Kommunales

Laut Deutscher Umwelthilfe ist die Oberpfalzmetropole Regensburg besonders stark versiegelt. Der Kühlungseffekt durch die Donau wurde dabei offenbar nicht berücksichtigt. (Foto: dpa/Armin Weigel)

02.08.2024

In den Zentren wird es immer heißer

Mehrere bayerische Städte schneiden im „Hitze-Check“ der Deutschen Umwelthilfe schlecht ab

In stark versiegelten Kommunen leiden die Menschen besonders unter der Hitze. Denn vor allem im Sommer setzt kaum ein Kühleffekt ein. Gerade Teer und Pflastersteine strahlen die tagsüber aufgenommene Wärme nachts wieder ab. Nötig wären Grünflächen, die in den Stunden, in denen die Sonne nicht scheint, die Luft kühlen können.

Besonders betroffen sind nach einer neuen Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Menschen in Regensburg. Die Oberpfalzmetropole an der Donau sei besonders stark versiegelt und habe gleichzeitig besonders wenig Grün. Die Deutsche Umwelthilfe hat nach eigenen Angaben 190 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnenden hinsichtlich dieser Faktoren in einem „Hitze-Check“ untersucht.

Nach der DUH-Statistik schneiden Ludwigshafen und Heilbronn besonders schlecht ab, dahinter schon kommt Regensburg bundesweit gesehen auf dem dritten Platz. Die Fläche der Oberpfälzer Stadt ist nach Angaben der DUH zu knapp 54 Prozent versiegelt. Zudem kommt Regensburg nur auf eine Grünvolumenzahl von 1,95. Dabei handelt es sich um die Zahl von dreidimensionaler Vegetation – wie die von Bäumen auf die Fläche bezogen.

Ein stark verzerrtes Bild der Wirklichkeit gezeichnet

Ein durchschnittlich hoher Laubbaum habe ein Grünvolumen von etwa 3400 Kubikmeter, erläuterte die DUH. Aschaffenburg kommt beispielsweise auf eine Grünvolumenzahl von 3,81 – diesbezüglich die beste Stadt im Freistaat. Außerhalb Bayerns gibt es aber noch eine Reihe von Kommunen mit mehr Grün.

Nach Regensburg schneiden auch noch Ingolstadt (bundesweit 7. Platz), Nürnberg (8.), Schweinfurt (11.) und Fürth (12.) schlecht ab. Am besten bewertet in Bayern wurde Landshut. Die niederbayerische Bezirkshauptstadt kommt auf eine Versiegelung von 43,7 Prozent und eine Grünvolumenzahl von 2,71.

In Regensburg ist man sich durchaus bewusst, dass man sowohl aufgrund der mittelalterlichen Struktur in der Innenstadt als auch aufgrund der insgesamt städtebaulichen Kompaktheit als Oberzentrum Maßnahmen realisieren muss, um der Hitze und auch anderen Auswirkungen des Klimawandels besser begegnen zu können. So werden derzeit Brunnen, Schattenoasen und kühle blaue Ecken geplant. „Beim Schwannenplatz sind einige der Prinzipien einer klimaresilienten Stadtplanung bereits umgesetzt worden: Rasen, Brunnen, vertikaler Weingarten, Bäume, Wasserspender“, betont Pressesprecherin Juliane von Roenne-Styra.

Fragwürdige Methodik

In Ingolstadt hält man die Methodik des Hitze-Checks für fragwürdig, denn laut Stadtverwaltung bezieht sich die Betrachtung der DUH zur Versieglung rein auf die 37 Prozent Siedlungs- und Verkehrsfläche. Dabei werden vollkommen die weitaus größeren Vegetationsflächen im Stadtgebiet ignoriert und somit ein stark verzerrtes Bild der Wirklichkeit gezeichnet, teilt Michael Klarner, Pressesprecher der Stadt Ingolstadt, mit. Ingolstadt sei eine der grünsten Großstädte in Deutschland, mit großen Parkanlagen, den Donauauen mit ausgedehnten Waldgebieten und in vielen Ortsteilen dörflich strukturierter Besiedlung. Rund 37 Prozent der Gesamtfläche sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, 63 Prozent sind Vegetations- und Gewässerflächen wie zum Beispiel Wald, landwirtschaftliche Flächen, Donau, Seen.

Klarner betont, dass es gerade die Vegetations- und Gewässerflächen sind, die das gesamtstädtische Klima mitprägen und an heißen Tagen der Bevölkerung im unmittelbaren Lebensumfeld Abkühlung und Erfrischung bieten. So durchziehen die Gesamtstadt sogenannte Grünringe, die ebenso essenziell sind, wie etwa die Donau und deren Auwald – allesamt wichtige Kaltluftschneisen in der Stadt. „Leider finden diese in der vorliegenden Darstellung keine Beachtung“, moniert Klarner.

Er verweist außerdem auf ein umfassendes Klimaanpassungskonzept und einen lokalen Hitzeaktionsplan. Beides sei in der Endfertigung und solle im Herbst im Stadtrat beschlossen werden. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas wie zum Beispiel ein Konzept zur Schwammstadt und zur Umgestaltung des Straßenraums in der Harderstraße im Rahmen der Klimaanpassung seien bereits in konkreter Umsetzung.

