Bauen

Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: B. Gleixner)

25.07.2018

„Wir sind Gestalter der Gesellschaft“

Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über lebenswerte Wohn- und Arbeitswelten.

Im Januar dieses Jahres beschlossen die Kultusminister der europäischen Länder in einer informellen Konferenz die Erklärung von Davos als eine europaweite Koalition für Baukultur. Bemängelt wird in der Erklärung unter anderem der Flächenverbrauch in den Ländern, der „Verlust an Qualität der gebauten Umwelt und der offenen Landschaften“ sowie die „fehlenden gestalterischen Werte und ein fehlendes Interesse für Nachhaltigkeit“. In der Erklärung wird in diesem Zusammenhang unter anderem ein „Gleichgewicht zwischen den kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und technischen Aspekten von Planung, Gestaltung, Erstellung und Umnutzung im Interesse des Gemeinwohls“ gefordert.

Die einleitenden Worte der Erklärung von Davos vermitteln kein gutes Bild vom aktuellen Stand unserer gegenwärtigen Baukultur. Ist es wirklich so schlimm? Bei genauer Betrachtung kann man durchaus erkennen, dass wir mit der Entwicklung unserer Wohn- und Arbeitswelten, also einem Teil unserer gebauten Umwelt, sowohl in den Ballungszentren als auch auf dem „flachen Land“ durchaus gewisse Korrekturen vornehmen müssen, um auch in Zukunft eine lebenswerte Umgebung zu haben.

Mehrkosten
bringen Mehrwert

Lebenswerte Wohn- und Arbeitswelten bedeuten einerseits eine optisch angenehme und schöne Umgebung mit entsprechend gestalteten Gebäuden, die sich in die Umgebung einfügen. Die Aspekte „angenehm und schön“ sind dabei selbstverständlich sehr subjektiv. Wichtig ist, dass die Architektur der Bauwerke nicht nur auf den reinen Zweck des Gebäudes reduziert werden darf.

Es geht also nicht nur darum, ein Dach über dem Kopf und vier Wände um uns herum zu haben. Die Gestaltung der Gebäude sollte anderen Ansprüchen folgen: In historisch gewachsenen Städten lassen sich an den Bauwerken üblicherweise epochale und regionale Elemente ablesen, die in der Regel für ein lebenswertes und „schönes“ Ambiente sorgen. Dies betrifft einerseits die Proportionen von Baukörpern, andererseits aber auch individuelle Gestaltungs- und Zierelemente, um nur zwei Aspekte zu nennen. Dieser Gestaltungsanspruch und diese Individualität von Gebäuden sollte wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Womöglich ist eine anspruchsvollere Gestaltung auch mit etwas höheren Baukosten verbunden. Die Mehrkosten bedeuten dann aber einen vielfachen Mehrwert in Bezug auf eine lebenswerte Wohn- oder Arbeitsumgebung.

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt bei der Schaffung von lebenswerten Wohn- und Arbeitswelten ist die Einbeziehung des Quartiers oder des Ensembles und hier auch insbesondere ökologische Aspekte.
In vielen Städten und Siedlungen wurde in der Vergangenheit, auch im Zuge der Nachverdichtung, zu viel Natur „verdrängt“, zu viele Flächen versiegelt. Wie wichtig Grünflächen und damit auch Versickerungsflächen sind, zeigt sich, rein technisch betrachtet, regelmäßig bei starken Regenfällen.

Die Bedeutung von Grünflächen wird aber auch beim sommerlichen Wärmeschutz deutlich. Fehlen solche Flächen, wird mehr (baulicher) Aufwand zur Verschattung, aber auch zur technischen Kühlung von Gebäuden erforderlich. Zudem sorgt eine passende Begrünung eines Quartiers nicht nur für ein ökologisches Gleichgewicht, dessen Fehlen eingangs bemängelt wurde.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Grünflächen tragen automatisch dazu bei, das soziale und auch das kulturelle Gleichgewicht zu fördern. Sie stellen also auch unter diesem Gesichtspunkt eine lebenswerte Wohn- und Arbeitswelt sicher. Als Ingenieure sind wir Gestalter der Gesellschaft. In keinem anderen Berufszweig gibt es eine größere Möglichkeit, auf die jeweiligen Facetten einer lebenswerten Wohn- oder Arbeitswelt Einfluss zu nehmen.

Ziel muss dabei sein, die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf einem hohen Qualitätsstandard voranzubringen und gegebenenfalls den Bauherren den „Mehrwert“ einer lebenswerten Wohn- und Arbeitswelt aufzuzeigen. In spätestens zehn Jahren wollen die Kultusminister der Länder wieder zusammenkommen, um die Fortschritte zur Realisierung einer hohen Baukultur zu evaluieren. Es wäre ein tatsächlicher Erfolg, wenn dann die Erklärung positiver ausfallen würde.

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