier- und Pflanzenwelt erheblich. Durch die Bebauung und Versiegelung großer Flächen wird zudem auch der natürliche Boden bedeckt, was den Lebensraum für Bodenorganismen und Pflanzen reduziert und die natürliche Wasserfiltration verhindert. Auch die „Lichtverschmutzung“ in Städten beeinträchtigt das Verhalten von Tieren erheblich: Insbesondere nachtaktive Insekten, Vögel und Fledermäuse werden durch die künstliche Beleuchtung gestört. Dies beeinflusst deren Fortpflanzung und auch die Nahrungssuche.

Nachhaltiges Planen
und Bauen ist gefragt

Was sind die Folgen? Die Reduktion der Biodiversität beeinträchtigt die Fähigkeit von Ökosystemen, wichtige Dienstleistungen wie beispielsweise Bestäubung, Klimaregulierung, Wasserreinigung und Erosionskontrolle zu erbringen. Die Fragmentierung und der Verlust von Lebensräumen führen auch zu isolierten Populationen, was die genetische Vielfalt verringert und die Anfälligkeit für Krankheiten und Umweltveränderungen erhöht. Eine geringere Biodiversität macht Ökosysteme dann letztendlich instabil und anfälliger für Störungen. Die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressfaktoren wie Klimawandel, Krankheiten und invasiven Arten geht letztendlich verloren. Der Rückgang der Biodiversität schädigt also die Ökosysteme, die wir heute so dringend benötigen.

Es liegt in unseren Händen, die Ökosysteme wieder zu stärken und die Biodiversität zu fördern. Als Ingenieure kennen wir die Werkzeuge, wie wir durch ein nachhaltiges Planen und Bauen dazu beitragen können. Die Renaturierung von Stadträumen mithilfe von Dach- und Fassadenbegrünungen oder offenen Parkanlagen und Grünflächen beispielsweise trägt nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung des Stadtklimas bei. Die Schaffung einer grünen Infrastruktur in Städten fördert auch ganz erheblich die Biodiversität. Es ist wichtig, gerade auch im Zuge der Nachverdichtung und der urbanen Planung sehr sorgfältig darauf zu achten, bestehende natürliche Lebensräume zu schützen und auch Lebensräume wiederherzustellen, die durch Bauaktivitäten beeinträchtigt wurden. Oftmals können auch bauliche Anlagen so gestaltet werden, dass sie zum Lebensraum werden.

Begrünte Lärmschutzwände beispielsweise fördern nicht nur die Biodiversität, sondern wirken sich auch positiv auf das Stadtbild und das Stadtklima aus. Gerade auch bei der Lichtplanung ist es wichtig, die Kompetenz von entsprechend qualifizierten Ingenieuren zu nutzen. Auch hier finden sich immer Wege der nachhaltigen Beleuchtung von Straßenräumen und Gebäuden, die Rücksicht auf die Natur nehmen. Als Ingenieure haben wir mit unserem Engagement für mehr Nachhaltigkeit beim Planen und Bauen bereits erste Weichen in die richtige Richtung gestellt. Das müssen wir fortsetzen und „Fahrt aufnehmen“.

 

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