Nicht nachvollziehbare Datenbasis

Auch in Nürnberg kann man die Datenbasis der DUH nicht nachvollziehen. „Die Einordnung von Nürnberg als Stadt mit einem hohen Verdichtungsgrad in der Siedlungs- und Verkehrsfläche überrascht aber nicht. Denn Nürnberg ist geprägt durch den mittelalterlichen Stadtkern sowie die für eine Industrie- und Arbeiterstadt typische relativ dichte Bebauung. Dies sind historische Grundbedingungen der Grün- und Freiraumplanung“, sagt Nicola A. Mögel, die persönliche Mitarbeiterin der Umweltreferentin. Man könne Nürnberg nicht mit Residenzstädten wie zum Beispiel Potsdam vergleichen, die das Ranking anführen. Dort bestimmen Schlösser mit weitläufigen Parkanlagen das Stadtbild. So hat Nürnberg im Vergleich relativ wenige öffentliche Parks.

Es gibt aber darüber hinaus mindestens drei wichtige Faktoren, die im Vergleich der DUH nicht berücksichtigt werden, betont Mögel. So sei das Nürnberger Stadtgebiet relativ klein und der Reichswald um die Stadt tauche in den Berechnungen nicht auf, weil er zum Landkreis gehört. Der Reichswald insbesondere im Osten habe aber eine sehr wichtige klimatische Funktion für die Stadt: Die dort entstehende kalte Luft wird über vorherrschende Ostwinde in die Stadt gebracht. „Würde man einen Grüngürtel um die Stadt mit einberechnen, würden wir im Vergleich besser abschneiden“, sagt Mögel.

"Wir arbeiten in die richtige Richtung"

Dass der Freiraum in Nürnberg zudem ganz atypisch geprägt ist von relativ vielen landwirtschaftlichen Flächen im Knoblauchsland und im Süden der Stadt, wird laut Mögel von der DUH nicht berücksichtigt. Doch diese Gebiete seien für die Stadt wichtige Kaltluftentstehungsgebiete. Ebenso wenig wird von der DUH beachtet, dass die Siedlungs- und Verkehrsfläche Nürnbergs von 2018 bis 2022 trotz Stadtwachstum leicht gesunken ist. „Wir gehen also sparsam mit den Flächen um“, unterstreicht Mögel.

Sie betont auch, dass sich Nürnberg schon seit über 15 Jahren mit dem Thema Hitze in der Stadt und Klimaanpassung auseinandersetzt. Parks aufwerten, Flächen entsiegeln, neue Bäume pflanzen, die Stadt wassersensibl gestalten nach dem Prinzip „Versickerung vor Einleitung“ und vieles mehr zeugen davon, wie ernst man die Problematik der sich im Sommer aufheizenden Frankenmetropole nehme.

„Ich nehme das Urteil der DUH als Steilvorlage, dass wir in die richtige Richtung arbeiten. Historische Voraussetzungen kann man aber nicht über Nacht ändern. Der Umbau zur klimaangepassten Stadt ist ein Megaprojekt. Wichtig ist daher auch, dass sich die Menschen in der Stadt hitzeangepasst verhalten, hier informieren wir zum Beispiel im Zuge unseres Hitzeaktionsplans“, sagt Nürnbergs Umwelt- und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm.

Kritik aus Fürth

Auch in der Nachbarstadt Fürth wehrt man sich gegen die Methodik des Hitze-Checks der DUH. Demzufolge ist Fürth eine von 24 Städten bundesweit, die wegen ihrer Flächenversiegelung (53,79 Prozent) und zu wenig „Grünvolumen“ die Rote Karte erhält. Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) vermutet, dass bei dieser Erhebung falsche Zahlen zugrunde liegen könnten und wird sich dazu auch direkt an die DUH wenden. „Tatsache ist, dass sich bei einer Gesamtfläche von 63,35 Quadratkilometern die versiegelten Flächen in Fürth auf insgesamt 37,4 Prozent belaufen. Würde man sogar noch die Sport-, Freizeit-, Erholungs- und Grünanlagen zu den versiegelten Flächen hinzurechnen, käme man auch nur auf 42,8 Prozent“, so Jung. Die Restfläche ist demnach unversiegelt und damit liegt die Kleeblattstadt über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 45 Prozent, den die DUH postuliert. „Dies würde statt der Roten die Grüne Karte bedeuten“, betont der Fürther OB.

Unverständnis äußert Jung auch bei der Klassifizierung von Friedhöfen und Parks, die die DUH wie Wohnhäuser und Straßen wertet. „Gerade unsere vier Friedhöfe im Stadtgebiet mit ihrem alten Baumbestand und der nachgewiesenen Artenvielfalt, unsere großflächigen Grünanlagen wie der vielfältig bewachsene Stadtpark, der Südstadtpark und der Schlosspark in Burgfarrnbach, ebenfalls mit wertvollem altem Baumbestand, werden bei der Erhebung nicht berücksichtigt. Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziebar.“

Satellitenbilder und Zensusdaten ausgewertet

Konfrontiert mit der Kritik der Städte, betont Markus Zipf, Bereichsleiter Kommunaler Umweltschutz bei der DUH, dass Satellitenbilder und Zensusdaten verarbeitet wurden. „Wir haben geschaut, wo die Menschen wohnen und ob für sie Parks erreichbar sind. Und da sieht es gerade für die Stadtviertel, in denen die ärmeren Bevölkerungsteile wohnen, schlecht aus“, so Zipf. Auch sei in die Auswertung eingeflossen, ob es sich in den Grünzügen um ältere hohe Bäume oder um neu gepflanzte handelt. „Denn ein älterer hoher Baum sorgt für viel mehr Abkühlung als ein junger“, betont Zipf.
(Ralph Schweinfurth)

 

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