Weil Sozialausgaben, Kosten für die Krankenhäuser und ÖPNV-Ausgaben steigen, müssen die Kommunen genau überlegen, was sie sich noch leisten können. Das ist im Landkreis Günzburg nicht anders als in anderen Landkreisen Bayerns. Doch dort müssen zusätzlich noch die Folgen der Juni-Flut verdaut werden.
BSZ: Herr Reichhart, Bayerns Kommunen hatten zuletzt mit über 5 Milliarden Euro ein Rekorddefizit angehäuft. Wie ist die Situation in Ihrem Landkreis?
Hans Reichhart: Unsere Haushaltslage ist sehr angespannt. Wir haben in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen neue Aufgaben vom Bund zugewiesen bekommen, ohne dass Berlin uns die dafür entstehenden Ausgaben ausgeglichen hat oder auch nur finanziell entgegengekommen ist.
BSZ: Wie groß ist das Defizit im Landkreis Günzburg aktuell?
Reichhart: Aktuell kann ich noch keine Zahlen nennen, da wir noch mitten in den Haushaltsverhandlungen sind. Die Probleme sind bei uns aber dieselben wie in den anderen Landkreisen: Die Sozialausgaben steigen deutlich, ebenso wie die Kosten für die Krankenhäuser. Und auch andere Ausgaben wie etwa für den ÖPNV legten zu. All das ist eine enorme Belastung für die Haushalte der Kommunen.
BSZ: Sie sprechen die Sozialausgaben an. Welchen Anteil haben die Kosten für Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern in Ihrem Landkreis?
Reichhart: Da muss differenziert werden: Da sind zum einen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Hier belaufen sich die Kosten pro Kind oder Heranwachsendem auf im Schnitt gut 100.000 Euro pro Jahr. Allerdings erstattet diese Kosten komplett der Freistaat – ebenso die allgemeinen Ausgaben für den Asylbereich. Anders sieht es bei den Menschen aus der Ukraine im Bürgergeldbezug aus – hier bleiben wir als Landkreis auf einem Teil der Kosten sitzen.
BSZ: Das eine ist das Geld. Aber bekommen Sie die Menschen noch unter? Und vor allem, gelingt es, die vielen Flüchtlinge noch zu integrieren?
Reichhart: Wir bekommen die Menschen zwar noch unter. Doch es wird immer schwieriger, genug Unterkünfte zu finden. Die Begeisterung der Gemeinden und auch Nachbarn beim Vermieten an Flüchtlinge hält sich in Grenzen. Zur Integration: Da sind wir bereits über dem Limit. Sprach- und Integrationskurse, aber auch Schulen und Kindergärten – vieles ist weitgehend voll.
BSZ: Was müsste sich migrationspolitisch aus Ihrer Sicht ändern?
Reichhart: Wir brauchen einerseits einen Zuzugsstopp im Bereich der Asylbewerber – eine Ruhepause zum Durchatmen. Andererseits benötigen wir ein konsequentes Vorgehen bei Rückführungen. Denn längst schwappt die negative Stimmung in der Bevölkerung, was den Zuzug von Migranten betrifft, auch auf andere Bereiche über – etwa die Arbeitsmigration. Dabei benötigen wir wegen des Fachkräftemangels dringend Migranten als Arbeitskräfte.
BSZ: Kommen wir zurück zur vielerorts schwierigen Haushaltslage. Wo kann gespart werden und wo sind Grenzen? Kommunale Daseinsvorsorge ist ja nicht nur ein Wort.
Reichhart: Das Problem ist, dass viele Leistungen, die wir bezahlen müssen, durch Bundesvorgaben verpflichtend vorbestimmt sind. So sind viele Sozialleistungen einklagbare Ansprüche. Faktisch können wir deshalb nur bei den freiwilligen Leistungen sparen. Die Kommunen müssen in der Praxis zunehmend etwa darüber nachdenken, was sie sich bei der Ausstattung von Schulen oder im Neubaubereich noch leisten können. Immer öfter wird dort der Rotstift angesetzt. Längst müssen wir überlegen, was wir besonders dringend machen müssen und welche Projekte man vielleicht doch über mehrere Jahre strecken kann.
BSZ: Der Freistaat hat den Kommunalen Finanzausgleich um 600 Millionen Euro aufgestockt. Von der Ampel kam zuletzt dagegen nicht mehr Geld. Fühlen Sie sich aus Berlin im Stich gelassen?
Reichhart: Wir fühlen uns vom Bund komplett im Stich gelassen. Aus Berlin kommen nur weitere Belastungen für die Kommunen, keinerlei Entlastungen. Wo Geld in Aussicht gestellt wurde wie im Bereich der Hochwasserhilfe, kommt es nicht an – das mussten wir als Landkreis schmerzlich selbst erfahren. Da machten der Kanzler und der Vizekanzler große Versprechen, doch konkret passierte dann leider nichts.
BSZ: Vor einem halben Jahr liefen in der Region Günzburg nach heftigen Regenfällen zahlreiche Ufer über. Lassen sich die Schäden mittlerweile beziffern? Und ist der Landkreis Günzburg auf die nächste Naturkatastrophe gut vorbereitet?
Reichhart: Die Schäden genau zu beziffern ist noch immer schwierig – sie liegen auf alle Fälle im deutlichen dreistelligen Millionenbereich. Und natürlich haben wir nach dem Hochwasser den Katastrophenschutz in den vergangenen Monaten weiter optimiert. Auch aktuell sind wir noch dabei, zu evaluieren, was beim Katastrophenschutz gut gelaufen ist und, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Klar ist: Dort, wo es Dämme gab, haben diese gehalten. Deshalb investieren wir weiter in Dämme und Regenrückhaltesysteme. Das ist das einzige, was hilft.
BSZ: Das alles kostet Geld. Sollten die Städte, Landkreise und Gemeinden mehr fiskalpolitischen Gestaltungsspielraum bekommen? Gewerbe- sowie Grundsteuer können ja nicht beliebig erhöht werden und die Hundesteuer ist letztlich Peanuts, wie gerade erst ein fränkischer Kämmerer klagte.
Reichhart: Zwar hat sich der Freistaat zuletzt extrem auf die Seite der Städte, Gemeinden und Landkreise geschlagen, in dem er den Finanzausgleich mit noch mehr Geld ausgestattet hat. Aber richtig ist auch: Wir brauchen wieder mehr Spielräume. Und dafür braucht es auch einen höheren steuerlichen Gestaltungsspielraum.
BSZ: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Bald beginnt die stille Zeit. Wie verbringen Sie die Adventszeit? Kann man als Landrat mit langen Arbeitszeiten überhaupt durchschnaufen?
Reichhart: Irgendwann kommt Heilig Abend. Und dann habe auch ich Zeit zum Durchschnaufen. November und Dezember sind aber erst einmal vollgepackt mit vielen Terminen. Wobei ich mich auf jeden einzelnen freue. Denn da sind tolle Begegnungen und richtig schöne Gespräche dabei.
BSZ: Und wie läuft der Heilige Abend dann im Hause Reichart ab?
Reichhart: Weihnachten verbringen wir ganz klassisch: Wir essen Bratwurst und Kartoffelsalat. Meine Schwester kommt mit ihrer Familie, auch meine Eltern. Wir singen zusammen, es wird Vorgelesen und es gibt Bescherung. Dann wird gespielt und gegessen. Ganz spät am Abend geht es noch in die Christmette.
(Interview: Tobias Lill)
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